Kapitel 12 - Hast du auch einen Pullover?

792 48 2
                                    

Kapitel 12 - Hast du auch einen Pullover?

Faith's POV: Ich ließ das Wasser wieder auf mir prasseln und blieb auf dem Boden sitzen. Meine Tränen wurden mit dem Wasser zu einem Ganzen und ich drückte meine langen,spitzen Nägel an eine meiner Narben am Unterarm. Der Schmerz übertönte aber dieses mal meinen seelischen Schmerz nicht. Es fing nicht mal an zu bluten. Wütend schlug ich auf meinen Arm ein, blieb stumm in meiner eigenen Qual zurück. Mein rechter Arm wurde rot und ich schlug nochmal feste darauf ein. Ich biss mir auf die Lippe, versuchte verzweifelt den Schmerz zu erhöhen, indem ich mir die Lippe aufbiss. Ich zitterte am ganzen Leib und konnte die Erinnerungen nicht zurückhalten. Sie kamen schnell und plötzlich. Ich sah es bildlich vor mir, wie meine Mutter mich in die Dusche zerrte und mir ihre Vodkaflasche überkippte. Ich erinnerte mich daran, wie sie mich beschimpft hatte, sich der penetrante Duft des Alkohols auf meiner Haut verteilte und sie immer wieder zu mir sagte,dass sie mehr von dem Kram haben hätte können,wenn ich ncht gewesen wäre. Ich biss mir wieder auf die Lippen,versuchte nicht daran zu denken,wie ungewollt ich doch auf dieser Welt war.

Justin's POV: Es war klar, dass ich nicht still in der Mensa hätte sitzen können. Natürlich folgte ich Tracy. Ich hatte viel zu viel Verantwortungsbewusstsein Faith gegenüber, als dass ich tatenlos hätte zusehen können,was als nächstes passierte. Tracy lief auf die Duschen zu und ich seufzte genervt. Mittlerweile war ich schon paranoid. Sie wollte sich nur frisch machen, sie hatte gar nichts geplant. Ich kam mir richtig lächerlich vor, wie ich ihr wie ein Dedektiv gefolgt war. Immernoch müde lehnte ich mich gegen die Wand und wartete,dass Tracy aus dem Bad kam und weg war,damit ich unbemerklich verschwinden konnte. Es dauerte nicht lange, nur ein paar Minuten. Jedoch trug sie Klamotten mit sich. "Weiber.",kicherte ich:"Sind viel zu viel bestückt und haben dann immer noch nicht genug Klamotten." Sie lief an mir vobei,ohne es zu merken und ihr Pullover auf dem Arm kam mir ziemlich bekannt vor. Es dauerte einige Zeit, ehe ich darauf kam. Faith hatte den in der Kantine an. Also doch. Im Zwiespalt schaute ich Tracy hinterher. Sollte ich ihr die Sachen abnehmen und sie zur Sau machen oder sollte ich einen Blick zu Faith in den Mädchenduschen wagen? Es war jetzt keine schlimme Bloßstellung, aber meine Hilfe würde sie sicher doch in Anspruch nehmen wollen, weshalb ich in die Mädchendusche ging. Die Kabinen waren alle zu, aber nur eine war abgeschlossen. Man hörte leises Geplätscher von Wasser. Anscheinend hatte Faith noch nichts bemerkt. Vorsichtig stellte ich mich vor die Dusche und wollte klopfen, als ich ein Schluchzen hörte. Ich stöhnte auf. Scheiße, sie hatte es schon längst bemerkt und es nahm sie mehr mit, als ich gedacht hatte. Erst traute ich mich nicht, ein Wort zu sagen, aber nachdem ich nochmal einen rund-um-Check gemacht hatte und mir sicher war,dass wir alleine waren, sprach ich sie an:" Faith?",ich klang standhaft und laut. Das Wasser wurde abgedreht und es kam kein Ton.  Sie schämte sich,eindeutig. "Faith, ich bin es. Justin.",wieder bekam ich keine Antwort. Dafür hörte ich sie räuspern. Sie schien sich zu fangen. "Justin?",sie klang verweint. "Ich hab sie gesehen, du brauchst mir nichts erklären. Kann ich dir irgendwie helfen?",ich versuchte Mitgefühl in meinen Worten erklingen zu lassen. Es war eine Zeit still, dann sprach sie: " Liegt da ein Schlüssel auf der Ablage?" Ich drehte mich um, sah aber nichts. "Nein.",stellte ich fest. Sie räusperte sich ein weiteres Mal und klang dann weinerlich:"Dann werde ich nicht in mein Zimmer kommen." Ich lehnte mich gegen die Wand, drückte meinen Kopf gegen die kalten Fliesen und genoss den Temperaturunterschied."Dann komm mit in mein Zimmer.",murmelte ich schlicht und wartete darauf,dass sich die Tür öffnete. "Ich bin nackt.",sie schien völlig aufgelöst. "Da gibt es nichts,was ich nicht schon mal gesehen habe.",kicherte ich und grinste. "Vielleicht ja schon.",ihre Stimme nahm einen misteriösen Unterton an. Ich wusste nicht wirklich,was sie damit meinte,aber ich wusste genau,dass sie sich jetzt wieder ihren Unterarm entlang fuhr,wie immer,wenn ihr etwas peinlich war. Sie war so krass schüchtern. "Pass auf, ich gehe jetzt in mein Zimmer,suche nach einem Shirt und bringe dich in mein Zimmer.",fand ich die Lösung. Faith grummelte nur etwas und ich nahm an, dass ich ihre Zustimmung bekam. "Justin?",sie klang kleinlaut. "Ja?", ich lief auf die Tür zu. "Hast du auch einen Pullover?",sie klang zögerlich.Wahrscheinlich hatte sie angst, undankbar zu wirken. Ich kicherte: "Du und deine Pullover. Mal sehen was sich machen lässt.",damit verließ ich den Raum und schlich über die Gänge in mein Zimmer. Mein Schrank bot eine große Auswahl, Mode war mir eine lange Zeit sehr wichtig gewesen. Ich dachte an die guten Zeiten zurück mit Kira, Cody und Tracy. Sauer rüttelte ich die Gedanken von mir ab und zog einen Pullover heraus. Dann leckte ich mir über die Lippen und öffnete die letzte Schublade an meinem Schrank. Das hatte ich eine lange Zeit nicht mehr getan, seit Kira gegengen war. Ich schluckte hart und schaute auf die Unterwäsche. Das müsste Faith passen. "Fuck.",krächzte ich und schaute auf Kiras Sachen. Mir gefiel der Gedanke nicht,dass Faith Kiras Sachen tragen würde, aber Faith bedeutete mir etwas. Sie war lieb und ich wollte ihr helfen. ich wollte,dass sie sich öffnete. Also nahm ich die Sachen und ging wieder zu ihr. "Faith?",ich klang leiser als zuvor: "Mach bitte die Tür einen Spalt auf, ich habe die Sachen für dich." Sie tat was ich sagte und streckte ihren rechten Arm aus. Dieser war ein wenig rot und hatte ein paar Einschläge bekommen. Vermutlich noch von Cody einige Tage zuvor. "Danke.",sie klang heilfroh. Es dauerte nicht lange,da trat sie aus der Dusche. Ihre Augen waren vom Weinen aufgequollen, mein schwarzer Pullover war viel zu lang, ging bis zu ihren Beinen heunter und ihre Beine waren nackig. Durch den Kontrast des Pullovers im Gegensatz zu den blonden Haaren, sah ihre Mähne fast golden-gelb aus. "Geht es dir gut?",ich versuchte den Gedanken zu verdrängen,dass sie etwas von Kira trug und schlang meine Arme um ihren kleinen Körper. Sie drückte sich an mich und ich spürte ihre Tränen. Sie riss sich zusammen. "Faith, es ist okay. Du darfst vor mir weinen, ich bin nicht wie die anderen.",beruhigend drückte ich sie noch fester an mich und sie fing an zu schluchzen. Ihr Körper war ganz hitzig und ich wusste,dass mehr hinter allem steckte, als nur das, was Tracy ihr angetan hatte. Da war noch was und ich würde herausfinden, was das genau war. "Schau mal.",sie zeigte auf die Ablage,nachdem sie sich wieder gefangen hatte. "Dein Schlüssel. Den habe ich eben übersehen, sorry." Sie nickte nur. "Also bringe ich dich in dein Zimmer?", wieder nickte sie und mehr war in diesem Moment auch einfach nicht zu sagen. Ich schlang einen Arm um ihre Taille, zog sie an mich und hielt sie an ihren Hüften,während wir in ihr Zimmer liefen. So sah man sie nicht halb nackt laufen. Ich schloss die Tür hinter mir und Faith setzte sich auf ihr Bett. "Darf ich dich was fragen?",hauchte ich und deckte Faith zu. Sie zitterte am ganzen Körper. "Ich tu deinen Schlüssel in deinen Koffer.",fügte ich hinzu und öffnete ihre Reisetasche. Ich ließ die Tasche offen, ich musste ja gleich noch das Zimmer verlassen. "Was willst du mich fragen?",griff sie meine Frage wieder auf und schlang ihre Arme um die Decke. "Du hast so hart reagiert, dass Tracy deine Sachen mitgenommen hat. Hatte das mehr Bedeutung, als es eigentlich haben sollte?", sie wurde leichenblass. "Ich will nicht darüber reden.", ich nickte verständlich. "Und als sie dich in den Schrank gesperrt haben, da warst du auch so außer dir. Gibt es da auch etwas, worüber du nicht reden magst.", ich legte meinen Kopf schief. "Ja.",murmelte sie und eine Träne rollte ihre Wange herunter. Sie wischte sie weg und schaute zur Seite. Seufzend lief ich auf sie zu, umfasste ihr Gesicht und drehte es in meine Richtung. "Hey, ich bin für dich da, okay?" Unglaubwürdig sah sie mich an. "Danke.",murmelte sie und sie sah einfach nur fix und fertig aus. "Ich lasse dich Krank schreiben, du brauchst Ruhe und ich bleibe, bis du eingeschlafen bist,Faith.", ich machte mir echt verdammt viele Gedanken. Sie war so fertig. Sie drehte sich um und meine Hand verweilte auf ihrer Schulter. Mein Pullover stand ihr echt gut. Es dauerte nicht lange, da atmete sie gleichmäßig ein- und aus. Sie schlief schon. Meine Augen verweilten auf dem Pullover. Witzig, dass sie selbst in einer schweren Situation noch an einen Pullover dachte. Dieses Kleidungsstück machte sie irgendwie aus. Der Pullover, dieses auf-und abfahren am Unterarm und diese Rasierklinge, die sie nutzte, weil sie keine Schere hatte,waren verrückte Eigenschaften. Das fiel mir jetzt erst auf und irgendwie blieb mein Blick noch lange auf den erste Hilfekasten hängen, als ich über ihre Markenzeichen nachdachte und eins und eins zusammenzählte.


VictimsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt