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Montag, 27. Mai

Ruben erzählte lachend einen Witz und musste dabei so heftig lachen, dass er ihn kaum herausbrachte. Es war die zweite Pause und Ruben stand, wie jeden Tag dieser Woche, mit den Mädchen von Dienstag beim Kaffeeautomaten. Linus war schon die ganze Woche nicht mehr in die Schule gekommen. Er hatte Rubens Nachrichten zwar gelesen, aber nie geantwortet. Auf Anrufe hatte er nicht reagiert. Ruben vermutete, dass er inzwischen das Video gesehen hatte.

Er versuchte Linus zu vergessen, doch das war leichter gesagt als getan. Jemandem, mit dem man viel Spaß hatte einfach zu vergessen ist es nicht einfach. Vor allem, wenn dieser jemand den Kontakt nur wegen eines Videos abbricht. Wegen der Weise, wie jemand liebt. Ruben versuchte sich einzureden, dass Linus es nicht wert sei, doch es klappte nicht. Genauso wenig wie es bei Marcel klappte. Mittlerweile wich Marcel Rubens Blicken immer aus.

Es war schwer. Verdammt schwer. Und das war schließlich auch der Grund, warum Ruben seinen Blick nicht von Linus abwenden konnte, als dieser um die Ecke kam und auf den Kaffeeautomaten zusteuerte. Er hatte einen schwarzen Hoodie an und dessen Kapuze tief in sein Gesicht gezogen. Heute war es relativ kalt und regnerisch. Ruben versuchte es, doch sein Blick glitt immer wieder zu Linus, welcher ihn entweder nicht bemerkte oder versuchte ihn nicht zu bemerken. Unter Linus' Augen waren tiefe, dunkle Ringe und allein an den wenigen Haarstränen, die aus der Kapuze lugten, konnte Ruben erkennen, dass diese zerzaust waren. Linus musste schon ewig nicht mehr beim Friseur gewesen sein – oder in der Dusche. Er sah ganz einfach ungepflegt aus. Nicht auf eine offensichtliche Weise – Er stank nicht oder sonstiges, aber man konnte es ihm ansehen, wenn man es sehen wollte. Ruben wollte zu ihm gehen und ihn fragen, ob alles okay war, doch dann erinnerte er sich und malte sich aus, was passieren würde. Linus war nicht der Typ, der einen beleidigte, aber ... Ruben hatte auch gedacht, dass Linus nicht der Typ war, der einen wegen der sexuellen Orientierung fallen ließ.

„Alles okay, Ruben?", fragte Rebecka und zwang Ruben somit, ihr wieder Aufmerksamkeit zu schenken. Er bejahrte und erzählte den Witz noch einmal, denn die Mädchen hatten wegen seines Lachanfalls kaum ein Wort verstanden.


Montag, 14. Juni

Die letzten zwei Wochen waren einerseits wie im Flug, doch andereseits quälend langsam vergangen. Ruben wurde konsequent von Linus ignoriert, doch Rebecka und ihre Freundinnen lenkten ihn ab.

Linus wollte seinen Laptop gegen die Wand werfen. Mit seinem Buch kam er nicht weiter. In den letzten zwei Wochen hatte er gerade einmal zwei Kapitel geschafft, obwohl er sich zehn vorgenommen hatte. Er hatte sein Ziel nicht erreicht. Nie erreichte er das, was er sich vornahm. Nicht das Abi, nicht das Schreiben, nicht zu sich zu stehen und erst recht nicht endlich auf sein verdammtes Leben klarzukommen.

Linus tat das einzige, was ihm einfiel. Er zündete sich einen Joint an – seinen zweiten heute - und rief Leo per Videochat an. Überraschenderweise ging dieser sogar ran.

„Fuck, du siehst scheiße aus, Alter!", war Leos erste Reaktion und erweckte in Linus den Wunsch sofort wieder aufzulegen.

„Danke", knurrte er genervt.

„Was gibt's?"

„Egal", murrte der Braunhaarige. Ihm war die Lust auf Reden vergangen. Im Hintergrund konnte Linus Timo brüllen hören.

„Ohh, jetzt ist er dir beleidigt!", rief er.

„Komm schon, sag. Tut mir leid, aber... dir geht's wieder scheiße und das sieht man eben echt krass", meinte Leo besorgt. „Ich wollte dich nur aufheitern, ehrlich."

„Ja-ja." Linus fuhr sich verzweifelt übers Gesicht.

„Chanelle wollte letztens mit mir schlafen." Er schluckte und zog an seinem Joint.

UPSIDE DOWN :(:Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt