54. Alica: Morgens

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Leise schritt ich in den Raum, den ich vor etwa zwanzig Minuten zum Duschen verlassen hatte und schloss leise die Tür.

Ich warf Amy einen schmunzelnden Blick zu, die nach wie vor tief und fest schlief. Sie hatte dabei eine Haarsträhne im Gesicht, die durch ihren Atem immer wieder nach oben gehoben wurde und dann wieder zurück auf ihr hübsches Gesicht fiel, doch das schien sie wenig zu stören.

Ich verkniff mir ein Kichern und ging erstmal zum Kleiderschrank, um mich mit mehr als nur einem Handtuch zu bekleiden.

Denn so zu ihr ins Bett zu steigen, kam für sie einer Aufforderung gleich... Ihr wisst schon...

Ich zog mir Unterwäsche an, eine kurze Hose und ein lockeres Top, ehe ich mich wieder meiner Freundin zuwandte, die noch immer im Traumland war. Jeden Morgen dasselbe mit dieser Frau.

Lächelnd legte ich mich wieder ins Bett, aber auf die Decke und mit der Absicht, Amy zu helfen, ihren süßen Arsch hoch zu bekommen.

Dafür strich ich ihr nicht die Strähnen aus dem Gesicht, nein, ich legte ihr noch mehr hinein und fühlte mich dabei fast so, als würde ich einem schlafenden Monster mit einem Speer ins Gesicht pieken.

Amy brummte, als ihr Gesicht mit Haaren bedeckt war, drehte sich einmal, wodurch ihr die Strähnen wieder aus dem Gesicht fielen.

Ach mano. Was sollte ich denn jetzt machen?

„Amybaby" Ich versuchte es mal durch Sprechen, vielleicht half es ja was.

Sie brummte abweisende Laute, aber davon ließ ich mich nicht beeindrucken, sondern schmiegte mich an sie heran. Meine Hand strich ihren Bauch entlang, dort, wo ihr Top zu kurz war und meine Lippen fanden ihre Schulter.

„Wir haben noch total viel zu klären und erledigen. Schlafen kannst du auch noch, wenn wir wieder zu hause sind", erklärte ich ihr, weil ich wusste, dass sie mittlerweile zumindest so weit wach war, um mir zuzuhören.

„Will aber jetzt", murrte sie wie ein patziges Kleinkind.

Okay, nun musste ich doch kichern.

„Du bist süß" Entzückt kuschelte ich mich an sie ran.

„Süß?!" Sie klang empört, war plötzlich hellwach. „Na hör mal...", wollte sie beginnen, mich zu tadeln, als sie sich zu mir umdrehte. Da lachte ich auch schon.

Sie war wirklich unglaublich süß, nur hörte sie das alles andere als gern. Weil ich schon wusste, wie sie sich entrüsten wollte, verdrehte sie über mein Lachen nur die Augen und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Du kleine Frühaufsteherin", meinte sie dabei.

Wenn sie erstmal mal wach war, war der Rest ein Kinderspiel.

Zum Beispiel rollte sie sich jetzt von alleine und freiwillig aus dem Bett und schnappte sich ein paar Klamotten zum Duschen. „Bis später", meinte sie nur dabei und war dann auch schon weg.

Lächelnd ließ ich mich ins Bett zurückfallen und musterte die Decke.

Alle anderen würden von dieser gleichgültigen Art, die Amy häufig an den Tag legte, wohl vertrieben werden, aber ich mochte das so an ihr. Das machte die Situationen, in denen sie richtig Emotional war, nur noch besonderer.

Nach den Ereignissen der letzten Wochen, die wir hier verbracht hatten, freute ich mich ehrlich gesagt schon darauf, wieder nach hause zu gehen, in unseren langweiligen Alltag, wo ich keine Freunde von mir, aus einer Gefangenschaft retten musste, oder meine Oma sich umbrachte, um mit irgendwelchen Engeln zu kommunizieren.

Ich verstand, warum sie das getan hatte. Sie war unsere Oma, sie tat alles für uns. Und ich wusste auch, dass es ihr bei Opa wahrscheinlich besser ging als hier bei uns, aber trotzdem vermisste ich sie jetzt schon.

Zumindest hatte ich die Gewissheit, vielleicht auch in den Himmel zu kommen, wenn ich mal tot war und dann konnte ich Oma, Opa und Mama wieder treffen. Aber bis dahin wollte ich mein Leben hier genießen, zusammen mit Amy und meinen Freunden, denn ich wusste, wie wertvoll das war.

Wir waren uns alle ziemlich sicher, dass Vampire nach ihrem Tod nicht in den Himmel kamen und das hieß für mich, Amy und ich hatten nur jetzt und hier die Chance, zusammen glücklich zu sein. Und das wollte ich ausnutzen.

„Weißt du, du bezeichnest mich als faul, doch hast dich selbst keinen Millimeter bewegt, seit ich raus bin" Amy schüttelte missbilligend den Kopf über mich, trocknete ihre Haare mit einem Handtuch und setzte sich dabei zu mir aufs Bett. Ich legte den Kopf in ihren Schoß.

„Ich hab eine Denkpause eingelegt", rechtfertigte ich mich.

„Jaja" Sie grinste leicht, warf das Handtuch zielgenau in den Wäschekorb und schaute mich dann fragend an. „Frühstück?"

Sofort saß ich schon wieder und hüpfte aus dem Bett. „Frühstück!", bestätigte ich.

Mit Essen konnte man mich immer dazu bewegen, etwas zu tun und wenn es nur aufstehen war.

Schmunzelnd ließ Amy sich von mir aus unserem Zimmer und in die Küche ziehen.

Dabei liefen wir an Boris vorbei, der mit Austin und Dale am Tisch saß.

Alle betrachteten uns, als wir rein kamen und Boris lachte dabei. „Schwesterchen, du siehst aus als würdest du deine Beute in deinen Bau zerren"

„Solange ich nichts im Magen hab, ist keiner von euch sicher!", drohte ich und betrat dann auch schon die Küche.

Amy machte sich ihren Shake, ich sah Rühreier in einer Pfanne und brüllte ins Esszimmer: „Kann ich was von den Eiern haben?"

Die Erwiderung hätte ich mir irgendwie denken können.

„Ich dachte, du bist lesbisch!", brüllte Boris zurück.

Ich spähte mit bösem Blick aus der Küche und sah, wie Dale ihm dafür eiskalt ein Highfive gab. „Hei du Frechling!", meinte ich zu dem Neuen. „Du hast dich noch nicht dafür qualifiziert, dich über mich lustig machen zu dürfen"

Er blickte zu mir, grinsend.

Wäre er nicht so hübsch, würde ich ihn zu meinem Frühstück verarbeiten...

„Das tue ich doch gar nicht. Ich finde dich toll. Nur bietest du auch viel Angriffsfläche, die Boris eben ganz gut nutzt"

Ich kniff die Augen leicht zusammen, sah von Dale zu Austin, der nur Augen für Dale hatte, und von da aus weiter zu Boris, der mich angrinste, als habe er gerade einen Punkt geholt.

„Warte nur ab, wenn Charlie erfährt, dass du schon wieder so kindisch bist, dann gibt er dir Sexentzug", schnaubte ich und ging wieder in die Küche, um mir einfach was von den Eiern zu nehmen.

„Apropos Charlie...", rief Boris mir zu. „..habt ihr ihn heute schon gesehen?"

Mit meinem Teller, einem Brötchen und Kaffee machte ich mich auf den Weg zum Tisch und Amy folgte mir mit ihrem Blut.

„Nö. Hat er dich endlich verlassen und ist zu einer seiner vielen Affären gezogen?" Neckend sah ich Boris an, der mir daraufhin die Zunge rausstreckte. „Wenigstens bin ich mit meinem Gefährten zusammen und kann mit Sicherheit sagen, dass er nur mich liebt und nur mich will."

Ich verdrehte die Augen und wollte ihn gerade anpampen, als Austin einschritt. „Leute, bitte. Es ist neun Uhr morgens. Das ist viel zu früh, um zu streiten. Verschiebt das schon auf heute Nachmittag, mh?"

Nur weil er mich so bittend ansah, stimmte ich mit einem Brummen zu und widmete mich meinem Essen.

Austin hatte heute einen besonders großen Blutshake, wohl, um seinen Mangel auszugleichen, Dale hatte auch etwas von den Rühreiern und Boris' Frühstück beschränkte sich auf einen Kaffee, den er langsam und genießend schlürfte.
Und damit meine ich wirklich schlürfen, genussvoll, hörbar, widerlich.

Dieser Idiot war wirklich mein Bruder? Oh man. Ich würde es ja anzweifeln, aber leider gab es da nichts anzuzweifeln und neben unserer ähnlichen DNS und den Gerüchen, waren wohl unsere Kräfte der beste Beweis für unsere Verwandtschaft. Ich schaute in die Vergangenheit von Personen, Boris in die Zukunft und Silas war für die gegenwärtigen Gedanken zuständig. Wir waren quasi füreinander gemacht. Aber immer hilfreich war das nicht.

Only YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt