Kapitel16- Los, geh schon.Geh sterben

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Kapitel16- Los, geh schon.Geh sterben

Justin's POV: Ich wusste nicht, wie lange wir noch am Steg standen, aber mir war das egal. Die Sonne ging langsam unter, der Himmel färbte sich in ein rot-orangenes Gemisch und erhellte den Horizont. Ich fühlte mich vollkommen zeitlos und meine Gedanken waren gedankenlos. Alles, woran ich dachte, betraf Faith. Faith in ihrem Zimmer so fertig zu sehen, hatte mir das Herz gebrochen. Sie sah so hilflos aus, so zerbrochen. Verdammt, ich sorgte mich um dieses Mädchen und so sehr ich es mir auch nicht eingestehen wollte, es lag schon lange nicht mehr an meinem sozialen Wesen. Es war schon lange nicht mehr nur die Absicht, sie vor Tracy und Co. zu schützen, sondern ich hatte persönliches Interesse an ihr. Irgendwas zog mich immer in ihre Nähe, irgendwas ließ mich an sie denken und irgendwas ließ mich, ganz egal was sie machte, alles so unglaublich süß finden. Die Art und Weise wie sie mir dankte, faszinierte mich. Es müsste etwas selbstverständliches sein, aber für sie war es genau das Gegenteil. Ich streubte mich davor, irgendetwas für sie zu empfinden. Ich liebte Kira, egal wo sie jetzt war und egal welches Mädchen um die Ecke kam. Mit Faith war ich nicht mal befreundet. Ich kannte sie quasi kaum. Niemals würde ich zulassen,dass jemand wie Faith meine Gedanken einnahm und Kira aus meinen Gedanken vertrieb. Niemals. Ein letztes Mal schloss ich die Augen, dass drehte ich mich in ihre Richtung und ließ ihre Hand los. Sofort breitete sich die Kälte in meiner Handfläche aus und ich konnte die Hitze, die von Faith zuvor ausging, nicht mehr spüren. "Wir sollten gehen.",murmelte ich und ohne sie anzuschauen drehte ich mich um und ging vor. "Okay.",hörte ich sie rufen und dann lauschte ich ihren Bewegungen. Sie schien hinter mir her zu joggen, aber ich hatte nicht vor meinen Gang zu verlangsamen. Im Gegenteil, ich legte einen Zahn zu. Wenn ich stehen bleiben würde, dann käme ich in die Versuchung in ihr Gesicht zu schauen und dann würde ich mich schämen, weil ich wusste, dass sie mehr in meinen Gedanken war als Kira, auch wenn ich es nicht wollte. Am Liebsten würde ich jetzt Kilometerweit weg von Faith sein. Ich hätte ins Wasser springen und mitgerissen werden sollen. Ich schnaubte, hasste mich für meine Gedanken und auch wenn ich einen Abstand zwischen mir und Faith verursacht hatte, war sie noch immer mein Hauptgedanke. Während sich ein Teil von mir scheiße fühlte wegen Kira, fühlte sich der andere Teil an, als würde dieser explodieren und tausend Blumen würden aus den explosiven Teilen entstehen. Es machte mich glücklich, sie glücklich gemacht zu haben. Und ja, der Gedanke,dass sie ihre Arme nun Arme sein ließ und nicht mehr verletzte, beruhigte mich. "Kannst du was langsamer gehen?",ihre Stimme klang zögerlich und ich spürte einen leichten Druck auf meiner Schulter. Ihre Hand ruhte dort und ich drehte mich schließlich doch zu ihr um, wenn auch seufzend. Sie sah leicht verzweifelt aus, ihre Augen leuchteten ein wenig unter dem Abendlicht und ihr Mund war leicht geöffnet. Ihr Atem war heiß. So heiß,dass ich diesen spüren konnte. "Hab ich irgendwas falsch gemacht?". Dem Mädchen vor mir stieg die Röte ins Gesicht und dieser Hauch von Farbe in ihren bleichen Wangen sah hübsch aus. Wie konnte ich ihr erklären,dass ich sauer auf mich selber war, weil ich Faith nach so kurzer Zeit schon so sehr mochte, wie ich es anscheinend tat? Ich war nicht sauer auf Faith, ich war sauer auf mich. "Nein.Alles gut.",resigniert schaute ich sie an. Wir teilten dasselbe Schicksal.Gott, ich dachte zu viel nach. "Wieso glaube ich dir das nicht?",sie klang ängstlich. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Vermutlich war ich der erste Mensch, der sie beachtete und sie hatte einfach schiss mich zu verlieren. "Komm jetzt.",ich klang nun sanfter, griff wieder nach ihrer Hand und lief los. Es schien sie zu beruhigen. Aber auch mein angespannter körper wurde unter ihrer Berührung ruhiger. Ich mochte ihre Hand in meiner, sie passte dort so gut rein. Im Gegensatz zu meiner Hand war ihre nämlich so klein, weich und zierlich. Es passte einfach.In einem etwas langsamerer Tempo als eben schlenderten wir über die Autobahnbrücke und die vielen Gässchen in Richtung Internat. Es sprach keiner, aber es gab auch nicht wirklich etwas zu bereden. Uns fehlten nur noch wenige Minuten, dann waren wir wieder in dieser Hölle gefangen. "Und du hast dir das mit dem Fluss eben einfach so ausgedacht?",unterbrach sie die Stille. "Sieh an, Miss Schweigsam wird mal offener und fängt von selber ein Gespräch an.",neckte ich sie und drückte ihre Hand fester. Schnell fügte ich hinzu:"Und ja, habe ich. Aber ich wollte sowieso raus, also bild dir nichts darauf ein,dass wir gemeinsam draußen waren." Der letzte Satz war eher an mich als an sie gerichtet. Diesen Satz wollte ich mir nur selber einreden, um mich besser zu fühlen. Sie ließ diesen unkommentiert,vielleicht hatte ich sie verletzt damit, ich wusste es jedenfalls nicht. "Danke nochmal.",dieses mal war ich der, der nicht antwortete. Wir bogen um die Ecke und das Gemäuer unserer Schule erstreckte sich vor uns. "Auf in die Hölle.",kicherte ich, ließ ihre Hand los und bog um die Ecke, als ich hart gegen einen blonden Jungen knallte. Faith hinter mir keuchte auf, wich wieder hinter die Ecke und versuchte mich an meinem Pulli mitzuziehen. Bedröppelt durch den Aufprall folgte ich ihr. "Na sieh mal einer an. Wenn man einen von euch sucht, findet man direkt beide.",lachte Cody und folgte uns, gefolgt von Tracy und zwei anderen ihrer 'Freunde'. Instinktiv stellte ich mich vor Faith und drückte sie gegen die Wand. Das könnte hier noch ziemlich ungemütlich werden. Im Gegensatz zu ihr, juckte mich das nur nicht. Wie sollte ich sagen...ich war es gewohnt. Hinter mir spürte ich sie zittern und ich presste die Lippen aufeinander, um nicht irgendetwas zu sagen, was Feuer bei der clique gegenüber von uns entfachen könnte. " Die liebe Faith.",grüßte Tracy sie überfreundlich und grinste frech. "Wollen wir sie mal begrüßen.",Codys Worte klangen wie eine Drohung. Ich blieb starr vor Faith stehen, bereit, um ihr zu helfen.Cody zog packte mich am Kragen, ich machte nichts dagegen. Wenn man etwas gewaltfrei lösen konnte, dann würde ich es versuchen, solange es ging. "Geh mal weg, du Pisser. Wir wollten zum Victim.",schnautzte er, wirbelte mich neben Faith zur Wand, drückte mich dagegen und schlug mir in die Bauchgrube, sodass ich keuchend auf den Boden fiel. "Faith, renn.",presste ich hervor, ehe sich die zwei Kumpels von Cody auf mich stürzten und auf mich einschlugen. Ich ließ es geschehen. "Reine Vorsichtsmaßnahme,damit wir mit der kleinen Faith ungestört reden können. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.",lachte Cody und ging auf Faith zu. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie ihre Finger in ihren Arm presste. Scheiße.

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