Pläne

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Pläne

Am Nachmittag war Melissa, meine beste Freundin zu mir gekommen. Herzlich hatte ich sie in eine Umarmung gezogen und an mich gedrückt. „Oh, Süße. Ich hab dich sooo vermisst!“ sagte ich und drückte ihr einen Schmatzer auf die Wange. „Wie war‘s in Dubai?“ wollte ich dann wissen und setzte mich mit ihr an den Küchenblock, nachdem ich Kaffee gemacht hatte.
„Heiß.“ Entgegnete sie mir und lehnte sich zurück. „Es ist herrlich dort, aber schon jetzt im April unerträglich warm. Du weißt, ich mag kühlere Gegenden.“ Erklärte sie. Melli arbeitete als Stewardess und kam viel in der Welt herum, weshalb ich sie wenig zu sehen bekam. Aber wenn sie dann mal wieder im Lande war, nahm sie sich Zeit für mich.
„Und deine Mädels waren mal wieder beim Papa in London?“ wollte sie wissen.
„Ja, Henry hatte überraschend frei und wollte das natürlich nutzen. Wie gut, dass täglich Flieger nach London gehen.“ Lächelte ich.
„Und was hast du das ganze Wochenende alleine gemacht? Mal auf Männersuche gegangen?“
„Ich brauche keinen Mann.“
„Jede Frau braucht einen Mann.“
„Und was ist mit dir? Du hast schließlich auch keinen, oder?“
„Ich habe viele Männer.“ Kicherte sie und nahm einen Schluck vom Kaffee. „Ernsthaft, Smilla. Wann hattest du zuletzt einen Mann?“
„Vor etwa sechs Jahren. Und das Resultat sitzt oben und spielt mit ihren Plüschtieren.“ Grinste ich. Ja, Henry war der letzte Mann, mit dem ich Sex hatte. „Melli, ich brauche keinen Mann. Ich bin glücklich wie es ist.“ Versicherte ich ihr.
„Wie du so lange ohne Sex auskommst ist mir schleierhaft.“ Bemerkte mein Gegenüber.
„Bitte Themawechsel. Ich will nichts über das Sexleben meiner Mama wissen.“ Kam es von der Treppe.
„Da gibt es nichts zu wissen. Da gibt es nämlich keins.“ Lachte Melli und Claire hielt sich die Ohren zu, während ich meine beste Freundin geschockt ansah. Da fehlten mir die Worte.

Meine Tochter begrüßte ihre Patentante mit einer herzlichen Umarmung und setzte sich dann zu uns. „Mom, hast du das Geld für die Abifahrt eigentlich schon überwiesen?“ Wollte sie von mir wissen.
„ Natürlich habe ich das. Vor Monaten schon.“ Bestätigte ich.
„Oh, Abifahrt?“ fragte Melli. „Wo geht es denn hin?“
„London.“ Strahlte mein Kind über beide Ohren und ich schmunzelte.
„Sie kam kreischend von der Schule nach Hause als sie erfahren hatte, wohin es geht.“ Erzählte ich.
„Ich liebe London einfach. Es ist mein zweites Zuhause. Irgendwann werde ich nach London gehen und schauspielern, wie Dad.“ Plapperte sie. Das dies ihr Traum war wusste ich schon lange. Sie redete seit Jahren davon und vermutlich würde sie es auch schaffen. Sie hatte das Talent ihres Vaters und wirkte schon sehr lange in der Theatergruppe unserer Stadt mit. Sie hatte schon die ein oder andere Hauptrolle ergattern können. Und sie würde jegliche Unterstützung von mir bekommen.
„Da machst du deinen Paps sicher stolz.“ Vermutete Melli und Claire zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Manchmal glaube ich, er ist nicht so begeistert davon.“ Murmelte sie und spielte mit der Fernsehzeitschrift vor ihr.
„Natürlich hat er Bedenken. Es ist nicht einfach in der Branche, dass weißt du.“ Versuchte ich einzulenken. „Aber er würde dir nie Steine in den Weg legen.“

Mein Wunsch nach einer Schauspielkarriere stieß bei Dad immer etwas sauer auf, so kam es mir vor. Aber Mama hatte Recht. Er half mir immer wo er konnte.
Ich vermisste meinen Paps. Auch wenn ich heute Vormittag noch bei ihm in London gewesen war, so wollte ich am liebsten gleich wieder zu ihm. Aber mir war klar, dass das nicht ging. Umso mehr freute ich mich auf die Abifahrt. Ich wollte schon immer mal ins Madame Tussauds, aber Dad zierte sich immer. Er wollte nicht erkannt werden, wenn er mit uns unterwegs war. Es nervte, aber irgendwie konnte ich es ja verstehen. Das Harry Potter Museum war Ausnahme gewesen, weil kurz vor Schluss war. Er und Mama waren sich einig, dass es einfacher für uns sei, wenn die Öffentlichkeit nichts von mir und Ally wusste. Auch wenn ich es verstand, kotze es mich an. Meine Freunde hier wussten nichts von ihm, beziehungsweise wer er war. Nur meine beste Freundin Marina wusste es.
Dad war oft in gewissen Dingen strenger als Mama. Als ich ihn am Samstag gefragt hatte, ob ich auch ein Bier trinken dürfte, hatte er mich nur ganz verdattert angeschaut und es mir dann verboten. Mama war da etwas lockerer. Schließlich konnte sie es mir nicht mehr verbieten. Hier in Deutschland durfte man schließlich ab 16 Bier und Wein trinken. Mir war klar, dass man in England erst ab 18 Jahren Alkohol trinken durfte, aber es hätte ja klappen können.
Immerhin hatte ich es geschafft, dass Dad mich mal mit seinem Auto fahren ließ. „Ich durfte Dads Auto fahren.“ Erzählte ich nun stolz und Ma hätte fast ihren Kaffee wieder ausgespuckt. „Er hat dich ernsthaft seinen geliebten Bentley fahren lassen? Wie zum Geier hast du das geschafft? Hast du ihn bestochen?“ fragte Ma mich und lachte. „Nein. Keine Ahnung. Erst hat er mir den Vogel gezeigt, als ich ihn gefragt hatte, aber dann hat er mich auf einer leeren Landstraße doch mal fahren lassen. Und ist dabei fast 1000 Tode gestorben, während sich Ally hinten im Auto Schrott gelacht hat.“ Grinste ich und erinnerte mich an die Fahrt mit Dad. Ich hatte ein bisschen Probleme mit dem Schalten, denn ich war es ja bisher nur gewohnt mit rechts zu schalten, hier während meiner Fahrstunden. Und das Linksfahren hatte mir dann doch mehr zugesetzt, als ich gedacht hatte. Dad war innerhalb von 30 Sekunden mindestens 10 mal zusammen gezuckt und wollte mir ins Lenkrad greifen, was meine Schwester immer mehr amüsierte. Sie bekam ihren Lachflash und Dad Herzrasen und Panikattacken. Bis er mich letztendlich bat anzuhalten und ihn wieder fahren zu lassen. „Nächstes mal wird es besser.“ Hatte ich gesagt und er sah mich schockiert an. „Nicht  bevor du offiziell fahren darfst.“ Hatte er mir versichert.
Ich bereute es, dass ich meinen Führerschein nicht in England hatte machen können, denn dann hätte ich schon mit 17 alleine fahren dürfen. Und mit einem europäischen Führerschein wäre das auch schon legal in Deutschland gegangen. Aber da ich zu wenig Zeit dort verbrachte und keinen festen Wohnsitz in England hatte, ging das leider nicht. Das ärgerte mich echt.

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