Die Woche Zuhause verging viel zu schnell. Smilla hatte einen Termin bei ihrer Ärztin, die uns versicherte, dass alles bestens war und, dass Übungswehen ganz normal waren. So konnte ich Smilla halbwegs beruhigt alleine lassen. Das Wochenende hatte ich mit meinen Mädchen genutzt. Claire hatte das Drehbuch von Sam zugeschickt bekommen und gemeinsam mit mir ging sie es durch. Sie hatte sowas vorher noch nie geschrieben gesehen und ich erklärte ihr, wie sowas lief. Sie war aufgeregt und hatte Schiss, alles zu vermasseln. Aber ich beruhigte sie, sagte, dass es völlig normal war, nervös zu sein, dass selbst ich oft noch nervös war. „Du? Du machst das doch schon so lange. Wie kann es, dass du dann nervös bist?“ hatte sie mich gefragt. „Kein Dreh ist gleich und irgendwas ist immer neu. Wenn man nicht aufgeregt oder nervös ist, hat man ein zu großes Ego und man wird schnell nicht mehr ernst genommen“, erklärte ich. „Ich habe Respekt vor jeder kleinsten Rolle, und den solltest du auch nie verlieren. Nichts ist selbstverständlich, auch wenn man drei mal Superman gespielt hat. Ich muss mich noch immer anstrengen und alles geben, um eine Rolle zu bekommen, die ich wirklich will. Was meinst du wie ich mir den Arsch aufgerissen habe, nur um die Rolle von Geralt zu bekommen. Ich wollte sie unbedingt. Ein Nein wollte ich nicht akzeptieren. Also musste ich die Produzenten davon überzeugen, dass nur ich in Frage kommen würde. Das ist alles andere als einfach. Vor allem, wenn man mitbekommt wer noch alles im Gespräch war.“ „Wer denn zum Beispiel?“ hatte Claire wissen wollen. „Jason zum einen.“ „Momoa?“ hakte sie nach. „Ja. Ich mein, sieh ihn dir an. Er ist ein Hüne und von Natur aus breit. Sein Gesicht alleine spricht schon eher für Geralt als meins. Er strahlt die Härte aus. Und er ist einfach eine coole Sau,“ lachte ich schließlich und Claire kicherte. „Ja, stimmt. Er ist echt extrem cool. Du hast noch Kontakt zu ihm oder?“ „Ja, ab und zu. Wir haben beide wenig Zeit, aber vielleicht wird’s ja nochmal was mit einem gemeinsamen Dreh. Weißt du, er war einer der wenigen, denen ich von dir und Ally erzählt habe. Ich hab ihm einfach vertraut und er hat mich nicht enttäuscht.“ Claire lächelte und lehnte sich an mich. „Ich werde dich ganz schön vermissen, wenn du wieder weg bist. Früher war das normal, dich wochenlang nicht zu sehen. Aber jetzt…“ murmelte sie und ich drückte ihr einen Kuss an die Schläfe. „Ja, ich weiß was du meinst.“ Solche Momente zwischen Claire und mir waren selten geworden und ich hielt an ihnen fest.
Ich rutschte tiefer in den Sitz des Flugzeugs und schloss die Augen. Ich hoffte auf ein paar Stunden Schlaf, denn ich wusste, wie voll mein Terminkalender schon nach der Landung war. Ich liebte meinen Job, doch im Moment hätte ich einfach ein bisschen mehr Zeit Zuhause. Ich hatte gerade erst geheiratet und war eigentlich noch mitten in den Flitterwochen, die Smilla und ich nicht mal hatten. Spätestens in den Frühjahrsferien würde ich mit meiner Frau und meinen Kindern in Urlaub fahren. So richtig und irgendwo hin, wo es warm war. Am Liebsten auf einer Yacht, aber da würde Smilla nicht mitspielen, das wusste ich schon jetzt.
Der Abschied von meinen Mädchen war mir schwer gefallen und ich hatte wirklich am meisten Schiss davor, dass ich wohlmöglich nicht pünktlich zur Geburt wieder Zuhause sein könnte. Aber sollte es wirklich soweit sein, dass ich kurzfristig abreisen musste, stand ein Charterflug auf Abruf bereit. Ich hatte darauf bestanden, denn ansonsten hätte ich mich geweigert überhaupt nach New York zu fliegen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und doch tatsächlich ein oder zwei Stunden Schlaf landete ich. Kal hatte ich dieses Mal schweren Herzens Zuhause gelassen. Aber Zuhause hatte er es einfach besser mit dem großen Garten und allem, als bei mir zwischen Hotelzimmer und Trailer zu wechseln. Es war komisch ohne ihn, aber für die paar Wochen würde es schon gehen.
Wie immer nahm mich Daniel in Empfang und kaum, dass wir im Wagen saßen, wollte er mit mir die Termine durchgehen. „Halt fünf Minuten die Luft an, ja? Lass mich eben Zuhause anrufen, bitte", schnitt ich ihm das Wort ab und er verstummte. Es tutete keine zwei Mal und schon hatte ich meine Frau am Telefon. „Hey Baby. Bist du gut angekommen?“ hörte ich sie mit ihrer sanften Stimme fragen. „Hey, Honey. Ja der Flug ruhig. Nur wie immer viel zu lang“, antwortete ich. „Und wie vollgepackt ist dein Terminkalender heute noch?“ wollte sie wissen. „Das Übliche. Friseur, Fototermin mit dem aktuellen Cast, Interwiews, zum Abschluss Essen", zählte ich auf. „Oh je.“
„Naja, je mehr ich arbeite, umso weniger Zeit habe ich, um euch zu vermissen. Sind die Mädels schon im Bett?“
„Ally sitzt noch neben mir und wartet darauf, dass du ihr gute Nacht sagst. Claire ist bei May, sie arbeiten an einem Biologie Teamprojekt“, erzählte sie. „Ok, ich werde ihr gleich schreiben. Gibst du mir mein Monsterchen?“ fragte ich und kurze Zeit später hatte ich meine Kleine am Telefon. „Papi, liest du mir eine Geschichte vor?“ fragte sie sogleich. „Monsterchen. Ich hab doch gar kein Buch hier. Das muss Mama heute machen“, bedauerte ich. „Oke", murmelte sie. „Wie wars im Kindergarten?“ fragte ich sie. „Toll. Ich hab mit Tony eine Burg gebaut im Sandkasten. Aber Katy hat sie kaputt gemacht. Dafür haben wir sie mit Sand beworfen." „Spatz, das macht man aber nicht“, tadelte ich. „Doch. Mama hat gesagt, die Ziege hat es verdient", brummelte sie und ich verkniff mir ein Lachen. „Wir haben nächste Woche einen Zukunftstag. Unsere Eltern stellen ihren Beruf vor“, berichtete sie mir fröhlich. „Tut mir Leid, dass ich nicht kommen kann“, bedauerte ich. „Macht nichts. Ich wollte eh, das Mama kommt und erzählt.“ Uff. „Okay.“ Naja, ich brauchte mir nichts vorzumachen. Mir war klar, dass sie die Schauspielerei nicht wirklich interessierte. Sie wollte Tierärztin werden, wie ihre Mom. Und das war absolut in Ordnung. „Ich wünsche dir gleich eine gute Nacht, Monsterchen. Pass schön auf Mami auf.“
„Mach ich, Papa. Schlaf du auch nachher gut. Hab dich lieb", verabschiedete sie sich. „Hab dich auch lieb", erwiderte ich und hatte meine Frau wieder am Telefon. „Ich denke, ich sollte sie ins Bett bringen. Sie ist schon drüber.“ „Ist ok. Schreib mir, bevor du ins Bett gehst, vielleicht hab ich dann kurz Zeit“, schlug ich vor. „Mach ich. Bis später. Ich liebe dich.“ „Ich liebe dich auch, Mrs Cavill", säuselte ich. Ich liebte es, sie so zu nennen.
Ich legte auf, schrieb kurz meiner ältesten Tochter und steckte das Telefon weg. „So, jetzt darfst du", wand ich mich meinem Assistenten zu. „Mrs Cavill? Hab ich was verpasst?“ fragte mich Daniel und ich grinste. „Ja, hast du", bestätigte ich ihm und hob meine Hand mit meinem Ehering. „Wow", entkam es ihm und er zog meine Hand zu sich, begutachtete meinen Ehering. Manchmal, in Momenten wie diesem, beschlich mich das Gefühl, dass Daniel schwul war. Ich traute mich aber nicht, danach zu fragen. „Glückwunsch. Wann?“ fragte er. „Danke. An Silvester“, erklärte ich. Daniel räusperte sich. „Ok, zurück zur Arbeit. Aber eigentlich hast du schon alles auf dem Schirm.“
„Ja, Jo hat mir schon vorab die Termine zukommen lassen“, erwähnte ich und lehnte mich zurück. „Also hab ich noch ein paar Minuten?“, wollte ich wissen und Daniel nickte. Ich schloss die Augen und entspannte noch einen Moment, ehe wir am Hotel ankamen. Ich checkte nur kurz ein und schon ging es weiter zum Friseur. Anschließend zum Fototermin. Sam und ich begrüßten uns mit einer dicken Umarmung. „Na, hast du deinen Urlaub genossen?“ fragte ich und grinste ihn vielsagend an. „Smilla kann echt den Mund nicht halten, oder?“ beschwerte er sich, grinste aber breit. „Muss in der Familie liegen", floppte ich ihn. Ich wusste, dass zwischen ihm und Melissa was gelaufen war, aber nicht, wie ernst es ihnen war.
„Hey, bekomme ich gar keine Beachtung?“ kam es von Scarlett und ich zog sie sogleich in meine Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Entschuldige, Süße. Natürlich bekommst du Beachtung. Mehr als er", zwinkerte ich und deutete auf Sam, der mir gleich auf den Arm boxte. Ich lachte und wand mich dann meinem neuen Kollegen Robert zu. Ich reichte ihm die Hand, die er mit einem Lächeln ergriff und sich vorstellte. „Oh mein Gott, Henry!“ rief Scarlett plötzlich aufgeregt, so dass ich erschrak. Sie ergriff meine Hand und zog sie an sich. Ich lachte. „Du hast geheiratet?“ fragte sie fassungslos. „Ja, hab ich“, gab ich grinsend zu. „Und du hast mich nicht eingeladen?“ tat sie beleidigt. „Es war nur in ganz kleinem Kreis. Nur Familie und unsere engsten Freunde“, erklärte ich und sie ließ meine Hand los, umarmte mich wieder. „Ich freu mich so für dich. Endlich.“ Lächelte sie. „Warst du da?“, fragte sie dann an Sam gerichtet. „Natürlich“, grinste dieser. „Meinen Glückwunsch. Kennt ihr beide euch schon länger?“ fragte mich Robert und deutete auf Sam. „Nein, erst seit dem Dreh. Er ist der Cousin meiner Frau. Ist ne längere Geschichte“, lächelte ich. „Dann hast du ja beim Essen genug Zeit, sie mir ausführlich zu erzählen", zwinkerte er und wir widmeten uns anschließend der Arbeit.
Robert war ein wirklich netter Zeitgenosse und ich verstand mich auf Anhieb mit ihm. Er war ein Familienmensch wie wir alle, das harmonierte demnach ziemlich gut. Ich war erleichtert. Das Shooting machte Spaß und die Zeit verging im Nu. Nach dem Shooting gab es ein paar Snacks, bevor es weiter zu den Interviews ging. Die Fragen waren typische Standartfragen, die ich routiniert wie die anderen beantwortete. Obwohl gebeten wurde, von privaten Fragen abzusehen, wunderte es mich dennoch nicht, dass ein oder zwei Fragen zu unserem Privatleben gestellt wurden. Unter anderem mir. „Henry, du trägst einen neuen Ring. Hat das was zu bedeuten?“ fragte mich mein gegenüber und ich blickte auf meinen Ring und lächelte. „Ja, hat es“, bestätigte ich. „Und was?“
„Wonach sieht es denn aus?“ stellte ich die Gegenfrage. „Wie ein Ehering.“ „Bitte, da haben sie ihre Antwort", sagte ich, aber mehr verriet ich nicht. „Ist euer Baby schon da?“ fragte er zuletzt. „Nein. Ein paar Wochen haben wir noch“, erzählte ich und wir beendeten das Interview.
Bis zum Essen war noch ein wenig Zeit und ich hatte die Möglichkeit mich ein bisschen zurück zu ziehen. Jetzt vermisste ich Kal, denn für gewöhnlich nutzte ich diese Zeit für eine Gassirunde.
Ich legte mich aufs Bett und warf einen Blick auf mein Handy. Smilla hatte mir bereits vor ein paar Stunden geschrieben und gute Nacht gesagt. Ich schickte ihr eine kurze Sprachnachricht. „Schlaf gut, Honey. Ich hab grad eine kleine Verschnaufpause, bevor es zum Essen geht. Ich bin müde und könnte auf der Stelle schlafen. Vermutlich falle ich später einfach tot ins Bett. Ich wünsche dir eine ruhige Nacht. Du fehlst mir und ich liebe dich.“
Ich sah auf die Uhr. Ich hatte noch eine knappe Stunde, also erlaubte ich mir, die Augen zu schließen. Leider vergaß ich, den Wecker zu stellen und ein lautes Klopfen ließ mich aufschrecken. Müde rieb ich mir das Gesicht und öffnete die Tür. „Henry verdammt, wo bleibst du?“ fragte mich Sam. „Bleib locker. Wir haben doch noch Zeit“, brummelte ich und gähnte. Verdammter Jetlag.
„Noch Zeit? Hast du mal auf die Uhr gesehen?“ fragte er und ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. „Fuck!“ entfuhr es mir. „Ich bin eingepennt.“ „Beeil dich. Die anderen warten schon.“ „Ja, ja. Gib mir fünf Minuten", brummte ich und eilte ins Schlafzimmer, zog mich um. Kurze Zeit später standen wir im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten. Ich fühlte mich wie überrollt. „Wie kannst du nur so fit sein? Macht dir der Jetlag überhaupt nicht zu schaffen?“ fragte ich den Schotten neben mir. „Bin schon seit gestern da. Melissa musste wieder los", erklärte er. „Aha…. Und wie läuft es zwischen euch?“ fragte ich vorsichtig. „Gut", sagte er nur und grinste. „Aha", machte ich wieder und stieß ihn mit dem Ellenbogen an. „Versieb es nicht, sonst bekommst du es mit meiner Frau zu tun“, warnte ich ihn. „Ich habe nicht vor, es zu versieben. Wir gehen es langsam an“, lächelte er und sah wirklich glücklich aus.
Die Fahrstuhltür öffnete sich und ich klopfte ihm auf die Schulter bevor ich den Fahrstuhl verließ.
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Familienbande
Fiksi PenggemarHenry Cavill ist einer der begehrtesten Schauspieler und Junggesellen. Doch das er zwei Töchter hat, weiß kaum jemand.