Sonntag, 19. Mai
Ruben umklammerte seinen riesigen Teddybären und versuchte sich auf die Musik zu konzentrieren, welche durch die Kopfhörer in seine Ohren drangen. Die Musik war so laut, dass es schon fast weh tat, doch der Streit seiner Eltern im Wohnzimmer, den er versuchte zu übertönen, war schmerzhafter. Sein Handy leuchtete auf, doch es war keine Nachricht von Linus. Dieser hatte sich schon seit Donnerstag nicht mehr gemeldet. Ruben wusste nicht, warum. Er fragte auch nicht. Er wollte nicht zu aufdringlich wirken – wenn Linus Zeit und Lust hätte, dann würde er sich melden. Tränen liefen Rubens Wangen hinunter. Es war einer dieser schwachen Momente, die er hatte. Einer dieser Momente, welche ihm keiner zutraute. Dem glücklichen, aufgedrehten Jungen. Zumindest sagten das diejenigen, die ihn kannten. Doch wer kannte ihn schon? Wer wollte ihn schon kennen? Ruben hatte das Gefühl, am falschen Platz zu sein. Am falschen Ort, in der falschen Zeit. Er fühlte sich wertlos. Als die Musik, die er anhörte, nicht mehr half, holte er kurzerhand seine Gitarre aus dem Schrank und begann darauf zu spielen. Er war nicht besonders talentiert, jedoch konnte er das eine oder andere Lied spielen und ein wenig dazu singen. Auch beim Singen war er nicht talentiert, jedoch hatte man auch nicht den Drang ihn zum Schweigen zu bringen, wenn er sang. Er zupfte an den Seiten herum, klopfte ab und zu im Takt gegen die Gitarre und sang leise vor sich hin. Es beruhigte ihn.
Als plötzlich die Tür aufgerissen wurde, zuckte er zusammen. Sein Vater stand in der Tür, eine Whiskey Flasche in der einen Hand. In der anderen hatte er eine Zigarette.
„Kannst du jetzt mal mit diesem Gedudel aufhören?" Der Vater drehte sich um und verließ den Raum wieder. „Gott, es war so schön, als du nicht da warst", murmelte Rubens Vater genervt im Weggehen.
„Tut mir leid, dass es regnet", murmelte der Grünäugige zu sich selbst. Ruben schnappte sich kurzerhand seine Jacke, sein Handy mit den Kopfhörern und seine Schuhe, bevor er die Treppen hinunter lief und das Haus verließ. Er trottete durch den Regen, während er NF zuhörte. Erst hörte er If you want love, danach Change und dann Outcast. Ruben blinzelte die Tränen weg und stellte sich vor, wie es wäre, wenn er nicht mehr da wäre. Wäre sein Vater dann tatsächlich glücklicher? Oder hatte er das nur gesagt, weil er wieder einmal betrunken war? Gerade als Ruben dachte, es könnte nicht mehr schlimmer werden, bekam er einen Anruf. Er dachte, es sei sein Vater, der ihn anschrie, wo er war. Doch es war Marcel. Sofort musste Ruben lächeln, als er die Stimme des Blonden verzerrt durch das Telefon hörte.
Alleine das Lied, das im Hintergrund lief, machte Ruben nervös. Das Bett war sauber hergerichtet, als er das Zimmer einige Zeit später in trockenen Klamotten betrat. Pony von Ginuwine drang in angenehmer Lautstärke aus dem Boxen der Musikanlage und das Licht war gedämmt. Marcel lag bereits auf dem Bett – nur in Boxershort und einem weißen Shirt. Ruben biss sich angetan auf die Unterlippe, was Marcel zum Lachen brachte. Ruben riss sich mit geröteten Wangen los und wendete den Blick ab. Dann stellte er seine Tasche ab.
„Mach die Tür zu", flüsterte Marcel zwinkernd. Ruben schloss leise die Tür und lief auf das Bett zu.
„Gibt's irgendeinen bestimmten Grund, dass du mich um zehn Uhr abends noch zu dir zum Übernachten bestellt hast?", fragte Ruben mit einem unschuldigen Lächeln, als er vorm Bett stand.
„Ist das nicht offensichtlich?", erwiderte Marcel grinsend, griff nach Rubens Händen und zog ihn auf seinen Schoß.
„Schon, aber ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte", nuschelte Ruben verlegen in Marcels Haar.
„Meine Eltern sind nicht da", grinste Marcel einige Sekunden später gegen Rubens Lippen und küsste ihn.
„Und was willst du mir damit jetzt sagen?", sagte Ruben gespielt unwissend.
Marcel verdrehte grinsend die Augen. Er legte seine Hände an Rubens Taile und blickte ihm ernsthaft in die Augen.
„Ruben, also da läuft ja jetzt schon länger was zwischen uns und ich habe mir gedacht, dass wir ja einen Schritt weiter gehen könnten."
Ruben nickte mit rasendem Herzen und unterdrückte die Frage, die sich in seinem Kopf bildete. Sind wir zusammen?
Schlussendlich stellte er eine andere Frage, die ihm zumindest etwas Aufschluss brachte.
„Aber das zwischen uns ist nicht nur wegen Sex, oder?"
Marcel schüttelte heftig mit dem Kopf.
„Auf gar keinen Fall, Ruben." Der Grünäugige lächelte nun und küsste Marcel wieder. Schon nach kurzer Zeit waren die Jungen oberkörperfrei, schlussendlich hatten beide nur noch eine Boxer an. Ruben saß im Schneidersitz auf dem Bett. Here von Alessia Cara lief, was Ruben dazu veranlasste im Takt zu wippen und den Refrain mitzusingen. Schlussendlich schüttelte er jedoch den Kopf und konzentrierte sich wieder auf Marcel, welcher ihn grinsend beobachtet hatte. Marcel drückte Ruben auf die Matratze und griff nach seinem Handy. Er tippte einige Sekunden darauf herum und legte es dann wieder weg. Marcel saß auf Rubens Schoß, während dieser auf dem Rücken lag. Ruben dachte aufgeregt darüber nach, ob sein Körper gut genug war. Die Beule in seiner Boxer war deutlich zu sehen.
Marcel hatte die Augen schon seit einigen Momenten geschlossen. Er atmete tief durch, dann öffnete er sie und sah für einen klitzekleinen Moment unsicher aus. Das ist falsch, dachte er. Ich sollte das nicht tun.
Dann küsste er Ruben und verwickelte ihn schnell in einen leidenschaftlichen Zungenkuss. Marcels Hände wanderten so langsam wie möglich hinunter zu Rubens Boxer. Einige Minuten spielte er nur mit dem Gummiband der Boxershort, bis er quälend langsam unter den Stoff fuhr. Seine Hand war erst einige Zentimeter weit gekommen, als das Handy des Blonden klingelte. Er seufzte und zog seine Hand zurück. Er blickte Ruben entschuldigend an, als er auf sein Handy blickte.
„Entschuldige, da muss ich kurz ran gehen. Ist meine Mum ... Hallo?"
Marcels Gesichtsausdruck veränderte sich und er sah verwirrt aus. Dann betroffen. Dann wirklich besorgt. Inwzischen sah er fast schon ängstlich aus, als er gehetzt vom Bett aufstand und auflegte.
„Tut mir leid, mein Bruder hatte einen Unfall. Ich muss sofort ins Krankenhaus."
Hastig zog der Blonde seine Klamotten an, während Ruben sich geschockt aufsetzte. Er nickte schließlich und stand ebenfalls auf, sammelte seine Kleidungsstücke auf und zog sich an.
„Was ist passiert? Wie geht's ihm?"
„Weiß nicht", antwortete Marcel knapp und sie verließen gemeinsam das Haus. Marcel stieg ins Auto, nachdem er Ruben kurz zum Abschied geküsst hatte. Dann fuhr er davon, während Ruben durch den Regen langsam nach Hause lief. Er fühlte sich wie paralysiert. Während er einige Minuten später auf dem Heimweg war, liefen ihm Tränen über die Wangen. Er dachte an seinen Bruder. Und an dessen Unfall.
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UPSIDE DOWN :(:
Teen FictionWird überarbeitet ~ And suddenly life flips you upside down, and you find out that this is the right way ~ Linus ist dabei, die zwölfte Klasse zum zweiten Mal zu versauen und somit sein Abitur zu verspielen. Dass seine besten Freunde den Abschluss...