14. Austin: Hirntod

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Alle waren weg.

Ich war allein.

Toll.

Ich war zwar nicht mehr richtig auf Gesellschaft aus, doch alleine in diesem riesen Haus zu sein, fand ich auch nicht gerade toll.

Es fühlte sich so kalt an und leer.
Irgendwie hatte ich Angst.

Ich entschied mich dazu, wieder zu Jerry und Alina zu gehen. Vielleicht konnte ich bei ihnen übernachten, wenn ich ganz lieb nachfragte.

Ich könnte in Jays Bett schlafen. Diese Vorstellung gefiel mir.

Ich machte mich also fertig, schnappte mir meine Sachen und war gerade dabei, nochmal schnell etwas zu essen, als es an der Tür klingelte.

Na nu? Wer auch immer jetzt davor stehen würde, er war vom Schicksal gesandt.

Ich ging an die Tür, meinen Blutshake in der Hand, öffnete und sah den Besucher überrascht an.

„Hei" Er lächelte leicht und war dabei mich zu umarmen, ließ es aber sein, als er den Shake in meiner Hand sah und die Tatsache registrierte, dass ich gerade am Essen war.
„Komme ich ungünstig?"

„Nein nein", meinte ich schnell und ging zur Seite, um ihn reinzulassen.

Chad schlüpfte ins Haus, und folgte mir ins Esszimmer.

„Hunger oder Durst?", fragte ich ihn.

Er seufzte „Könnte ein kaltes Bier vertragen"

Ich nickte nur zum Kühlschrank.
Der faule Sack brauchte gar nicht meinen, hier von mir bedient zu werden. Er war oft genug hier, um zu wissen, wo alles war.

Ich denke, auch das ging auf Boris' Kappe. Weil er sich nicht um mich kümmern durfte, hatte er bestimmt Chad dazu angeheuert. Oder er machte es freiwillig, weil wir ja auch Freunde waren... Wer konnte das schon wissen. Es wäre jedenfalls schlauer von ihm, sich dafür bezahlen zu lassen, denn ich war ziemlich anstrengend...

Mit seinem Bier setzte sich Chad zu mir an den Tisch und hielt es mir hin zum Anstoßen.
Ich tat es, wir tranken.

„Und, gibt's was neues?", fragte er mich neugierig.

Irgendwie stimmte heute etwas nicht mit ihm.
Seine braunen Augen, die immer dieses freundliche und vertrauensvolle Strahlen in sich trugen, wirkten so erschöpft und noch trauriger als die letzten Jahre...

-...Auch Chad wusste nicht genau, was mit Jay passiert war.

Wir hatten zu diesem Thema nur eine Konversation gehabt. Sie hatte aus einer Frage seinerseits und einer Antwort meinerseits bestanden.

Er hatte gefragt: „Lebt er noch, ja oder nein?"

Nach meiner Verneinung, welche aus einem traurigen Kopfschütteln und einem gehauchten „nein" bestanden hatte, hatte er zu diesem Thema nichts mehr wissen wollen.

Ich verstand ihn ziemlich gut. Wir beide hatten ihn geliebt, zwar auf unterschiedliche Weise, aber wir hatten es getan. Jay war wie ein kleiner Bruder für Chad gewesen. Und für mich meine große Liebe.

Es war nicht einfach, so einen Verlust zu verkraften. Ich wusste, unsere Art, damit umzugehen, machte es nicht besser, aber für den Moment machte es alles einfacher...-

Auf Chads Frage, ob es bei mir etwas Neues gäbe, schüttelte ich den Kopf.
Er nickte verstehend, sah aber irgendwie enttäuscht aus.

„Und bei dir?", fragte ich nach.

Er versuchte sich an einem Lächeln. „Alles ein bisschen schwierig zur Zeit"
Danach presste er die Lippen zusammen und wich meinem Blick aus.
Dieser Idiot. Dachte er denn echt, ich würde das jetzt auf sich beruhen lassen?

Ich griff über den Tisch nach seiner Hand. „Was ist los, Chad?"

Er biss die Zähne zusammen, nahm die Hand unter meiner hervor, um sich einmal damit durch die Haare zu fahren und legte sie dann wieder auf meine.

„Dieser ganze Stress zwischen Vampiren und Menschen sorgt für Aufruhr in meiner Familie. Sie wollten von mir, dass ich wieder in die Jägerausbildung gehe... Das bedeutet, sie planen irgendetwas gegen Vampire und brauchen jeden Mann, den sie kriegen können. Sie erwarten von mir, dass ich mich wie ein richtiger Jäger verhalte, aber eigentlich ist ihnen bewusst, dass ich in einem Kampf gnadenlos versagen würde, wegen meiner Unfähigkeit, Kräfte auszubilden."
Er hob den Blick, sah mich mit glasigen Augen an. „Ich bin ein normaler Mensch. Schwach. Und mich in einen Kampf zu schicken, bedeutet meinen Tod. Das wissen sie alle. Als wir darüber diskutiert haben, kamen sie plötzlich mit Dale an und, dass er ja auch alles für unsere Familie geopfert hätte."

Ich konnte nicht glauben, dass sie mit seinem kleinen Bruder argumentierten, der nun schon seit 5 Jahren im Koma lag.

Nun begann Chad zu schniefen. „Und als das Thema dann auf Dale kam, ist meinen Eltern rausgerutscht, dass er eigentlich gar nicht mehr im Koma liegt, sondern schon seit drei Jahren Hirntod ist und sie ihn trotzdem künstlich am Leben erhalten, weil sie es als Möglichkeit sehen, zu experimentierten..."

Er konnte nicht weiter erzählen, weil er komplett zusammen brach, zu weinen anfing und nicht mehr sprechen konnte, während er sein Gesicht in seine Hände presste.

Ich stand auf, ging um den Tisch herum, zog Chad auf die Beine und nahm ihn in den Arm.
Es brach mir das Herz, das alles zu hören. Seine Familie waren echte Monster. Der arme Dale. Konnten sie ihn nicht einfach in Frieden ruhen lassen? Wie konnte man so herzlos mit den Menschen umgehen, von denen man behauptete, sie zu lieben? Ich verstand es nicht.

„Wir kriegen das hin, Chad", versprach ich leise, so leise, dass er sich beruhigen musste, um mich zu hören.

Es brachte etwas. Er riss sich zusammen, um mir zuhören zu können. „Ich weiß zwar noch nicht wie, aber wir kriegen das wieder hin. Das verspreche ich dir. Alles wird gut"

Er schniefte leise und strich sich die Tränen von den Wangen, während der mich noch immer umarmte und seine Finger dann wieder in meinen Rücken krallte.

„Ich bin nach hause gegangen zu Anni und habs ihr gesagt. Ich hab ihr alles gesagt. Dass ich aus einer Jägerfamilie komme, was meine Eltern mit Dale tun... Klar hat sie mich zuerst getröstet. Aber dann hat sie gesagt, ich hätte ihr in all den Jahren unserer Beziehung etwas vorgemacht... und sie hat ja Recht... Sie will eine Auszeit."

Ich sah leidend an die Zimmerdecke, versuche Gott fragend anzusehen, aber er gab mir keine Antwort auf das große WARUM?!

„Das wird schon wider. Ihr liebt euch doch", tröstete ich Chad.

Er nickte leicht. „Ich wohne grade noch in meiner und Annis Wohnung, aber ich weiß nicht, wie lange ich es aushalte, sie täglich zu sehen, ohne ihr zeigen zu dürfen, dass ich diese Auszeit gar nicht will... Kann ich vielleicht..."

Er löste sich leicht von mir, sah mich mit seinem Tränen genässten Gesicht an. „Kann ich ein paar Tage oder so bei dir pennen, wenn es für die anderen okay ist? Nur bis ich was Günstiges gefunden habe, wo ich auf Dauer bleiben kann..."

Ohne groß nachzudenken nickte ich. Es war irgendwie selbstverständlich.

Aber ich dachte nicht daran, dass Chad somit auch automatisch mitbekommen würde, dass es mir bei weitem noch nicht so gut ging, wie ich versuchte das vorzuspielen.
Doch Chads Probleme halfen mir irgendwie, über meinen eignen hinweg zu sehen. Ich wollte ihm wirklich helfen.

Und dafür mussten wir Schritt für Schritt einen Problemherd nach dem anderen aus dem Weg räumen.













Was haltet ihr davon?
Tut Chad euch leid?

Fändet ihr es gut, wenn er wieder mit Anni zusammen kommt oder hat er eine neue Liebe verdient?
(Eure Entscheidung, da ich grade selbst am Überlegen bin. Aber ich kann euch schon Mal versprechen, dass Austin und er nur Freunde bleiben werden, falls sich da einer Sorgen macht;))

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