Unknown Friend

01. Kapitel

,,Hast du schon Mal drüber nachgedacht dich anonym bei irgendeinem Chat Forum anzumelden?", wollte Julian wissen. Schon seit Tagen geisterte ihm diese Idee durch den Kopf. ,,Ne, nicht so wirklich, warum?", Marco zog sich sein von Regen und Scheiß durchnässtes Trainingsshirt aus. ,,Naja, das ist doch bestimmt richtig cool oder nicht?", Julian tat es ihm gleich. ,,Was ist cool? Wenn es was mit Fortnight zu tun hat bin ich raus!", schmunzelnd ließ sich Roman auf seinen Platz plumpsen, zog sich die Handschuhe aus und schnappte sich sein Getränk. ,,Ne, ob du es glaubst oder nicht, ausnahmsweise mal nicht! Dachte auch schon der Junge ist krank!", Marco schmunzelte leicht und knuffte Julian in die Seite. ,,Als würde sich mein ganzes Leben nur um Fortnight drehen!", Julian brummte leise, klar war dies ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens gewesen, aber es gab ja auch noch viele andere Dinge im Leben, die dadurch vielleicht zu kurz gekommen waren.
,,Nahezu!", Marco schmunzelte: ,,Aber jetzt hat unser junger Herr Brandt eine neue wilde Idee gefasst!" ,,Uhhh, hau raus!", gesellte sich Julian Weigl nun auch interessiert grinsend zu ihnen und sorgte damit dafür, dass sich das Gesicht seines Namensvetter allmählich leicht rot verfärbte. ,,Na jetzt sag schon, jetzt wollen wir's auch wissen, wenn ihr uns schon so neugierig macht!", mischte sich auch Mario ein. ,,Ich hab Marco nur gefragt, ob er schon Mal darüber nachgedacht hat sich anonym irgendwo anzumelden...", Julian war die ganze Aufmerksamkeit seiner Teamkollegen bei diesem Thema schon wieder etwas unangenehm. ,,Also wenn du jetzt an Pornoseiten denkst, da bin ich auch nicht mit meinem richtigen Namen unterwegs!", Mario lachte leise. ,,Wer ist das auch schon, stell dir mal vor es kriegt einer mit, wer du bist!", Marcel lachte kopfschüttelnd. ,,Siehst du, das wäre sicherlich furchtbar, wenn die wüssten, was ich mir so alles schon reingezogen hab und genau deshalb hab ich da auch deinen Namen genommen!", Mats grinste. ,,Bitte was? Meinen Namen?", empörte sich Marcel und Mats lachte nickend.
Während sich der Rest des Team in eine angeregte Diskussion über Namen und verschiedene Pornoseiten verstrickte, nutzte Julian dies als seine Chance sich zumindest schon mal in die Dusche und raus aus dem Gesprächsmittelpunkt zu flüchten. Niemals würde Julian auf die Idee kommen sich anonym bei einer Pornoseite anzumelden, dass würde seine Mutter definitiv nicht wollen, egal ob er nun alt genug war eigenen Entscheidungen zu treffen oder nicht. Schon in seiner Jugend hatte sie hin und wieder die brillante Idee seine Galerie, Chatverläufe oder eben auch Suchverläufe zu kontrollieren, weshalb sich Julian auch schon damals möglichst von so etwas ferngehalten hatte. Seine Mutter war in manchen Dingen nun mal sehr strikt und direkt gewesen und hatte ihn auch so erzogen, während sich viele seiner Freund im Wissen darüber auch gerne einen Scherz mit ihm erlaubt hatten.
Doch auch hier blieb er nicht lange allein, denn bald darauf gesellte sich Łukasz zu ihm. ,,Was reizt dich so daran?", der Pole belegte die Dusche neben seiner, stellte das Wasser an und sah zu ihm herüber. Łukasz kannte Julian noch nicht wirklich lange, aber dass sich Julian auf solchen Seiten herumtrieb, konnte er sich beim besten Willen einfach nicht vorstellen, dafür war dieser einfach viel zu brav und gut erzogen. ,,Naja, wenn du irgendwo anonym bist, kennt dich halt einfach niemand und du kannst vielleicht zu Leuten Kontakt aufbauen, die echt ganz nett sind, also echt nett und nicht nur weil sie wissen, wer du bist und dir gefallen wollen, weil sie sich dadurch irgendwas erhoffen!", gab Julian nach kurzem Überlegen zu. Diese Tatsache war eine, die ihm bei all den Vor- und Nachteilen, die so etwas mit sich brachte, immer noch am besten von allen gefiel und ihn auch am meisten reizte. Er hasste es und litt förmlich darunter, wenn sich jemand nur für ihn interessierte, weil er durch den Fußball Bekanntschaft erlangt hatte, schließlich war er seitdem ja nicht ein ganz anderer Mensch geworden, sondern immer noch derselbe Julian wie zuvor. Der Julian, der Wünsche, Hoffnungen und Gefühle, wie jeder andere auch hatte und es gab eben leider genug, die seinen Status auszunutzen versuchten und leider zu wenig, die ihm noch das Gefühl, gaben normal zu sein.
,,Mhm, da hast du schon recht!", Łukasz stellte sich unter das Wasser und ließ sich Julians Worte augenscheinlich noch ein zweites Mal durch den Kopf gehen. ,,Ich mag die Idee einfach irgendwie... Ich meine guck mal wie viele Menschen es auf der Welt gibt, da wird doch bestimmt einer bei sein oder so, der mega lieb ist und mit dem ich über so ziemlich alles reden kann, ohne dass er es direkt irgendwie gegen mich verwenden kann!", meinte Julian, offenbar voll in seinem Element: ,,Ich meine warum sollte auch irgendjemand über irgendwelche Personen Daten oder so sammeln und selbst wenn, kann er ja nichts damit anfangen, weil er sie nicht in Bezug zu mir setzen kann, oder?" Łukasz nickte zustimmend: ,,Da hast du recht, aber du solltest vielleicht trotzdem etwas vorsichtig sein und nicht gleich alles von dir preisgeben. Es lässt sich ja alles irgendwie immer zurückverfolgen oder wird irgendwo gespeichert!" ,,Du hörst dich grad echt so an wie meine Mom, Łu!", Julian lachte leise: ,,Darüber habe ich auch schon nachgedacht, aber ich weiß ja noch gar nicht so genau, ob ich da überhaupt irgendwas machen will, halt auch eben genau deshalb!" Ihm war es steht's verboten gewesen, einfach zu irgendwelchen ihm Fremden bzw. vor allem seiner Mutter fremden Leute aufzubauen. Alle Fremden im Internet waren zunächst einmal Kriminelle und Pädophile, die dann nachts aus dem nächsten Busch sprangen und wer weiß was mit einem anstellten, hatte ihm zumindest seine Mutter so beigebracht und ihm damit wirklich auch Angst gemacht. Klar konnte er ihre Bedenken auch rückblickend irgendwie noch verstehen, doch mittlerweile hatte sich seine Einstellung zu Social Media stark verändert, was vielleicht auch daran lag, dass heute diesbezüglich fast alles auch einfach wie selbstverständlich und halt eben auch alltäglich war.
,,Aber wenn du dann wirklich mit irgendjemandem schreibst, verliert man dann nicht auch den Hang zur Realität?", wollte der Ältere wissen, während sich Julian ans ein Shampoonieren seiner Haare machte. ,,Wie meinst du das?", der Jüngere wand ihm verwirrt den Kopf zu. ,,Naja, also wenn du mit jemandem schreibst, den du nicht wirklich kennst und nie zuvor je gesehen hast, woher willst du dann wissen, ob das wirklich alles echt ist oder ob er dich von vorne bis hinten verarscht? Ich meine das kann man ja eigentlich gar nicht wissen, weil man es nicht besser weiß und es auch nicht kontrollieren kann, oder?", Łukasz schnappte sich ebenfalls sein Shampoo und egal wie Julian es drehte und wendete, diesen Worten war einfach nicht zu widersprechen. Er musste wohl tatsächlich einfach hoffen, dass er dabei nicht an falsche Leute geriet, wenn er es denn überhaupt irgendwann wagen wollte.