Scheiße gebaut

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Dad hatte natürlich mit Mom geredet. Als sie mich anrief, konnte ich ihr gleich Entwarnung geben. Marina hatte den Test gemacht und der war negativ ausgefallen.
Trotzdem war ich noch sauer auf Dad. Ok, ich hätte vielleicht nicht Henry zu ihm sagen sollen, aber wir hatten uns angebrüllt, und dazu noch in der Öffentlichkeit. Er achtete auch sonst immer akribisch darauf, dass nichts an die Öffentlichkeit ging.
Ich war es Leid. Ich hatte da kein Bock mehr drauf. Mich verstecken zu müssen, so tun müssen, als wäre er nicht mein Vater. Ja, er stand zu uns, wenn es sein musste, doch freiwillig zugeben würde er es nicht. Ich verstand es, Ally jedoch nicht. Er hatte sich schon das ein oder andere mal rausreden müssen. Und es tat weh. Auch wenn ich wusste, das er uns niemals absichtlich weh tun würde und er uns nur schützen wollte, so war ich es dennoch Leid. Deshalb hatte ich Henry zu ihm gesagt. Ich hatte ihm wehtun wollen. So wie es mir wehtat, wenn er mich und Ally verleugnete. Wenn auch unfreiwillig. Das machte es nicht besser. Und das er mir nicht vertraute machte mich nur noch wütender. Dennoch hatte ich Mama versprochen, mich bei ihm zu melden. Auch wenn ich darauf  keine Lust hatte. Seine Entschuldigung hatte ich bisher ignoriert.

Ich wollte London genießen. Und das würde ich. Marina konnte London nun auch genießen. Es würde toll werden. Der Anfang würde Madame Tussauds machten. Schon immer wollte ich dort hin, aber noch nie hatte ich die Gelegenheit. Alleine hatte ich nie ungewollt.
Wir fuhren mit der U-Bahn hin. Alle Schüler hatten eine Oyster- Card bekommen. Bis auf ich, denn ich hatte meine schon seit Jahren.  Mit der konnte man problemlos mit der Undergroud fahren. Man lud die Karte auf und hielt die Karte vor die Schranken, wurde durchgelassen und es wurde ein Beitrag abgebucht. Das ging, so oft man wollte. Es stoppte bei einem Betrag von ein paar Pfund, dann konnte man den Rest des Tages frei fahren. Das war viel günstiger als die Day Travelcard.
Wir stiegen an der Baker Street aus und einige meiner Schulkameraden posierten für ein Fotos an der Sherlock Holmes Statue. Von dort aus waren es nur einige Meter bis zum Madame Tussauds. Draußen waren die Schlangen der Wartenden schon riesig. Wir hatten zwar schon Tickets, aber die Schlange hierfür war auch nicht gerade kurz. Bis wir endlich drin waren dauerte es locker zwei Stunden. Aber man konnte bis dahin schon einige lustige Sachen sehen und auch ulkige Fotos machen.
Dann endlich ging es los und wir starteten unseren Rundgang. Ich machte haufenweise Fotos, posierte neben Superstars und bedeutsamen Menschen. Ein Selfie mit Albert Einstein durfte auch nicht fehlen. Und natürlich setzte ich mich auch auf das Fahrrad und kutschierte ET durch die Gegend. Es war toll. Es machte Spaß und ich konnte einen Moment lang den Streit mit Dad vergessen.
Ich posierte noch neben Adelle, fotografierte Michael Jackson und gesellte mich zu den Beatles, ehe die anderen eine Pause machen wollten. Ariana setzte sich auf eine Bank, direkt gegenüber von… Superman. Wie er einen Helikopter stemmte. Na ganz toll.
Ich wollte nicht in das Wachs Gesicht meines Dads sehen. Ich seufzte und Marina sah mich entschuldigend an, denn sie wusste von dem Streit zwischen ihm und mir.
„Superman ist mega cool.“ Kam es von Mike. „Ich fand schon immer, das er DER Superheld überhaupt ist.“
„Und er sieht klasse aus“, kommentierte Ariana. „Claire, sag mal dein Vater. Kann es sein, das er mit Henry Cavill verwandt ist, oder so? Du heißt doch so? Er hat echt Ähnlichkeit mit ihm. Ist er das sogar?", fragte sie mich aus, doch ich antwortete nicht.
„Also ich finde auch, das er aussieht wie er. Aber er hat doch keine Kinder“, plapperte Mike. Er und Ariana fachsimpelten über Dads angeblichem Privatleben, die jungen Frauen, die er immer hatte und in mir kochte es. Ich trank einen Schluck Wasser aus meiner Plastikflasche. Ich wollte aufstehen und gehen. „Ist er jetzt dein Dad oder nicht?“ harkte Ariana nochmal nach und dann brach es aus mir raus. "Verammt, lässt mich doch alle in Ruhe!!" Schrie ich und mir rutschte die Wasserflasche aus der Hand. Mitten in Supermanns Gesicht. Ich fing an zu weinen und rannte zur Toilette, schloss mich ein.

Das vibrieren meines Handys ließ mich hochschrecken. Ich war  eingedöst. Ich griff danach und öffnete die Nachricht meiner Agentin. Sie hatte mir ein Bild geschickt, von Superman mit ramponierter Nase. Da konnte wohl jemand Superman nicht ausstehen. War nicht mein Bier.  
Doch dann dachte ich an Claire. Sie war doch im Madame Tussauds. Ich richtete mich auf und rieb mir müde das Gesicht.  Ich wollte gerade eine Nachricht an meine Tochter senden, als das Telefon in meiner Hand klingelte.
„Hallo?“ meldete ich mich und ich ahnte schlimmes. „Sind sie Mr. Henry Cavill?“, fragte eine dunkle, männliche Stimme.
„Wer möchte das Wissen?“ stelle ich die Gegenfrage.
„Ich bin Officer William Collins vom Polizeipräsidium Baker Street. Es geht um Claire Cavill- Steiner. Ist das ihre Tochter?“ wollte er wissen und ich seufzte. Ich legte meine Hand an meine Stirn und stützte meinen Arm auf meinem Knie. „Was hat sie angestellt?“ Ich ahnte, was nun kommen würde, doch ich hoffte, das dem doch nicht so war.
„Sie hat im Madame Tussauds randaliert und eine der Figuren beschädigt“, erläuterte der Officer und ich fluchte lautstark. „Ich bin unterwegs“, erklärte ich und legte auf.
Ich brüllte und musste mich zusammenreißen, nicht mein Telefon gegen die Wand zu pfeffern. Kal verkroch sich in sein Körbchen.
Ich zog mir Schuhe an und fuhr so wie ich war, in Schlabbershirt und Jogginghosen zum Präsidium.
Es wunderte mich nicht, das dort einige Reporter standen und ich fluchte nochmals, ehe ich aus dem Wagen stieg. Die Reporter wurden gleich auf mich aufmerksam, machten Fotos und stellten mir Fragen. Ich beantworte keine, sondern bahnte mir wortlos den Weg ins Innere des Gebäudes. Drinnen sah ich Claires Freunde von gestern Mittag sitzen und Marina warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Ich strich ihr beim Vorbeigehen sanft über ihre Schulter. Sofort hörte ich das Getuschel der Andern und bekam Bruchstücke mit, von wegen Dad und habs doch gesagt. Ich biss die Zähne aufeinander, bis man mich zu meiner Tochter brachte.
Die saß mit gesenktem Kopf vor dem Schreibtisch des Officers und wagte es nicht, den Blick zu heben udn mich anzusehen.
„Mr. Cavill?“, fragte er mich und als ich nickte, bot er mir den Platz neben meiner Tochter an. Ich setzte mich und sah sie an. Keine Reaktion ihrerseits. Ich sah das sie verweinte Augen hatte.  Was hatte sie so geritten, dass sie so reagiert hatte?
Der Officer erklärte mir, was vorgefallen war und zeigte mir Bilder, die mich nicht wirklich interessieren.  Er entschuldigte sich bei mir, was unnötig war. Mich interessierte nicht, das es die Figur von Supermann war, mit meinem Gesicht. Das war irrelevant. WAS Claire getan hatte war unverzeihlich. Nicht mir gegenüber, aber den Geschädigten. Zu denen man mich ironischerweise auch zählte.
„Ich werde mich mit meinen Anwälten zusammensetzen und mit meiner Versicherung alles in die Wege leiten. Ich werde dafür sorgen, dass das Museum entschädigt wird und das meine Tochter die gerechte Strafe dafür bekommen wird.“ Ah. Da steckte doch Leben in meiner Tochter. Entsetzt sah sie mich an, doch ich erwiderte es nicht. Ich würde sie nicht ganz aus der Scheiße reiten. Ich würde nur das beste für sie rausholen. Sie würde dafür geradestehen müssen. Sie hatte mächtig Scheiße gebaut und sie würde sie dafür büßen müssen.
Ich unterschrieb einige Formulare, dann konnte Claire gehen. Der Officer ließ uns einen Moment alleine. „Hast du mir was zu sagen?“, forderte ich meine Tochter auf, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Ich stand auf und baute mich vor ihr auf. „Verdammt, Claire , was ist in dich gefahren? Hättest du nicht einfach mir eine scheuern können, anstatt ein Kunstwerk von Hundertdausen Pfund zu demolieren?“ fuhr ich sie an und raufte mir die Haare. Ja ich war sauer, und das würde ich jetzt nicht verstecken.
Und was machte sie? Sie wischte sich trotzig eine Träne aus den Augenwinkeln. Das brachte doch nichts. Ich schnaufte und setzte mich wieder. „Da draußen sind jede Menge Reporter, die auf uns warten. Die wissen jetzt was Sache ist. Du hast gewollt, dass ich zu dir stehe in der Öffentlichkeit? Bitteschön. Da hast du deinen Auftritt.“ Sagte ich trotzig und lehnte mich zurück, verschränkte die Arme vor meiner Brust. Claire sah mich mit großen Augen ängstlich an. „Ich…. Hab das nicht gewollt“, schniefte sie. „Dafür ist es jetzt zu spät“, seufzte ich, wurde aber ruhiger. Mir war klar, das sie sich dem Ausmaß nicht bewusst war, oder es gar absichtlich getan hatte. „Aber gut. Irgendwann musste es ja so kommen. Ich hätte es nur gern anders gehabt.“ Ich stand auf. „Nimm deine Sachen und bleib dicht bei mir. Ich werde doch da durch lotzen. Schau nicht auf und sag kein Wort, verstanden?“ Fragte ich und sie nickte.
Ich legte schützend einen Arm um sie und drückte sie an meine Seite, während sie ihr Gesicht an meine Seite drückte und in meinem Shirt versteckte.  Ich ignorierte auch diesmal die Fragen der Reporter, vermied es, in die Kamera zu sehen. Ich setzte Claire ins Auto, beeilte mich um den Wagen zu kommen und setzte mich neben sie hinters Steuer.
„Alles ok?“ informierte ich mich und Claire nickte. Ich fuhr den Wagen an und musste gleich wieder abbremsen, weil mir ein Idiot mit einer Kamera vors Auto sprang und Fotos machte. Claire versteckte ihr Gesicht hinter ihrem Rucksack.
Ich fluchte, hupte und fuhr davon, als er endlich die Bahn freigab.
Wortlos fuhren wir nach Hause. Auch drinnen sagte Claire kein Wort. Sie zog ihre Schuhe aus und wollte sich nach oben in ihr Zimmer verkriechen, doch ich wollte das sie unten blieb. „Claire, bitte bleib hier. Ich will mit dir reden“, sagte ich bestimmt aber ruhig. Sie machte auf der zweiten Stufe kehrt und ging ins Wohnzimmer. Ich folge ihr und setzte mich auf den Wohnzimmertisch, während sie sich aufs Sofa setzte, ihr Füße anzog und ihren Kopf auf die Knie legte. „Willst du wirklich nichts dazu sagen?“, wollte ich wissen. Ich war am verzweifeln und wusste nicht, wie ich an sie rankommen sollte. „Claire bitte. Ich will doch nur verstehen, was dich da geritten hat?“ ich warf verzweifelt die Arme in die Luft, stand auf und tigerte im Wohnzimmer rum. „Es war mir einfach alles zu viel", find sie an. "Gestern der Streit, meine Freunde, die ständig auf mich eingeredet haben und alle, die dich so toll finden.“ Plapperte sie und nahm ihre Beine runter.
„Und deshalb wirfst du eine Flasche Wasser durch ein Museum und ramponierst eine der Figuren?“ fragte ich ruhig. Ich wollte es einfach verstehen.
„Das war keine Absicht. Ich hab einfach geschrien, dann ist mir die Flasche aus der Hand gerutscht und ist in Supermanns Gesicht gelandet.“ Versuchte sie zu erklären und ich stellte es mir bildlich vor. Ich musste beinahe lachen. Ich verkniff es mir und räusperte mich.
„Was ist der wahre Grund? Deine Freunde und der Streit waren vielleicht der Auslöser, aber der Grund deines Ausrasters war ein Anderer. Also?“ harkte ich nach. Zuerst hob sie die Schultern. „Du, denke ich“, gab sie schließlich zu und das überraschte mich nicht. Ich setzte mich zu ihr und sah sie aufmerksam an. „Es war zu viel für mich. Immer wieder dieses Versteckspielen, wenn du mich und Ally bittest, etwas Abstand zu halten, weil Papparazis in der Nähe sind.“ Erzählte sie weiter und ich sah, wie ihre Augen schimmerten. „Es tut weh. Immer wieder, obwohl ich es ja verstehen will und weiß, das du uns nie wehtun willst. Aber es tut weh. Ich hab dir gestern genauso weh tun wollen. Deshalb hab ich Henry zu dir gesagt. Und das heute hat alles aufgewühlt. Ich wollte so gern sagen, ja Henry Cavill ist mein Dad. Ich hätte es voller Stolz gesagt. Doch stattdessen muss ich den Mund halten, zuhören, wie andere über dich reden, über dein Privatleben, deine Betthäschen… „ es brach aus ihr heraus und sie find bitterlich an zu weinen. Mir zerbrach es das Herz und ich zog sie sofort in meine Arme, drückte sie an mich. „Ich will doch nur deine Tochter sein. Immer und überall.“ Schluchzte sie und ich hielt sie, strich ihr beruhigend über den Rücken. Verdammt, ich hatte es versemmelt. Ich war Schuld an der ganzen Misere. Ich wollte ebenso das es ein Ende hatte, aber ich hatte es mir anders gewünscht. Ich hatte ebenso voller stolz verkünden wollen: das sind meine Töchter. Nicht vor einer Polizeistation.
„Ich hab nicht gewollt, dass es so passiert, Dad. Es ist einfach passiert. Es tut mir leid. Ich werde es wieder gutmachen. Ich kann sagen, das du mein Onkel bist, oder so“, weinte sie und ich unterbrach sie. „Shhhh“, machte ich und wiegte sie. „Gar nichts wirst du sagen. Das ist meine Aufgabe. Der Drops ist jetzt gelutscht und ich werde jetzt nichts zurückziehen. Meine Handy läuft ohnehin schon heiß. Ich regle das.“ Ich löste mich von ihr, fasste sie an den Schultern und bat sie mich anzusehen. „Du bist meine Tochter. Immer und zu jeder Zeit, hörst du? Das Versteckspiel hat ein Ende.“ Versprach ich ihr. Meine Agentin würde mir die Hölle heiß machen, aber das war mir egal. Es war meine Familie und es wurde Zeit, das ich endlich Eier in der Hose bekam, diese auch als meine vorzustellen.
„Ich hab dich lieb Dad. Es tut mir leid.“ Schniefte sie und ich küsste ihre Tränen weg. Drückte sie nochmal an mich. „Ich hab dich auch lieb, Claire. Du ahnst nicht, wie sehr“, schwor ich ihr. „Du kannst jetzt auf dein Zimmer gehen, wenn du möchtest. Oder bleib einfach hier. Wie du willst. Ich muss jetzt ein bisschen Schadensbegrenzung treiben“, erklärte ich und zog mein Handy aus der Hosentasche, das schon wieder vibrierte. Natürlich war es meine Agentin. Ich erklärte ihr alles kurz und würgte sie dann ab. Ich musste Smilla informieren.

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