Kapitel 67 - Ich will fühlen

172 16 14
                                    

Kapitel 67 - Ich will fühlen

Justin's POV
Es brach mir mein Herz, dass ich Faith so weh tun musste. Doch sie hatte mich rasend vor Wut gemacht mit ihrer Aktion, sodass ich sie in meiner Nähe gerade einfach nicht ertrug.
"Ich habe es dir von Anfang an gesagt.", ich sah sie nicht, aber ihren höhnischen Blick konnte ich mir nur zu gut vorstellen. Gerade war ich einfach viel zu erschöpft,um mich mit Kira anzulegen. Sie würde sowieso jeden Streit gewinnen. Das war schon immer so gewesen. "Es tut mir leid.", flüsterte ich stattdessen:"Ich meine, dass ich dich versucht habe von mir wegzuschieben. Aber du hast deinen Tot vorgetäuscht und der Gedanke, du hättest mich allein gelassen, hat in mir den Gedanken aufkeimen lassen, du wärst ein schlechter Mensch. Alles, was wir erlebt haben, sah ich auf einmal als falsch an. Aber du bist ein guter Mensch, Kira." Weil sie mir nicht antwortete, fügte ich noch hinzu:" Ich bin froh, dass du zu mir zurückgekehrt bist. " Die Angst hatte mich fest im Griff. Ich durfte Kira jetzt einfach nicht verärgern. Ich durfte nichts falsches sagen. Schließlich hatte ich sie gerade erst wieder. Faith lag einfach falsch. Kira kontrollierte mich nicht. Ich ließ sie mich kontrollieren. Ich tat alles aus freien Stücken. Aber im Moment zählte nur eins: Kira lebte.

Cody's POV
Ich hatte es gewusst. Schon ab dem Moment, wo Tracy mir das Tagebuch geklaut hatte. Früher hatte ich mich gerne mit Kira Die über Tracys Dummheit lustig gemacht. Doch eigentlich wusste ich schon immer, dass Tracy ein schlaues Mädchen war. Wäre ihr Selbstbewusstsein ein bisschen größer, ihre Klappe ein bisschen lauter und hätte ihr Wesen nicht immer dieses Verlangen bei den coolen Kids dazuzugehören, hätte wirklich etwas aus ihr werden können. Die Schule hätte sie bestimmt mit links gemacht.
Also war es für mich kein Wunder, dass sie mein kleines Geheimnis herausfinden würde. "Ist das dein scheiß Ernst?", fuchsteufelswild stürzte sie in mein Zimmer. Ohne zu klopfen. Natürlich wusste ich, worauf sie anspielte. Vermutlich war es deshalb nur der Instinkt der Selbstrettung, als ich sie ahnungslos anschaute. Ihre Augen waren gerötet, sie hatte geweint. Seit Tagen lief sie ungeschminkt und völlig zerzaust durch die Gegend. Ein Anblick, den es früher nicht gegeben hätte. Jetzt, wo ich sie so sah, mit ihren langen Haaren und ihren makellosen Teint, wunderte es mich, warum ich sie nie wirklich lieben konnte. Es tat mir fast leid, was ich ihr alles angetan hatte. Irgendwie hatte sie es nicht verdient. Früher hat es mich nur einfach nicht interessiert. Warum war ich überhaupt so sentimental? Weil jetzt alles vorbei war? Weil die Beweise gefunden wurden, die ich ein Jahr versteckt halten konnte? Bald musste ich für alles büßen und vielleicht war das der Grund, weshalb jetzt Schuldgefühle in mir aufkeimten. Es war schon ironisch, dass Tracy, die immer im Schatten von jedem von uns stand, uns nun alle in der Hand hatte. Was hieß in der Hand haben? So war Tracy nicht, auch wenn sie immer vorgab so zu sein. Sie war quasi wie Justin. Die Natur der beiden war immer gut. Nicht böse. Also würde sie das tun, was sie für richtig hielt. Sie würde Justin um Verzeihung bitten und ihm die Wahrheit über seine verstorbene, große Liebe erzählen. Und für mich? Für mich wird sie eine lange Rede voller Vorwürfe und Ratschläge bereit haben und mich dann an die Polizei leiten. Da war ich mir sicher. "Jetzt tu nicht so als wüsstest du nicht, worum es geht.", ihr Blick war unergründlich. Ich sah den Hass und die Wut in ihr, aber auch die Trauer. Da war noch irgendwas. Mitleid? "Tracy -", meine Stimme brach und ich wusste, ich konnte einfach nicht darüber sprechen. "Fühlst du dich schuldig?", die Wut in ihr schien vorüber zu sein und eine Träne kullerte über ihr Gesicht: " Mein Gott, ich war hier, um dir die Ansage deines Lebens zu machen und jetzt sehe ich dich an und alles was ich in dir sehe ist ein Victim. So, wie wir alle es durch ihren Zwang waren. " Tracy schloss die Tür hinter sich und ließ sich mit verschränkten Armen auf mein Bett fallen. Keine Ahnung ob es angebracht war oder nicht , aber ich tat es ihr nach. So eng beieinander hatten wir schon lange nicht mehr gesessen. Wir starrten auf den Boden. "Es tut mir leid, Tracy. Wirklich.", schwor ich, als ich meine Stimme wiederfand und meinte jedes Wort tatsächlich ernst. Tracy hob ihren Blick und sah mir fest in die Augen. Ich tat es ihr gleich. "Ich wusste schon immer, dass du ein kaltes Herz hast und keine Skrupel besitzt, aber dass du so weit gehen würdest und ein Mädchen ver-", dieses Wort konnte ich einfach nicht hören, ich musste sie unterbrechen:"Sag es nicht!" . Mit großen Augen sah sie mich an, als würde sie meine Reaktion abschätzen. Dann schüttelte sie den Kopf:"Nein. Du musst es hören, Cody. So sehr sie uns alle genötigt hat und uns alle gegeneinander aufgespielt hat, das, was du ihr angetan hast, hat keiner verdient. Und du darfst es absolut nicht verstecken und verheimlichen. Streich dieses Ereignis bloß nicht aus deinem Kopf. Du musst es hören! Du hast sie missbraucht. Gegen ihren Willen hast du das alles gemacht." Sie begann wieder zu weinen. "Wieso Cody? Wieso? Ich habe aus irgendeinen mir selber verschleierten Grund angefangen dich zu lieben. Frag mich nicht, wie, denn ich verstehe es selber nicht. Aber ich habe es getan und tu es auch noch, obwohl ich schon immer wusste, dass es für dich nur Kira gab. Ich habe mit dir Justin fertig gemacht, weil du mir eingeredet hast, es sei seine Schuld, dass Kira sich umgebracht hat. Du sagtest, Justin habe sie schlecht behandelt, dabei wusstest du die ganze Zeit, dass es deine verschissene Schuld war! Sie hat sich wegen dir getötet. Das Mädchen, das du geliebt hast! Die einzige Person, die du je lieben konntest ! Also frage ich dich nochmal, wieso hast du ihr das angetan, was absolut keiner verdient hat? Wieso hast du sie so schlecht behandelt?"Ihr Brustkorb hob und senkte sich unregelmäßig und ihre Stimme ging in die Höhe. Sie litt. Meine Schuld zerfraß mich innerlich. Stück für Stück nagte sie an meinem Herz und brach das Eis in mir. Ich konnte es schmerzlich spüren.
Man hatte mich immer als kalt und herzlos abgetan. Ich hatte mich selber immer so bezeichnet und vermutlich war ich das auch zum Teil. Aber ich hatte noch nie einen Menschen an die Oberfläche schauen lassen. Im inneren hatte ich ein Herz. Ganz tief in mir drin gab es etwas, das mich kontrollieren wollte. Nur ließ ich es einfach nicht zu. Meine Eltern hatten mich dazu erzogen immer Stärke zu zeigen, egal was ich fühlte. Also konnte ich niemanden mein Inneres Ich zeigen ohne verletzbar zu sein. Ich handelte aus der Wut heraus, völlig unkontrolliert. Nicht, weil ich irgendwelche Racheakte vollziehen wollte. Das wusste keiner. Irgendwie beneidete ich Justin immer, dass er Kira so offen alles von sich sagte: jede Empfindung, jedes Gefühl. Ich konnte das nie. Mir tat es fast leid mit anzusehen, wie wenig Kira es immer interessiert hatte, was Justin loswerden wollte. Sie hatte ihn verbogen, zu ihrer Marionette geformt. Also hatte er irgendwann damit aufgehört , womit ich nie angefangen wollte: mich zu öffnen. Ein einziges Mal hatte ich es versucht.
Flashback
Mein Herz pochte ungewöhnlich laut als ich vor ihrem Zimmer stand. Sollte ich mich ankündigen und leise anklopfen? Das würde bestimmt uncool wirken. Ich wollte sie ärgern, das war unser Ding. Also öffnete ich einfach die Tür. Erschrocken drehte sie sich in meine Richtung und erstarrt sah ich sie an. Da stand sie. Nur in Unterwäsche. Ihr aus Spitze geformter BH schmeichelte ihren Kurven und ihre langen Haare schien sie gerade nach Hinten zu bürsten, denn sie hielt eine Bürste fest umklammert. Ihr Anblick war wunderschön. "Sorry", murmelte ich ohne es wirklich ernst zu meinen. "Sag mal, spinnst du?", zischte sie nachdem sie sich wieder gefasst hatte und drehte sich zu ihrem Bett, um ihren Körper vor mir zu verstecken. Bevor ich auch nur reagieren konnte, streifte sich sich einen Bademantel über und stand mit verschränkten Armen vor mir. "Wenn Tracy jetzt hier wäre, dann hätten wir ein ziemliches Eifersuchtsdrama.", fauchte sie und mein Herz verkrampfte sich. "Wenn ihr euch ein Zimmer teilt, ist es nicht meine Schuld, wenn ich dich hier halb nackt vorfinde, sobald ich meine Freundin besuchen will." , achselzuckend grinste ich sie an. Ihre Braue hob sich, dann schenkte sie mir ein verschmitztes Grinsen. "Ich kenne dich, Simpson. Du bist nicht wegen Tracy hier. Die Kleine verfolgt dich doch den rund um die Uhr." Jetzt hieß es: cool bleiben. Ich wollte nicht zu früh mein Herz ausschütten. Ich wollte mich nicht zu früh so verletzlich machen wie alle anderen Menschen. Ich musste wie sie sein. Mich so geben. "Für einen netten Anblick komme ich doch überall vorbei.", flüsterte ich und trat auf sie zu. Kira lachte:" Wusste ich es doch. Hör mal, mich stört es nicht, dass du mich so siehst. Ich bin ja auch heiß. Hungrig darf man sich bei jedem machen. Gegessen wird dann zuhause." Ich verdrehte die Augen. "Aber was mich stört-", begann sie:" ist dein elender Versuch mich mit meiner besten Freundin eifersüchtig zu machen, Cody. Das zieht nicht. Ich habe Justin, der gleich an mir naschen darf. " Ich war entlarvt. "Ach, du dachtest, ich wüsste nicht, dass du auf mich stehst?", sie lachte falsch. "Ich -", begann ich und stockte. Ich wollte cool wirken, wollte so hart wirken wie sie. Doch ich war immer nur Fassade. Sie war wirklich so kalt. "Ich bin wie du, Kira. Ich bin unberechenbar und eiskalt. Ich nehme mir, was ich will. Ich habe genauso stinkreiche Scheißeltern wie du und ich spiele mit meinen Mitmenschen. Doch trotzdem fühlen wir. Und auch, wenn ich sonst ein Klotz bin und absolut nie sagen würde, was ich empfinde, will ich hier vor die stehen und dir sagen, dass ich dich liebe. Ich habe noch nie geliebt, Kira. Doch wir beide, wir sind seelenverwandt. Wir sind gleich.", gestand ich und plötzlich fühlte ich mich vollkommen nackt. Kira sagte kein Wort. "Zwing mich nicht es noch einmal zu wiederholen, denn das werde ich nicht. Das weißt du. Dieses Romantik-Ding ist nicht das, was wir sind. Wir lieben das Spiel.", fügte ich hinzu, um sie zum sprechen zu bringen. Doch sie sah mich noch immer einfach nur an. "Bist du gekommen um mir das zu sagen?", flüsterte sie plötzlich. Ihre Stimme war noch immer gefasst, keine Regung von Mitgefühl war erkennbar. "Ja, das ist das erste Mal, dass ich meine Gefühle offen ausspreche und sie auch ernst gemeint sind.", ich dachte an die lästige, zarte, kleine Tracy:" du bist stark, du weißt was du willst und das ist alles, was ich will. Ich habe alles für dich getan. Ich habe deine Spielchen mitgespielt, unschuldige Kinder verprügelt, dir geholfen Tracy und Justin zu dem zu machen, was du willst. Alles. Ich prügle sein Monaten mit dem kleinen Justin, der eigentlich keiner Fliege etwas zu leiden tun könnte, um deine Gunst. Also, nimm mich. Ich bin der richtige. Die beiden wissen vielleicht nichts von deiner Art und auch nicht, dass du sie zu deinen Gunsten transformierst, aber mich musst du nicht ändern. Ich bin genauso. " Das war eine Lüge. Mir gefiel das zu sein, was sie wollte, denn sie zeigte mir, wie ich mit der Wut auf meinen Eltern umzugehen hatte. Dennoch war ich nicht immer so. Ich war gefühlskalt von außen, innen war jedoch immer ein weicher Kern, der die letzten Monate zum Glück immer mehr schwand. " Cody Simpson.", sie kam auf mich zu und ihre Hand berührte meine Schulter. Die Haut darunter kribbelte. "Ich wusste gar nicht, dass du fühlen kannst. Aber ich denke, wir haben beide denselben Schwachpunkt. " Erwartungsvoll schaute ich sie an. Sie war makellos. "Die Liebe.", danach schwieg sie. Manchmal sprach Kira so verschleiert, dass ich nicht wusste, was ich antworten sollte. Doch sie übernahm:" Du lässt genauso wenig Gefühle zu wie ich. Aber irgendwas in mir sagt, dass du schwächer bist als ich. Du verbiegst dich genauso wie die anderen beiden. Nur nicht so sehr. Doch die Liebe lässt deine Fassade bröckeln. Du hast mir gezeigt, wer du bist und was du fühlst. Es tut mir leid das sagen zu müssen, aber Justin tut dasselbe mit mir. Wir beide sind identisch ,da hast du recht. Allerdings ist es bei mir Justin, bei dem ich liebe zeigen kann. Du tust alles für mich, doch irgendwo machst du es ja auch für dich. So sind wir. Aber ich liebe dich nicht Cody. Ich liebe Justin und ich zeige vor ihm Gefühle. Das macht mich verletzlich. Du solltest, wenn du etwas für mich empfindest, deine wenigen Gefühle, oder eher das einzige Gefühl das du kennst, besser komplett abstellen, wenn du nicht verletzt werden willst. Das ist ein gut gemeinter Rat. So würde ich es auch tun, hätte ich nicht das Glück wirklich von zumindest einer Person geliebt zu werden. Dich liebt nur keiner." Weinen kannte ich nicht. Und ich würde jetzt nicht weinen. Das nahm ich mir vor. "Was Justin fühlt, mag Liebe sein. Aber er ist nicht er, wenn er bei dir ist. ", erwiderte ich. Ihr Blick änderte sich keineswegs. Sie sah noch immer gefasst aus, obwohl ich wusste, dass ich ihr einen Schlag in die Magengrube versetzt hatte. "Du hast gar keine Ahnung.", sie konnte diese Tatsache leugnen, dennoch wusste sie genauso gut wie ich, dass ich recht hatte. " Du bist gar nicht so herzlos wie du denkst, Cody. Du bist nicht wie ich. Du bist mehr wie ich als jeder andere von uns, aber trotzdem habe ich die Macht dich zu verletzen. Du hast diese Macht über mich nicht, weil ich nichts fühle. Nichts bis für Justin. Du magst der Auffassung sein, dass gleich und gleich zusammen passen. Ich sage dir, man suche sich jemanden, den man mag und mache ihn gleich. Selbst dich hab ich mir angepasst und du merkst es nicht einmal." " Weil ich es freiwillig getan habe!", murmelte ich und sah sie Kopfschüttelnd ab. "Es wäre besser du gehst jetzt. Ich warte auf Justin. Tracy wartet bestimmt auch auf dich. Es ist alles gut so wie es ist. Du und ich, wir brauchen uns nicht großartig ändern. Wir sind wer wir sind. Schließlich haben unsere Eltern uns dazu gemacht. Aber Justin und Tracy werden sich auch bald ohne Gefühlsduselei uns fügen, wenn das schlechte Gewissen erstmal besiegt ist. Du bekommst deine perfekte Partnerin. Tracy wird es eines Tages sein." Meine Wut zerriss mich. Ohne ein weiteres Wort verließ ich den Raum. Was verstand sie daran nicht, dass Tracy und Justin nicht das Wesen waren, was sie sein mussten, um zu sein wie wir. Sie würden ihr Gewissen nie abstellen. Und in dem Moment realisierte ich, dass Kira doch nicht so war wie ich. Sie war böser, gemeiner. Natürlich hatte ich mich ihn angepasst, aber trotzdem war ich auch so. Meine Eltern hatten dafür gesorgt. Ich wollte nicht fühlen und der einzige Moment, wo ich meine Gefühle zugelassen hatte, war bei ihr. Das einzige Mal wo ich über meine Gefühle je geredet hatte, war gerade vor ihr. Sie mochte das bei Justin tun, aber bestimmt meinte sie es nur halb so wenig wie ich. Sie wollten ihre große Liebe ändern, um sie zu akzeptieren. Ich hätte Kira so genommen, wie sie ist. Das war der entscheidende Unterschied zwischen uns, der uns zu komplett unterschiedlichen Menschen machte. Sie war herzloser als ich. Kaum zu fassen. Und dann zerriss die Wut endgültig mein Herz. Sie wollte jemanden wie sie? Sie wollte jemanden, der nicht mal vor der Liebe seines Lebens zurückschreckte? Sie nahm sich alles was sie wollte? Wieso ich nicht auch!
Also drehte ich um und ging zurück. Ich ballte die Hände vor Wut und in mir sah es vermutlich genauso dunkel aus wie diese Nacht. Als ich ihr Zimmer betrat, ließ ich ihr keine Wahl. Ich knallte die Tür zu. Für einen kurzen Moment erhaschte ich ihren irritierten Gesichtsausdruck, doch ich blendete es einfach aus. "Du denkst, dass ich mir alles nehme? Ich habe dir zig mal gesagt, was ich will. Jetzt bin ich der, den du in mir siehst. Gut, nehme ich mir, was ich will.", zischte ich und drückte sie gegen die Wand. Mit allem, was sie hatte, versuchte sie sich zu wehren. Zuerst war es Spott, dann Drohungen, schließlich Schreie und am Ende Tränen. Aber ich war wie in Trance. Mir war in diesem Moment schon klar, dass ich wohl das schwärzeste tat, was ich je tun würde in diesem Leben. Aber die wollte es nicht anders. Ich konnte nicht anders. Ich war verletzt. Auch dieses Gefühl zeigte ich nur ihr, wenn auf brutale Weise. Danach zeigte ich nie wieder meine Gefühle. Ich verließ ihr Zimmer:" Du hast recht, Kira. Ich bin nicht wie du. Ab diesen Moment bin ich sogar schlimmer als du. Aber du wirst es verstehen, du hast dasselbe Problem mit deinen Eltern wie ich. ", spottete ich. Sie weinte. Das war das letzte, was ich von ihr sah. Ich hatte sie gebrochen. Stundenlang saß ich dann vor meinem eigenen Zimmer und konnte nicht anders als meine eigenen Tränen zu unterdrücken. Als mir Justin über den Weg lief, log ich. Ich wusste, dass er zu spät dran war und ich wollte ihm ein schlechtes Gewissen machen. "Wohin des Weges,Bruder?", ich fing ihn also ab und gestresst quetschte er sich an mir vorbei. Dann änderte ich plötzlich meine Taktik. Er lief zu den Mädchenzimmern und versuchte mich zu ignorieren. "Justin?",bluffte ich und legte ihm meine Hand auf seine Schulter, um freundschaftlich zu wirken. Widerwillig blieb er stehen und fuhr sich durch die Haare."Pass auf,Simpson,ich hab ein bisschen Zeitdruck. Ich suchte Kira,wir waren eigentlich vor dem Internat verabredet." Ich lachte und nahm die Hand wieder zu mir. Ich dachte, er sollte auf ihr Zimmer? Wieso ist sie nicht zu ihm? Sie war doch sonst immer so hart. "Wenn es um dein Mädchen geht,dann machst du alles richtig. Was habt ihr geplant?", versuchte ich ihn unauffällig zu beruhigen. Was würde Kira gleich erzählen? "Naja,eigentlich wollte ich mit dem Zug an die Niagara Fälle fahren und den verpassen wir gleich,deshalb muss ich jetzt-" "Sehr romantisch,Bieber. Du lässt dir ja immer was Neues einfallen." "Lässt sie mir eine andere Wahl?" Ich lachte laut:"Nein,wahrscheinlich nicht. Na los,such sie." Wie aufs Stichwort rannte er den Flur entlang an ihr Zimmer. Ich hatte mich dazu entschlossen, ihm kein schlechtes Gewissen zu machen. Wenn ich unschuldig tat, dann würde er Kira vielleicht nicht glauben oder mir zumindest zuhören. Würde ich ihn jetzt absichtlich ärgern, hätte ich schlechtere Chancen.
Dann kamen die Schreie. In diesem Moment veränderte sich vermutlich mein ganzes Leben. Mechanisch stand ich auf und ging in die Richtung, aus der die Schreie kamen. Und mit jedem Schritt würde ich schneller. Ich kam als zweites an. Das Bild, das sich mir bot, würde ich im Lebtag nicht mehr vergessen. Justin kauerte vor der Türe von Kiras Zimmer. Seine Augen waren zusammengekniffenen und er hielt sich am Türrahmen fest, als würde er jeden Moment fallen. "Was ist los?", fragte ich und leichte Panik stieg in mir auf. Doch Justin konnte nicht antworten. Er stand völlig unter Schock. Ohne weiter auf eine Antwort zu warten schaute ich in das Zimmer. Keine Ahnung was ich dann machte. Ich wusste es nicht mehr. Die nächsten Sekunden meines Lebens waren wie ausgestrichen. Ich sah sie da einfach nur an einem Seil hängen. Reglos. Bewusstlos. Tot.
Ich weiß nicht, wie sie abtransportiert wurde. Ich weiß nicht, wer uns gefunden hatte. Ich weiß nicht, wer Tracy bescheid gesagt bekam und ich weiß bis heute nicht, wer mich aus diesen Raum gelotst hatte. Ich fühlte mich nur schuldig. Und diese Schuld raubte mir den Atem. Ich versuchte mir einzureden, dass ich die ach so große Kira nicht in den Selbstmord getrieben hatte. Es waren ihre Eltern schuld oder ihre eigenen Schuldgefühle. Doch sie hatte nie welche verspürt. Oder hatten wir alle Kira falsch eingeschätzt und sie war gar nicht so kalt, wie man vermutete? Waren es nicht meistens die Stärksten, die die größten Schwächen hatten?Es brachte alles nichts. Ich war schuldig. Um mich herum war alles ausgeblendet. Irgendwann kam dann die Phase der Verleumdung. Ich war nicht schuld. Das einzige, was Kira fühlte, war die Liebe zu Justin. Er war schuld. Ich ging auf die Suche nach ihm.
"Du kleine Missgeburt!", ich kam wie aus dem Nichts auf ihn zu und schlug ihn zu Boden. "Stop!Hör auf!",Tracy ging zwischen uns und versuchte mich zu beruhigen. Das war ein Fehlversuch. "Es ist deine Schuld,Bieber, es ist verdammte Scheiße deine Schuld!",ich zeigte mit dem Finger auf ihn wie ein Verräter. "Du hast sie umgebracht, wegen dir hat sie das getan!",wieder versuchte ich auf ihn zuzurennen,doch Tracy hielt mich ab. "Erst gestern sagte sie mir,dass du sie unglücklich machst!",fuchsteufelswild haute ich meine Hand gegen die Wand. "Mensch,Cody! Siehst du nicht,dass er selber trauert? Lass mal gut sein!",schrie Tracy und hielt mich an den Armen zurück. Das Blut meines Schlages klebte an Justins Gesicht. Er war Schuld. Er ganz allein. Er. "Was ist denn hier los?",der Krankenhausarzt kam zwischen uns:"Verlasst das Gebäude! Alle Drei!" "Das wirst du büßen,Bieber. Das wird dir leid tun!",fluchte ich und ich wusste, jedes meiner Versprechen war Ernst zu nehmen. (Kapitel 33 Erzählform geändert). Ich hatte Tracy belogen. Ich sagte ihr, Kira hätte mir im Vertrauen erzähl, dass sie unglücklich wäre mit Justin und sie deshalb nicht mehr leben wollte. Ich sagte ihr, ich hätte versucht sie zu beruhigen und hätte nie gedacht, dass sie sich wirklich umbringen würde. Tracy glaubte mir. Sie liebte mich. Wir beide schworen Rache und wollten Justin dafür büßen lassen. Der, komischerweise, mir ebenfalls glaubte. Justin gab sich die Schuld und machte sich das Leben selber zur Hölle. Er fügte sich selbst schmerzen zu. Ich war dein aus der Sache raus. Aber dennoch schwor ich mir an dem Tag, dass ich nie wieder meine Gefühle offen zeigen würde, denn das führte zum Desaster.
Flashback ende.

Der schwärzeste Tag meines Lebens, der mir das erste mal ein wirklich schlechtes Gewissen bereitet hatte, verblich aus meinen Gedanken und dann war der Damm gebrochen. Ich zitterte und als ich Tracy antworten wollte, flossen stattdessen die Tränen. Das aller erste mal weinte ich vor jemand anderen. Tracy sah mich fassungslos an. Sie schien geschockt zu sein. "Diese Schuld lastet so lange auf mir und ich fühle mich so unglaublich schuldig, Tracy. Ich wollte das nicht, glaub mir. Ich habe sie geliebt." Meine Tränen wollten gar nicht mehr versiegen. Noch nie hatten ich mich ernsthaft entschuldigt. Ich wünschte nur, ich hätte das Kira sagen können und nicht Tracy. Schweigend sah sie mich an und dann erzählte ich ihr alles von diesem Tag. Der Tag, der mich fühlen hat lassen.
"Gefühle habe ich sonst immer unterdrückt. Und danach schwor ich mir so weiter zu machen wie bisher. Wenn ich fühle und mich öffne, werde ich zum Monster, Tracy. Das hat mir der Tag damals gezeigt. Dabei will ich nichts lieber als meine Fehler gut zu machen. Ich will mich von dieser Last befreien. Ich will fühlen. "Das Mädchen neben mir räusperte sich:" Deine Eifersucht, deine Liebe und die Zurückweisung... das alles hat dich verletzt. Deshalb solltest du aber nicht aufhören du zu sein. Du musst zeigen wer du bist. Weißt du was ich heute über dich gelernt habe? Du bist einfühlsam, du hast ein Gewissen und du besitzt die Fähigkeit zu lieben. Du hast einen dummen Fehler gemacht, aber die Konsequenz die du daraus gezogen hast ist falsch. Du hättest dich nicht wieder verschließen sollen. Du hättest schon längst Buße tun können und versuchen, deine Fehler wieder gut zu machen. Du hättest nur ehrlich sein müssen. Stattdessen hast du gelogen und dich verschlossen. Du hast alles schlimmer gemacht. Justin ist seelisch krank geworden dadurch. " und dann weinte ich wieder. Es war alles meine Schuld und alles was ich je wollte, war Gefühle zeigen. "Hast du jetzt keine Angst vor mir?", flüsterte ich gebrochen. Tracy nahm mich in den Arm, ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter und lauschte ihren gehauchten Worten:" nein, du bist ein Mensch, wie wir alle. Aber heute hast du Mut bewiesen und gezeigt, dass du kein so kalter Arsch bist. Jetzt müssen wir aber zur Polizei und Hilfe holen. Für Justin. Wir müssen beginnen deine Fehler aufzuarbeiten. Gemeinsam. Danach zeige ich dir einen Weg, wie du dich öffnen kannst ohne ein Monster zu werden. Du musst nur lernen mit Niederschlägen umzugehen, was du nie getan hast. " Vermutlich musste ich ins Gefängnis. Vermutlich würde ich alles verlieren: meine Eltern, mein Ansehen, mein Erbe, meine Karriere... alles. Aber das war es mir wert. In diesem Moment wünschte ich mir einfach nichts sehnlicher, als immer nur Tracy statt Kira zu lieben. Dann wäre es nie so weit gekommen.
-
Sooo, jetzt kennt ihr die ganzen Zusammenhänge. Das Kapitel war bestimmt langweilig, aber Codys Verhalten musste ja erklärt werden und sein Einblick fehlte, um Kiras Tat zu erklären. Ich hoffe, ihr lernt, dass hinter jeder harten Fassade eine gebrochene Persönlichkeit stecken kann. Alles hat seinen Grund. Xoxo

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 19, 2017 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

VictimsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt