23. Kapitel

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Der schwarze Schäferhund begann munter ihn und Nala zu beschnüffeln und während Nala diese Begrüßung auch ebenso freudig und interessiert erwiderte, starrte Julian fassungslos gerade aus, seinem Gegenüber schien es ähnlich zu ergehen. Das musste verdammt noch mal ein Scherz sein, alles andere war völlig unmöglich. Der Hund, der sich dort vor ihm befand, war zweifelsfrei Askan, aber die Besitzerin, war definitiv nicht die, die er sich in LuCi vorgestellt hatte... Sie war kein junges Mädchen, sie war allgemein keine sie und den braunhaarige Junge, mit der noch recht frischen Macke oberhalb der linken Augenbraue, der dort vor ihm stand und ihn aus tiefbraunen Augen mit ganz ähnlichem Ausdruck anstarrte, kannte er leider nur zu gut.
,,Luca, du bist...?", Julian schüttelte leicht den Kopf, um wieder klare Gedanken zu fassen, doch so sehr er sich auch bemühte, die Person vor ihm änderte ihre Gestalt nicht. ,,Brandt...", sein Gegenüber schien noch viel erschütterter zu sein, als er selbst. ,,Du bist LuCi...? Ich fasse es nicht, wie konnte ich nur so verdammt blöd sein... diese ganzen Parallelen, wie könnte ich das bitte nicht merken?", Julian schlug sich die Hand vor die Stirn, Luca blieb regungslos stehen. ,,Ich wusste nicht, dass du zu Hause solche Probleme hast, warum hast du denn nichts gesagt?", seufzte Julian.
,,Was soll ich denn schon sagen?", er wich Julians Blicken aus. ,,Die Wahrheit, wie es dir geht, was dir auf dem Herzen liegt, wie du dich fühlst, wie man dir helfen kann!", Julian erhob sich von der Bank. ,,Sowas will doch keiner hören und schon gar nicht da... da ist immer alles perfekt, alle haben Geld, können sich kaufen, was auch immer sie wollen und sind glücklich!", er sah ihn nicht mehr an, sondern sah zu Askan: ,,Wer anders ist gehört da einfach nicht dazu!" ,,Aber es ist doch nicht schlimm anders zu sein und dazu kann man doch auch nichts! Man kann im Leben nicht alles beeinflussen und wirklich wunschlos glücklich ist bei uns auch niemand!", er machte vorsichtig einen Schritt in die Richtung seines Gegenübers: ,,Es gibt viel Fassade, aber desto mehr dort zu sein scheint, desto unglücklicher kann man auch sein, glaub nicht alles, was dir die Menschen zeigen, dass macht nur unglücklich!" Luca schwieg, die Situation schien ihn völlig zu überfordern und auch Julian überforderte es ein wenig, wie er ihn denn nun behandeln sollte. Ihm viel, es schwer das Bild, welches er von Luca und LuCi gehabt hatte, nun zu einem zusammen zu fügen.
,,Hast du Lust ein bisschen mit Askan, Nala und mir spazieren zu gehen?", schlug Julian vor, Luca nickte leicht, vielleicht gelang es ihm ja so die Situation ein wenig zu entspannen, das angeschnittene Thema war für ihn jedoch noch lange nicht geklärt. Sie setzten sich in Bewegung, in Richtung Wald.
,,Wohnst du hier?", wollte Julian wissen, Luca nickte: ,,Dann hast du dich deshalb von Milli auf dem Parkplatz abholen lassen, damit keiner mitbekommt, wo du wirklich wohnst, nicht wahr? Schämst du dich dafür hier zu wohnen?" Erneut nickte Luca leicht: ,,Wer würde das auch nicht? Diese Gegend hier ist doch der totale Absturz und das du überhaupt hier hingekommen bist, grenzt schon echt an ein Wunder..." ,,Aber du kannst doch gar nichts dafür, dass du hier wohnst und es heißt ja nicht gleich, dass du ein schlechterer Mensch bist!", meinte Julian, während sie langsam ihren Weg in Richtung Wald fortsetzten. ,,Vielleicht nicht das, aber die denken, doch ich bin komplett behindert und arm...", der Braunhaarige seufzte tief.
,,Aber du wirkst gar nicht so, also finanziell...", meinte Julian, doch Luca schüttelte nur den Kopf. ,,Ich weiß und das soll auch so sein! Mein Handy...", er kramte ein relativ modernes iPhone aus der Tasche und reichte es Julian. Dieser nahm es vorsichtig entgegen: ,,Dürfte doch ziemlich teuer gewesen sein!" Wieder schüttelte Luca den Kopf: ,,War es nicht, war es definitiv nicht! Mach es mal an!", er beobachtete Julian genau, welcher versuchte es anzubekommen. ,,Mhm, funktioniert nicht, ist der Akku leer?", er gab ihm das Handy wieder zurück. Der Größere lachte leise: ,,Es hat keinen Akku und egal was du versuchst, du wirst es auch nicht ankriegen. Es ist Schrott, so hab ich es von einem Bekannten gekriegt, aber äußerlich sieht man es ja nicht! Eigentlich schreibe ich damit...", Er zog ein weiteres weit aus älteres Handy aus der Tasche. ,,Du machst das nur, damit jeder denkt und sieht, dass du ein iPhone hast?", Julian war überrascht, er hätte bis jetzt auch nur das iPhone in Lucas Besitz gewusst und war, wie ja offenbar geplant, auch davon ausgegangen, dass es ganz normal funktionierte.
Luca nickte: ,,Ich wusste das da niemand so schnell draufkommt, ist bei den Klamotten dasselbe!", er steckte beide Handys wieder in die Tasche. ,,Wie meinst du das?", wollte Julian wissen. ,,Naja, also ich Krieg entweder was Älteres von irgendwelchen Bekannten oder kaufe mir Fake Klamotten, den Pulli heute Morgen zum Beispiel, der war wirklich von der Marke, aber wegen Mängeln aussortiert! Allgemein ziehe ich Klamotten mit Marke auch nur zum Training an, was soll ich denn auch hier damit und das mich zufällig einer von euch hier antrifft, ist ja wohl auch mehr als nur unwahrscheinlich!", er seufzte leise, es war ihm wirklich sehr unangenehm darüber zu sprechen. Aber tatsächlich, Luca trug Kleidung, die er so zum Training oder Treffen mit der Mannschaft niemals anziehen würde. Das hieß natürlich nicht, dass die Klamotten deshalb schlecht waren, sie standen ihm eigentlich ganz ausgezeichnet, aber es fehlte halt lediglich das kleine Detail einer Marke. Wie es schien, hatte Luca ihnen da echt den perfekten Schwindel glaubwürdig gemacht. Die Klamotten, die er dort trug, dass iPhone, sein selbstbewusstes Auftreten... all das hatte man ihm wirklich geglaubt, ohne auch nur eine Sekunde daran zu zweifeln oder etwas zu hinterfragen.
Sie waren so unglaublich blind gewesen und nicht nur die anderen, nein auch er selbst hatte sich so einfach von der Fassade, die jetzt viel mehr einer Ruine glich, täuschen lassen. Julian wurde zum ersten Mal wirklich bewusst, wie oberflächlich doch auch er anscheinend geworden war.

Unknown FriendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt