Angekommen

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„Jetzt geh endlich. Um so eher bist du wieder hier“, hatte Smilla beinahe gedrängelt. Sie hatte mich zum Flughafen gebracht, damit ich nach New York fliege, um diesen Film endlich zu Ende zu drehen. „Ich will aber nicht“, hatte ich gebrummelt, und sie ein weiteres Mal in meine Arme gezogen. Ich hatte sie und meine Kinder nicht alleine lassen wollen. Aber es hatte sein müssen, also war ich geflogen. Das war vor ziemlich genau zwei Wochen und heute feierten wir Drehschluss. Eigentlich hatte ich sofort nach dem Fall der letzten Klappe die Koffer schnappen und nach Hause fliegen wollen. Doch Sam und Scarlett hatten mich überredet, erst morgen zu fliegen. Die Feier war noch im Gange, aber so richtig Lust hatte ich nicht. Ich hatte Heimweh. Das erste Mal nach Ewigkeiten hatte ich richtiges Heimweh. „Jetzt guck nicht so bedröppelt. Morgen fliegen wir ja nach Hause", lachte Sam und drückte mir ein Glas Whisky Cola in die Hand. Ich seufzte, stieß mit ihm an und trank einen großen Schluck. „Ich brauche echt ne Pause“, murmelte ich. „Vom Alkohol? Dafür hast du aber grad ziemlich durstig gewirkt", scherzte Sam. „Idiot. Du weißt, was ich meine.“
„Ja, das weiß ich. Und die hast du ja jetzt. Ich beneide dich ein wenig. Frau, Familie. Es ist schön, zu wissen, dass da jemand auf einen wartet", murmelte Sam jetzt. „Du hast doch auch jemanden, der auf dich wartet", wand ich ein. „Naja, ich hab jemanden, auf den ich mich freuen kann. Melissa arbeitet. Keine Ahnung, wann wir uns das nächste Mal sehen.“ Er lachte bitter auf. „Die Frau hat weniger Zeit als ich. Ich habe nicht mal eine Ahnung, wo sie gerade ist", schnaufte er und nippte an seinem Whisky. „Ob das Zukunft hat? Ich bin verrückt nach ihr. Aber wie soll eine Beziehung so standhalten, oder besser gesagt, wie soll man so eine Beziehung aufbauen können?“ Er war durcheinander und zweifelte, das war mir klar. „Rede mit ihr. Ich weiß von Smilla ein paar Dinge, die du noch nicht weißt. Also rede mit Melli. Ihr ist es so Ernst mit dir, wie noch mit keinem Kerl. Ruf sie an“, lächelte ich ihn aufmunternd an. „Jetzt gleich?“, fragte er mich und ich lachte. „Oder morgen früh. Keine Ahnung, wann ihr sonst so telefoniert.“
„Ihr redet echt über alles, oder?“, fragte er mich dann und ich wusste, dass er Smilla und mich meinte. „Ja, tun wir.“
„Also keine Alpträume mehr?“, fragte er mich und ich verdrehte die Augen. „Es kann echt lästig sein mit jemanden aus der Familie zusammen zu arbeiten", murrte ich und hoffte,er würde es dabei belassen, doch das tat er natürlich nicht. „Doch, ab und zu habe ich die noch. Aber damit komme ich klar. Wenn sie dann neben mir liegt, ist die Panik vorbei", erklärte ich also. Ich redete immer noch nicht gern darüber. Aber manchmal war es gar nicht so verkehrt. Und Sam kannte die Geschichte.
„Und wenn nicht?“, wollte er wissen und ich stöhnte auf. Ja dann konnte es schon mal passieren, dass ich Nachts meine Frau anrief, aber dann war es ok. „Sam, es geht mir gut. Mach dir keinen Kopf. Gott, du weißt einfach zu viel über mich. Ich bin echt froh, jetzt nicht mehr mit dir zusammen arbeiten zu müssen", stöhnte ich theatralisch. "Jetzt muss ich dich nur noch ab und zu ertragen", scherzte ich und Sam lachte. „Vergiss die Promotour nicht.“ „Ich werde nur in England und in einigen Städten in Europa dabei sein", erinnerte ich ihn. „Jetzt ist meine Familie dran. Mason wird schon zwei Monate und ich hab sein erstes Lächeln verpasst. Ich will jetzt nichts mehr verpassen. Das habe ich schon bei meinem Mädchen viel zu viel", erklärte ich und Sam klopfte mir auf die Schulter. „Solche Probleme wünsche ich mir auch", grinste er. „Ruf Melli an. Ich geh jetzt aufs Zimmer und werde packen. Und mit viel Glück kriege ich heute Nacht noch einen Flug nach Hause.“ Ich trank meinen Jacky Cola aus und stellte das Glas auf den Tresen. Ich wuschelte Sam grinsend durch seine blonden Haare und ließ ihn sitzen. Ich sah noch, wie er sein Handy aus der Hosentasche zog und darauf rumtippte. Ich wusste, das Melissa vor ein paar Tagen Hals über Kopf ihren Job geschmissen hatte, nachdem der Pilot mit dem sie wohl eine Zeit lang was am Laufen hatte, nicht positiv über ihre Abneigung reagiert hatte. Seit dem war sie Gast bei uns Zuhause.

„Wohin so eilig?“, fragte mich Robert, der mir auf dem Hotelflur entgegen kam, als ich mit gepackten Sachen mein Hotelzimmer verlassen hatte. „Nach Hause. Ich hab einen Nachtflug bekommen. Zwar Holzklasse. Aber was solls", schmunzelte ich. Lächelnd klopfte er mir auf die Schulter. „Gute Reise. Grüß mir deine Frau und sag ihr, ich freue mich darauf, sie kennenzulernen. Sie kommt doch mit zur Premiere oder?“, fragte er. „Ich schätzte schon. Machs gut Robert. Bis bald", verabschiedete ich mich und er zog mich in eine kurze, freundschaftliche Umarmung. Ich checkte im Hotel aus, stieg in ein Taxi und ließ mich zum Flughafen fahren. Unterwegs tippte ich Smilla eine Nachricht, dass ich auf dem Weg nach Hause war und die Uhrzeit, wann ich landen würde. Ich rechnete nicht mit einer Antwort und war umso überraschter, als sie mich anrief.

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