Koffeinfreie Karamel Latte

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Ich wünschte mir die unmenschliche Müdigkeit vom Vorabend zurück. Ich lag im Bett und starrte aus dem Fenster über mir. Die Nacht war klar und ich konnte die Sterne sehen. Ich war müde, aber nicht müde genug. Und sobald ich meine Augen schloss, sah ich wieder diese Bilder. Und sobald ich langsam in den Schlaf driftete, schreckte ich aus einem schlimmen Traum hoch. Ich schaute auf die Uhr. Es war weit nach Mitternacht und in wenigen Stunden würde ich die Mädchen wecken müssen.
Ich verfluchte mein gutes Gedächtnis und setzte mich auf. Schlafen würde ich eh nicht können. Vielleicht würde mich lesen ablenken. Also ging ich leise nach unten und holte mein iPad unter dem Couchtisch hervor, schlich damit wieder nach oben, rannte dort gegen eine Wand. Oder besser gesagt gegen den Cousin meiner Frau. „Verdammt, Sam", fluchte ich leise, um meine Mädchen nicht zu wecken. Verpennt sah er auf seine Uhr. „Du bist noch wach? Oder schon wieder?“ fragte er. „Beides", murmelte ich. „Ich kann nicht schlafen und hatte gehofft, dass mir Lesen die nötige Ablenkung dafür gibt.“ „Ablenkung?“ fragte Sam nun munterer und ich seufzte. „Willst du wirklich nicht drüber reden?“ gab er mir nochmal die Chance, doch ich schüttelte den Kopf. „Ich würde das einfach gern abhaken und vergessen", brummelte ich und Sam nickte. „So schlimm, also.“ „Sam…“ warnte ich ihn. „Ja, ich hab schon verstanden. Vielleicht hilft die ein anständiger Drink, damit du schlafen kannst", schlug er vor. „Danke, aber ich bezweifle, dass einer reichen würde. Ich versuchs erstmal damit", murmelte ich und hielt mein iPad hoch. „Gute Nacht", wünschte ich ihm und ließ ihn im Flur stehen, ging wieder hoch in Smillas und mein Schlafzimmer und legte mich ins Bett. Ich rief das letzte Buch auf und begann zu lesen. Erst hatte ich ein wenig Schwierigkeiten, mich darauf zu konzentrieren, doch dann ging es. Dennoch wollte sich nicht die nötige Ruhe einstellen, die mich Schlafen ließ.  Irgendwann, erst kurz vor dem Weckerklingeln schlief ich mit dem Ipad in der Hand ein.
Natürlich war ich gerädert und absolut unausgeschlafen, als der Wecker ging und nur mir Mühe quälte ich mich hoch und weckte meine Mädchen, machte ihnen Frühstück und brachte Ally zum Kindergarten. Sam schlief noch.

„Man, siehst du scheiße aus", begrüßte mich Sam, als ich vom Kindergarten zurückkam. „Herzlichen Dank auch", brummte ich und genehmigte mir noch einen Kaffee. Kal drängelte und ich ließ ihn erstmal in den Garten, wohlwissend, dass er dort sein großes Geschäft nicht erledigen würde. „Ich kann mit ihm gehen, wenn du willst. Dann kannst du doch noch eine Stunde aufs Ohr hauen?“ schlug Sam vor, doch ich winkte ab. „Das ist zwecklos, aber danke. Ich werde gleich eine Runde mit ihm laufen gehen. Das macht mich munter. Du kannst aber gern mitkommen“, bot ich ihm an. „Ich hab gar keine Laufsachen dabei", fiel ihm ein. „Dir passen sicher meine. Ich kann dir was geben, wenn du willst“, schlug ich vor. Sam hatte eine ähnliche Statur wie ich, nur wenig schmaler. Dafür war er größer, das gleichte es wieder aus. „Ok, cool. Danke", lächelte er und ich erwiderte es kurz.

Das Laufen tat gut und Sam war ein angenehmer Laufpartner. Das wusste ich eigentlich schon seit New York, aber nun hatte ich zunächst damit gerechnet, dass er mich wieder zum Reden überreden wollen würde, doch das tat er nicht. Er ließ mich mit meinen Gedanken allein, oder lenkte mich ab. Kal war heute ein wenig langsam, weshalb die Runde etwas kleiner als sonst ausfiel. Als wir Zuhause ankamen trank der Bär seinen ganzen Napf Wasser leer und verkrümelte sich dann in sein Körbchen, ohne zu fressen. Das sah ihm nicht ähnlich, denn für gewöhnlich verschlang er regelrecht nach unserem Lauf sein Frühstück.

Als es klopfte, rechnete ich mit Henry und war umso überraschter, als meine beste Freundin hereinkam. Sie kam gleich zum Bett geeilt und knuddelte mich, drückte mir einen Knutscher auf den Mund und begutachtete dann den Kleinen. „Den habt ihr echt gut hingekriegt", lächelte sie und setzte sich. „Ganz der Papa würde ich sagen. Da hat er nochmal alles gegeben, was?“ ulkte sie und ich grinste. Eigentlich gibt er immer alles“, schmunzelte ich und Melli hielt sich die Ohren zu. „Ich, das will ich gar nicht hören!“  murrtr sie und sah mich dann besorgt an. „Wie geht es dir denn? Sam hat mir erzählt, dass es Probleme gab.“ „Mir geht es gut. Mein Kreislauf stabilisiert sich langsam. Das Stillen klappt besser als gedacht, und ich will nach hause", lächelte ich. „Das glaub ich dir sofort. Aber mal ehrlich. Sam sagte, dass sie dich reanimieren mussten.“
"Mir geht es gut, Süße. Mach dir keine Sorgen" lächelte ich aufmunternd und legte meine Hand auf ihre. „Und Henry? Er ist bestimmt durchgedreht vor Sorge", erkundigte sie sich nun. „Ja, ich schätze. Er sagt, es wäre alles gut, aber sein Blick sagt was anderes. Meistens zumindest“, sagte ich und seufzte. „Er sieht mich an, als hätte er Angst, das ich jeden Moment verschwinden könnte", gab ich zu und nun war es an Melli zu seufzen. „Das wird bestimmt wieder“, muntere sie mich dann auf und ich lächelte. „Na klar wird es das.“  „Darf ich den kleinen Hosenscheißer mal halten?“ fragte sie dann. „Doofe Frage. Natürlich.“ Ich übergab ihr den Kleinen, der bis eben bei mir auf der Brust gelegen hatte.
„Gottchen, er ist wirklich bezaubernd. Ich glaub, ich will auch ein Baby", murmelte Melli und ich starrte sie mit offenen Mund an. „Guck nicht so doof. Nicht jetzt. Aber irgendwann? Und vielleicht ja mit Sam?“ grinste sie breit. „Dann ist es euch wirklich ernst?“ fragte ich glücklich. Ich freute mich so für meine Freundin. „Und wie. Ich bin verrückt nach ihm. Und er gibt mir das Gefühl besonders zu sein, und als würde ich nur ihm gehören“, schwärmte sie und grinste dann. „Und er mir natürlich. Oh Smilla, dieser Kerl raubt mir den Verstand. Vor allem, wenn er nackt vor mir steht." Sie kicherte verlegen und wurde rot. „Ich weiß genau, was du meinst", zwinkerte ich und wir beide lachten.
„Was gibt es hier so schäbig zu Lachen", platze Sam ins Zimmer, dicht gefolgt von meinem Mann. „Sam!“ freute sich Melli überschwänglich und sprang beinahe auf. „Lass mein Baby heile", forderte Henry und nahm ihr unseren Sohn ab. Breit grinsend begrüßte Sam meine beste Freundin, indem er sie in seine Arme zog und leidenschaftlich küsste. Henry grinste, legte den Kleinen in sein Bettchen und kam dann zu mir. „Was die können, können wir schon lange, oder?“ Ohne eine Antwort von mir zu erwarten, lagte er seine Hand an meine Wange und küsste mich lange und gefühlvoll. Ich kicherte und mir wurde warm. Als er sich löste, zog ich ihn nochmal zu mir und drückte ihm noch einmal meine Lippen auf, ehe ich ihn losließ. Sein Grinsen war triumphierend, als er sich setzte. „Habt ihr sowas wie ein Duell am laufen? Wer küsst seine Frau am besten um den Verstand?“ fragte ich amüsiert.
„Was? Wie kommst du auf so einen Quatsch?“ wollte Henry wissen und ich lachte. „Also, entweder habt ihr uns belauscht, oder…?“ den Rest des Satzes ließ ich im Raum hängen. „Belauscht? Über was habt ihr geredet?“ wollte Sam nun wissen. „Du musst nicht alles wissen, mein Lieber", flötete ihm Melli entgegen und gab ihm noch einen sanften Kuss.
„Ich frag lieber nicht“, schmunzelte Henry und setzte sich zu mir ins Bett. „Besser ist das", bestätigte ich und lehnte mich an ihn. Er wirkte entspannt, aber ein Blick in seinen Augen, und er verriet mir, dass er die Nacht vermutlich nicht viel Schlaf bekommen hatte. „Hast du nicht gut geschlafen?“ fragte ich ihn leise und er schnaufte. „Wag es nicht, mich anzulügen", warnte ich ihn  und er atmete tief durch. „Eigentlich gar nicht“, gab er schließlich zu und ich bekam mit, wie Sam Melli aus dem Zimmer schob, um uns alleine zu lassen. Ich sah meinen Mann an. „Hör auf, dir deinen hübschen Kopf zu zerbrechen", sagte ich sanft und verschränkte meine Finger mit seinen. Er verzog das Gesicht. „Das sagst du so einfach", murmelte er. „Rede mit mir", bat ich und er lehnte seine Stirn an meine, schloss die Augen.
Mir war klar, dass er nicht reden wollte. Schon gar nicht jetzt und auch nicht bald. „Dann zumindest mit einem deiner Brüder, oder mit Corey…“ bat ich und wartete eine Reaktion ab. Die ich aber nicht bekam, denn Mason begann zu weinen. Henry stand auf und hob den kleinen aus seinem Bett. „Shhh…“ machte Henry und hauchte ihm einem Kuss an die Stirn lief etwas mit ihm durchs Zimmer. „Bekommt er vielleicht Hunger? Er versucht, an meinem Finger zu nuckeln“, fragte Henry leicht amüsiert. Ich sah auf die Uhr. „Seine Zeit ist es eigentlich noch nicht, aber bei so kleinen Würmern weiß man das nie so genau“, sagte ich lächelnd und Henry gab mir den Kleinen rüber. „Ein kleiner Nimmersatt", schmunzelte ich, als Mason gierig anfing zu trinken. „Da kommt er ganz nach dir", lächelte ich und legte meine Hand an Henrys Wange. „Irgendwas muss er ja von mir haben.“
„Melli sagte, er sieht aus wie du", murmelte ich und lächelte meinen Mann an. „Ich weiß nicht. Meine Nase hat er zumindest nicht. Die ist von dir. Diese kleine, süße Stubsnase.“ Er tippte mir auf die besagte Nase ich ich zog sie Kraus. „Aber er hat deine Grübchen. Das am Kinn und die an den Wangen", begann ich aufzuzählen. „Außerdem hat er deine langen Finger und deine Locken. Die hatte Ally damals auch schon, weißt du noch?“ fragte ich und Henry nickte lächelnd. „Nur dass ihre Haare damals schon rotblond waren.“
„Ansonsten sah sie dir damals schon so ähnlich. Deine Mom sagte damals, dass du als Baby genauso ausgesehen hast. Und Mason sieht aus wie Ally", lächelte ich und lachte dann, als Mason seine Augenbraue hochzog. „Siehst du? Ganz der Papa. Er hat sogar deine Gesichtsakrobatik.“
„Gesichtsakrobatik?“ fragte Henry und fing laut an zu lachen, was unseren Sohn erschrocken zusammenzucken ließ. „Shhhh", machte ich. „Das war nur dein Daddy. Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Er lacht gern mal so laut", säuselte ich meinem Sohn zu und Henry strich ihm über die Wange. „Deine Mama aber genauso", lächelte er und gab mir einen sanften Kuss.
Nach einem kurzen Klopfen kamen Melli und Sam wieder ins Zimmer, mit Kaffee in den Händen. Einen Becher stellte sie mir auf den Nachtschrank. „Süße, du weißt doch, das Kaffee beim Stillen nicht besonders gut ist“, erinnerte ich sie. „Koffeinfreie Karamell Latte", grinste sie, während Sam Henry einen Becher in die Hand drückte. „Awww, du bist ein Engel.“ Ich zog meine Freundin an ihrem Pulli zu mir und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Ich angelte mir den Becher und trank einen Schluck. „Hm… perfekt. Schatz, warum bist du nie auf die Idee gekommen?“ fragte ich Henry und er stoppte seiner Bewegung, als er seinen Becher an die Lippen führte. „Ähm….“ Begann er und ich lachte leise, ohne mein Baby zu erschrecken. „Doch nicht so perfekt dein Henry, hm??“ grinste Melli. „Für manches braucht man eben eine beste Freundin“, lächelte ich. „Ich bin ja nicht mal selbst drauf gekommen.“
Henry schmunzelte hinter seinem Becher und mir  ging das Herz auf. Wie ich diesen Mann liebte. Und er war perfekt. Für mich. „Ich muss bald los, das Monsterchen abholen", sagte Henry.
„Oh, darf ich das machen? Ich hab die Maus so vermisst“, bettelte Melli. „Ähm, ok. Dann muss ich im Kindergarten abrufen und Bescheid geben, dass du kommst“, erklärte mein Mann. „Dann tu das. Anschließend essen Sam und ich mit ihr zu Mittag und dann unternehmen was schönes mit ihr", entschied Melli. „Dann kannst du einfach noch hier bei deiner Frau und deinem Sohn bleiben", grinste sie Henry an. Er nahm sein Handy und rief im Kindergarten an, gab Bescheid, dass Ally heute von ihrer Patentante abgeholt werden würde und gab auch ihren Namen durch.

Kurz darauf verabschiedeten sich Sam und Melli und Henry und ich waren alleine. Henry legte sich wieder zu mir ins Bett, nachdem der Kleine satt und frisch gewickelt war. Ich legte ihn mir auf die Brust und kuschelte mich an meinen Mann. Er hatte den Arm um mich gelegt und seinen Kopf an meinen gelehnt. Es dauerte nicht lange und Henry war eingeschlafen. Ich lächelte zufrieden und schloss ebenfalls die Augen.

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