Kanada

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Wie schon befürchtet, bekam ich Nachts kein Auge zu. Immer wieder schaute ich aufs Handy, in der Angst, eine alarmierende Nachricht von Smilla zu verpassen, aber dem war nicht so. Es blieb ruhig. Ich wäre am liebsten im Krankenhaus geblieben, aber das ging nicht. Und ich konnte Kal nicht die ganze Zeit bei Sam lassen. Ich war ihm dankbar, und die beiden hatten sich sehr gut verstanden, aber dennoch war Kal mein Hund, und ich musste mich um ihn kümmern.
Ich hatte noch einen ausgiebigen Gang mit ihm gemacht und auch hier waren die Papparazzi auf Jagt. Ich ignorierte sie so gut es ging und hatte sie ihre Fotos machen lassen. Fragen stellten sie mir nicht. Mir war klar, das die Nachricht, das ich verlobt war und noch ein Kind bekam, Aufmerksamkeit auf mich gezogen hatte. Ichbkonnte damit umgehen, aber Smilla würde sich erst dran gewöhnen müssen. Das sie interessant war.
Auch als ich am Morgen meine Runde mit Kal machte, waren sie anwesend. Bereits am Hoteleingang wurde ich belagert. „Wie geht es deiner Verlobten Henry, ist ihr was passiert?“, fragte mich so ein Typ und ich funkelte ihn an. „Warst du das? Bist du ihr auf die Pelle gerückt und hast sie nicht in Ruhe gelassen?“, fragte ich sauer, und Kal knurrte. Kal war ein friedlicher Hund, der immer brav und artig war, auch wenn Papparazzis zugegen waren. Seine Reaktion zeigte mir, dass ich richtig lag. Mein Gegenüber schluckte. „Ich hab sie nicht angefasst, das schwöre ich“, wehrte er ab und ich wurde richtig sauer. Ich packte ihn am Kragen und zog ihn zu mir. „Komm ihr noch einmal zu Nahe und ich mach dich fertig", warnte ich ihn und ließ ihn los, so dass er taumelte. Ich ließ ihn links liegen und ging meine Runde mit Kal, der angespannt und knurrend neben mir stand. Ich zog kurz an seiner Leine und er folgte mir auf dem Fuß.
Auch im Park lauerte man mir auf und so langsam war ich echt genervt. Hier in America waren die Papparazzi so viel aufdringlicher als in Europa, weil es leider die Gesetze zuließen.
Mir wurden hier zwar keine Fragen gestellt, aber ich sah gleich drei Typen mit Kameras. Kals Runde fiel daher leider etwas kleiner aus. Mein Handy ging und mein Display verriet mir, dass es Smillla war. „Hey", begrüßte ich sie. „Hi, Baby. Du darfst mich abholen“, flötete sie mir fröhlich ins Telefon. „Sehr schön. Ich komme so schnell ich kann. Bis gleich", lächelte ich und legte auf. Ich hielt mich so kurz es ging, denn wer wusste schon, wie gut die Ohren der Papparazzi waren. Ich beendete meine Runde mit Kal und ging zum Hotel zurück, wo nochmal ein Fotograf an der Tür stand und keinen Meter zur Seite ging, als ich durch wollte. Ich drängte mich durch und reckte ihm meinen Mittelfinger entgegen. Manchmal musste es eben so sein, auch wenn meine Eltern mir eigentlich Anstand beigebracht hatten.
Im Fahrstuhl klingelte mein Handy nochmal. Es war Claire. „Hey Prinzessin“, begrüßte ich sie. „Dad, was ist mit Mama?“, fragte sie sofort. „Es geht ihr gut. Ich hole sie gleich ab“, beruhigte ich sie. „Was ist denn überhaupt passiert?“, wollte sie wissen und ich erzählte es ihr, während ich Kal von der Leine ließ und ihm Wasser und Futter gab. „Kommt ihr denn heute?“ erkundigte sich meine Tochter. „Das hoffe ich. Das erfahre ich gleich, wenn ich deine Ma hole“, sagte ich. „Ok, sag mir Bescheid, ja?“ bat sie mich und verabschiedete sich dann.
Ich fuhr ins Krankenhaus, wo Smilla bereits angezogen auf ihrem Bett saß. Ich begrüßte Sie mit einem Kuss. Als der Arzt nochmal kam, erkundigte ich mich ganz genau und fragte drei mal nach, ob es wirklich ok wäre, wenn Smilla fliegen würde. Er versicherte es mir mehrmals und so saßen wir ein paar Stunden später schon im Flugzeug nach Kanada. Am meisten freute ich mich auf meine Mädchen. Ich hatte sie sehr vermisst.
Fliegen würde wohl nie meine Leidenschaft werden, aber mit Smilla war es wenigstens nicht langweilig. Das Ipad lag zwischen uns und so spielten wir eine Rund Mensch ärgere dich nicht. Sie lag vorn. Während sie schon drei Männchen im Haus hatte, hatte ich erst eins drin und das zweite stand unmittelbar davor.  Die anderen beiden eierten noch vorn rum. Smilla hatte mich oft abgeworfen. Wie auch jetzt. Sie würfelte eine fünf und hatte mein Männchen, welches vor meinem Haus stand, wieder zurück gekickt. „Das gibt’s doch nicht. Du bist doof", ärgerte ich mich und Smilla lachte, stubste mich mit dem Ellenbogen an. Ich schnaufte und würfelte die eins, die ich die ganze Zeit so dringend gebraucht hatte. Wieder lachte Smilla.  Na Hauptsache sie hatte ihren Spaß. Nach der Runde, die ich ganz überraschend verlor, las ich Smilla noch etwas aus der Hexer Saga vor. Sie entspannte und schloss die Augen, während ich den Arm um sie gelegt hatte und ihr über den Arm strich.
Nach vier einhalb Stunden Flugzeit waren wir endlich da. Mom holte uns mit Ally ab, die gleich auf uns zugerannt kam. „Papi!“ rief sie, sprang in meine Arme und knuddelte mich. Ich drückte sie an mich und gab ihr einen dicken Schmatzer. „Oh, hab ich dich vermisst", sagte ich und drückte sie nochmal an mich, ehe sie ihrer Mutter um den Hals fiel. Ich behielt sie dabei jedoch auf den Arm, denn Smilla sollte nicht mehr schwer tragen.  „Mami, du hattest einen Unfall?“ fragte Ally besorgt. „Ja, aber mir geht es gut“, versicherte sie ihr lächelnd und ich stellte Ally wieder auf ihre Füße. Sie legte ihre Händchen auf ihrem Bauch. „Und meinem Babybruder auch?“ fragte sie und Smilla warf mir einen fragenden Blick zu. Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte nichts verraten. „Deinem Geschwisterchen geht es auch gut“, sagte Smilla und wir begrüßten Mom. Ich packte die Koffer in den Kofferraum und stieg auf der Beifahrerseite ein. Smilla setzte sich nach hinten zu Ally. Wir fuhren zum Ferienhaus, welches wir gemietet hatten, wo Claire uns auch schon sehnlichst erwartete. Sie begrüßte als erstes Smilla und ihr ungebprenes Geschwisterchen und vergewissere sich, dass es ihnen wirklich gut ging. Dann umarmte sie mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Wann rasiert du dich endlich?“ fragte sie und ich lachte. „Dauert noch", grinste ich. „Hast du an mein Autogramm von Sam gedacht?“ fragte sie mich und ich lachte. „Nein. Hab ich nicht. Das liegt noch im Hotelzimmer in New York. Aber das ist eh ziemlich uninteressant. Deine Mutter hat eine viel interessantere Nachricht“, lenkte ich ein und Claires Augen wanderten zu Smilla. Smilla sah mich hilfesuchend an, aber das war ihre Story. „Mama, was faselt er da?“ fragte sie und ich überging den Ton, den sie eingeschlagen hatte. Smilla lächelte. „Ich habe meinen Vater gefunden“, begann sie. „In New York?“ fragte Claire irritiert. Smilla lachte. „Nein, er lebt in Schottland. In New York hab ich meinen Cousin gefunden. Sam", sagte Smilla und Claire stand stumm da und raffte nichts. „Sam? DER Sam?“ machte es Klick in ihrem Kopf und sie wandt das Gesicht zu mir. Ich nickte nur. „Sam Heughan ist also dein Cousin?“ fragte sie nochmal und Smilla bejahte. „Also mein Großcousin…“ schlussfolgerte sie. „Wow…“ sie setzte sich auf einen Küchenstuhl. „Das muss ich erst mal sacken lassen.“
Ich lachte und begrüßte schließlich meinen Bruder Simon, und dann mein Patenkind. Ich mopste mir den kleinen Knirps, der selig schlief, aus dem Stubenwagen und betrachtete ihn lächelnd, während Smilla ihre aufregende Geschichte erzählen musste. Dann stand Smilla neben mir und lächelte. „Babys stehen dir wirklich ausgezeichnet“, lächelte sie und ich gab ihr einen Kuss. Anschließend brachte ich unsere Koffer ins Schlafzimmer. Wir hatten zwei Ferienhäuser angemietet, die direkt nebeneinander standen. In diesem hier schliefen meine Familie meine Eltern und Simon mit Frau und Kind, während im anderen, größeren, meine Brüder Piers und Nick mit ihren Familien übernachteten.
Nach einem kleinen Mittagessen, entschuldigte sich Smilla. Sie wollte sich ein wenig ausruhen. Ihre Hüfte schmerzte, das sah ich ihr an. Ich packte Ally dick ein, schnappte mir meinen Hund und ging mit beiden nach draußen. Hier lag schon dick Schnee und Kal liebte es. Er sprang wie ein wild gewordenes Reh durch den Schnee, kam wieder angerannt und flitzte wieder los. Ally lief ihm hinterher und versuchte mit ihm mitzuhalten. Kal drehte sich, rannte in die gegengesetzte Richtung, schlug einen Haken und rannte dann Ally um, die lachend mit ihrem Hintern im Schnee landete. Hund und Kind tobten noch eine Weile, bis Allys Finger eiskalt waren und Kal hecheln im Schnee lag. „Komm Monsterchen, ich mach die einen warmen Kakao“, lockte ich meine Kleine und sie folgte mir ins Haus. Kal trocknete ich im Flur ab, ehe ich ihn ins Haus ließ. Ich machte Ally wie versprochen einen warmen Kakao und trank selbst einen.
Ich gähnte und beschloss, mich auch nochmal kurz aufs Ohr zu hauen. Geschlafen hatte ich schließlich kaum in der letzten Nacht. Leise schlich ich ins Schlafzimmer, zog meine Jeans aus und legte mich zu meiner Verlobten. „Ih. Du bist kalt", beschwerte sie sich, rutschte aber näher an mich. „Ich war draußen, hab Kind und Hund müde gemacht“, erklärte ich schmunzelnd. „Aha. Und deswegen legst du dich jetzt hin und Ally hört man munter durch das ganze Haus?“ kicherte sie und ich stimmte mit ein. „Hab kaum geschlafen letzte Nacht“, erklärte ich dann und legte meinen Arm um Smilla.

FamilienbandeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt