Kapitel 15- Lass los

902 52 9
                                    

Kapitel 15- Lass los

Faith's POV: Ich wusste nicht wirklich,was Justin vor hatte, aber ich vertraute ihm. Vertrauen ist eine Tugend in unserer Gesellschaft, die man viel zu schnell und viel zu leicht verschenkt. Ich jedoch, vertraute niemanden. Naja,bis er kam. Mir war unwohl bei dem Gedanken,dass er von meinen Aktivitäten mit der Klinge wusste. Jedoch hatte ich auch nun die Chance damit aufzuhören. Wenn ich das Gefühl verspürte, mir die scharfe Spitze wieder in den Arm zu rammen, würde ich zu ihm gehen, ihn um Hilfe bitte und ich war mir absolut sicher,dass er mich davon abhalten würde, meine Tat durchzuziehen. Meine innere Stimme sagte mir,dass nun alles besser werden würde und wer weiß, vielleicht könnten Justin und ich auch noch Freunde werden. Er griff nach meiner Hand, was ein komisches Gefühl in mir auslöste, was schwer zu beschreiben war. Sobald seine weiche Haut meine streifte, war es so, als ob ein elektrischer Stromschlag durch meine Hand fuhr und sich durch meinen Körper zog. Als ob sich Justins Gegenwart in meinem ganzen Körper ausbreitete. Es gefiel mir,diese Nähe. Er zog mich aus meinem Zimmer, lief mit mir wortlos den Gang entlang und öffnete schließlich die Tür. "Was hast du vor?",ich war völlig außer Atem und blieb stehen. Erwartungsvoll ruhten seine Augen auf meinen und ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Spatzieren, ich habe doch gesagt, ich will an die frische Luft und dir tut das auch mal ganz gut, nachdem was eben passiert ist." Ich nickte schlaff und ließ seine Hand los, um mir die Haare aus dem Gesicht zu streifen. "Bekommen wir keinen ärger?",skeptisch musterte ich ihn. Das brachte ihn nur noch mehr zum grinsen, er schüttelte den Kopf und griff wieder nach meiner Hand, um sie mit seiner zu verschränken und kicherte:" Wir müssen nur wieder rechtzeitig zurück sein. Sei kein Angsthase." Er lief wieder los, mit mir im Schlepptau und ich ließ es geschehen. Meine Gedanken waren bei seiner Berührung hängengeblieben. Akzeptiert zu werden, nicht brutal angefasst zu werden, das fühlte sich magisch an. Es war mit Worten gar nicht zu beschreiben und ich beschloss, jede einzelne Sekunde davon auszukosten, Wer wusste, wie viel Zeit mir noch blieb? Aber eine Frage brannte immer noch auf meiner Zunge, die ich mich nicht zu stellen wagte: Waren wir nun Freunde oder nicht? "Wohin geht es denn?",riss ich mich aus meinen Gedanken und hechte hinter ihm her. Sein Griff war fest um meinen. "Dich befreien.", antwortete er und ich verstand nur Bahnhof. "Wie meinst du das?",er wurde langsamer, mittlerweile stand ich neben ihm und wurde nicht mehr hinterhergezogen. "Naja.",er gab mir einen flüchtigen Blick:"Der Gedanke kam mir gerade erst,aber ich finde ihn gut. Wir werden dich von deiner Last befreien. Ich kenn da einen guten Ort für." Ich runzelte die Stirn, wusste nicht genau,was ich davon halten sollte und in wie Fern ich das zu verstehen hatte, aber er sprach mit solch einer Glaubhaftigkeit und Überzeugtheit, dass ich mir sein Vorhaben auf jeden Fall anschauen wollte. Ich dackelte ihm weiter hinterher, wir kamen an einer Autobahn vorbei und liefen am äußersten Rand. "Pass auf, hier ist es gefährlich.",wies er mich hin und ein Arm schlang sich um meine Taille. Er zog mich, ohne zu fragen, näher an sich ran, presste unsere Seiten beim Laufen ganz eng zusammen und lief mit mir eng umschlungen den kleinen,schmalen Weg an der Autobahn entlang. Er wollte mich lediglich schützen, redete ich mir ein und versuchte normal auf seine Nähe zu reagieren. Ich war das überhaupt nicht gewöhnt. Ein Auto nach dem anderen rauschte an uns vorbei in einem haaresabstand. Es war brandgefährlich. "Wenn und hier wer erwischt, gibt es ärger.",Justin lachte. So sehr ich es versuchte zu unterdrücken, Angst um mein Handeln hatte ich definitiv. Ich war noch nie der Mensch gewesen, der sich nicht an Regeln hielt. Ich ging immer auf Nummer sicher. Bei Justin schien das nicht der Fall zu sein. Die Autobahn führte über eine Brücke. Wir liefen erst fünf Minuten und mir fiel jetzt erst auf, dass ich seit meiner Ankunft noch nichts Großartiges von Kanada, beziehungsweise Stratford gesehen hatte. Die Brücke führte über keinen Fluss,nein, unter uns waren eine Menge Autos, die ebenfalls eine Autobahn langfuhren. Ich stellte mir vor, wie gefährlich es wäre, wenn ein Auto jetzt in uns reinkrachen würde. Vermutlich würden wir abgefahren werden und die Brücke runterstürzen, um dort auf dem Boden aufzuplatschen und nochmal von einem Laster überrolt zu werden. Angeekelt wimmelte ich den Gedanken ab. Wir verließen die Brücke, kamen auf einen Bürgersteig und bogen ab. Um mich wimmelte es von Bäumen und Gras. "Ein Park.",stellte ich fest und blieb stehen. Justin ließ mich los, schien sich anscheinend gar nichts aus unseren Berührungen zu machen und fuhr sich durch die verwuschelten Haare. Der Wind eben hatte sie leicht zerzaust. " Ja, aber nicht irgendein Park. Bist du bereit dich loszulassen und neu anzufangen?" Verdattert sah ich ihn an. "Okay, dann anders. Bist du bereit zu kämpfen und dir das nicht mehr anzutun?", bei dem Wort das griff er nach meinem Arm und hob den Pullover an. Meine Narben lagen nun offen dar und ich wusste,dass er der erste Mensch war,der sie je gesehen hatte, abgesehen von mir. Der Gedanke war mein Feind. Niemand sollte das sehen. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Dabei wusste ich aber nicht, ob es an Justins Berührung lag, daran dass er meine Narben sah und bescheid wusste oder ob es doch nur an dem Fakt lag, dass ich keine Jacke trug. Ich entzog ihm meinen Arm und leckte mir nervös über die Lippen. Erwartungsvoll stand er vor mir und sein Blick war sehr ernst. Langsam dämmerte mir,was er vor hatte und ich ging darauf ein. "Ich verspreche dir,dass ich kämpfe und nicht mehr aufgebe.",hauchte ich und nahm mir fest vor, dass dies der Wahrheit entsprechen würde. Justin strahlte über das ganze Gesicht, packte wieder nach meiner Hand und zog mich mit sich. "Also gut, gehen wir's an!",freudig brachte er mich an einen kleinen Fluss. Der Ort war ruhig und umgeben von Blumen und Gras. Vereinzelt gab es Bäume um den Park. "Wow.",hauchte ich und lief auf einen kleinen Steg zu. Der Fluss war nicht groß, man konnte von 4m Breite sprechen, aber zog sich durch den Park und man sah das Ende nicht. Wo er bloß mündete? Vermutlich Kilometer weg von hier. Justin ließ meine Hand nicht los, kramte in seiner Hosentasche und holte etwas Silbernes hervor: Meine Klinge. Mit großen Augen sah ich ihn an. "Hier.",murmelte er und legte mir die Klinge in meine freie Hand. "Du wirfst das jetzt in den Fluss als Zeichen dafür, dass du dir nie wieder weh tust. Du brauchst das Ding nicht. Du wirst kämpfen, genauso wie ich." Ich nickte, war ganz gerührt von der Art und Weise, wie er symbolisch meinen Abschied mit der Klinge als Gedankensblitz unerwartet geplant hatte. "Bist du bereit?",ich nickte. " Dann befrei dich von deiner Klinge, lass die Vergangenheit Vergangenheit sein und schau,was die Zukunft brinkt, Faith, lass das was geschehen ist ruhen, lass los." Ich biss mir auf die Lippe, hob meinen Arm und warf die Klinge in das Wasser. Wir standen auf dem Steg, der Wind bließ mir die Haare ins Gesicht, wir hielten uns an den Händen fest und eine Träne huschte über meine Wange. Wortlos sahen wir zu, wie der Fluss die Klinge verschlang und das silberne, tötliche Stück den Fluss entlangschwamm, bis wir es nicht mehr sehen konnten. "Ich liebe diese Symbolik.",hauchte Justin:" Ein sich langstreckender Fluss. Das Wasser und alles was darin ist , ist an dem Punkt wo wir stehen ganz nah an uns und im nächsten Moment treibt es an uns vorbei, Kilometerweit. Wie die Dinge, die wir loslassen. Alles was uns mal ganz nah war,kann sich ganz schnell von uns entfernen. Wie deine Klinge." Ich wischte mir über das Gesicht und schaute ihn an. Wir ließen die Hände nicht los. "Fühlst du dich jetzt besser?", seine Frage ließ mich nachdenken. "Ich fühle mich befreit. Ich fühle mich gelöst von etwas, was mich kaputt gemacht hat und Justin? Es ist, als ob ich falle.Dieses Gefühl fühlt sich an wie fliegen.", ich strahlte über das ganze Gesicht, während ich weinte. Weinte vor Glück, was eine Seltenheit darstellte. Überschwänglich breitete ich die Arme aus, warf mich auf Justin drauf, der mich lachend empfing. "So muss fliegen sein. Ich falle und fliege",schrie ich überglücklich. Justin taumelte kurz und fing sich aber wieder. "You can fly unless you let yourself fall(Zitat von Justin Bieber in seinem Song "Fall")",freute sich Justin mit mir und wir blieben noch eine lange Zeit am Steg stehen und sahen wie die Sonne langsam unterging, während wir uns lebendig fühlten. Während wir glücklich waren und uns fühlten, als ob wir fallen würden um zu fliegen.

-

Weiter? =)

VictimsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt