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Samstag, 4. Mai

Ruben war alleine, als er aufwachte. Natürlich war er alleine. Natürlich hatten seine Eltern den Tisch nicht abgedeckt, abgespült oder aufgeräumt.

Also räumte Ruben das Haus auf, machte den Abwasch und sammelte die Dreckwäsche zusammen. Er legte die Wäsche aus dem Trockner, welche schon seit Donnerstag vor sich hin trocknete, zusammen und weigerte sich das zerknitterte Zeug zu bügeln. Er tat die Wäsche aus der Waschmaschine, welche dort seit gestern Abend verweilte, in den Trockner und schaltete beides an. Dann lief er in die Küche und konnte – endlich – etwas essen. Er öffnete den Kühlschrank, welcher ziemlich leer war. Ruben musste sofort an Jan denken. Früher hatte Jan seinen kleinen Bruder Ruben immer an der Hand genommen, wenn sie nicht mehr genug zu Essen hatten. Sie waren zur Cookie Dose mit dem Krümelmonster darauf geschlichen, hatten sich Geld daraus genommen und Jan hatte Ruben im Supermarkt gezeigt, auf was es beim Einkaufen ankam. Bio Fleisch, Nichts zu billiges, viel Obst und Gemüse, keine Fertiggerichte. Ruben lief zu der abgefuckten Plastikkiste in der Küche, auf die er schon tausende Dinge geschrieben und gezeichnet hatte, wenn er gelangweilt war. Seine Eltern waren lange arbeiten. Sie stürzten sich förmlich in die Arbeit, seit Jan nicht mehr hier war. Ruben hatte schon seit Ewigkeiten nichts mehr auf die Box geschrieben. Er nahm sich fünfundzwanzig Euro und radelte anschließend los. Nachdem er Dinge wie Brot, Bio Eier, Bio Fleisch und einige Süßigkeiten gekauft hatte, begann er Zuhause zu kochen und zu frühstücken. Er räumte den Tisch ab und machte die Küche sauber. Inzwischen war es zwölf Uhr und es war das erste Mal, dass er auf sein Handy schaute. Er war enttäuscht, dass Marcel ihm noch immer nicht auf seine WhatsApp Nachricht geantwortet hatte. Gestern war es schließlich Marcel gewesen, der ihr Treffen mit der laschen Ausrede, er müsse seiner Schwester beim Lernen helfen – den ganzen Tag – abgesagt hatte. Ruben überlegte, ob er seinem Kumpel noch eine Nachricht schreiben sollte, als sein Handy plötzlich begann zu klingeln. Er verfluchte sich innerlich, dass er sofort ranging.

„Keiner da", sagte Ruben, dann legte er auf. Einige Sekunden war es still, der Grünäugige wartete angespannt. Es klingelte wieder und er ging ran.

„Immer noch keiner da." Kurz war es ruhig, dann sagte Marcel:

„Du bist so dämlich, Ruben." Dann legte er auf. Auch, wenn Ruben sich ein wenig schlecht fühlte konnte er nicht aufhören zu lachen. Er wählte Marcels Nummer und wurde weggedrückt. Beim dritten Versuch ging Marcel endlich ran, lachend.

„Behindertenbäckerei Brownies für Downies, was kann ich für Sie tun?"

„Das zu googeln hat jetzt so lange gedauert?"

„Mh... nein", meinte Marcel.

„Mh... doch."

„Mh... okay, gut, ja, hast Recht."

„Also, what's up? Hast du heute Zeit?"

„Ja, lass' was machen. Wie wärs, wir chillen ein bisschen bei dir und dann übernachtest du bei mir. Meine Eltern sind nicht Zuhause."

Ruben hielt die Luft an. Was will er mir damit sagen?

„Klar, gerne", sagte er schließlich.

„An was hast du gerade gedacht?" Ruben konnte das Grinsen auf Marcels Lippen quasi durch das Telefon hören.

„Nichts, wieso?"

„Du hast ewig zum Antworten gebraucht."

„Ich ... hab mich nur gefragt, was es bedeuten soll, dass du mir sagst, dass deine Eltern nicht daheim sind."

„Das bedeutet, dass wir Party machen, Baby", rief Marcel ins Handy.

Eine halbe Stunde später wartete Ruben aufgeregt auf seinen Kumpel. Ruben hatte in der Zwischenzeit geduscht und sich saubere Klamotten angezogen: Eine kurze Hose und ein einfaches, weißes Shirt. Außerdem hatte er seinen Verband gewechselt; nun hatte er keinen auffällig roten mehr, sondern einen schlicht weißen. Ruben war aufgeregt. Er sah Marcel das erste Mal außerhalb der Schule, seit- Es klingelte an der Tür. Hastig sprang der Grünäugige auf und lief zur Tür. Dann bremste er sich und wartete etwas, bevor er die Tür aufmachte. Chill, Ruben, sagte er sich selbst.

UPSIDE DOWN :(:Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt