Das Wochenende verging ohne Zwischenfälle, und den Beinahekuss strich ich aus meinem Gedächtnis, als wäre nichts gewesen. Ich erlaubte mir nicht, daran zu denken, denn dann überkam mich wieder diese Sehnsucht. Eine, die kein anderer Mann in mir wecken konnte, als Henry. Und dieser würde nicht mehr lange bei uns sein. Gestern kam der Anruf, das er gebraucht wurde.
Ally würde ab Mittwoch wieder in den Kindergarten gehen, demnach war das kein Problem. Er würde also nur noch zwei Tage bleiben. Vermutlich war das auch gut so, damit ich wieder in meinen geregelten Tagesablauf finden könnte. Dennoch würde er mir fehlen.Es war ein anstrengender Tag gewesen. Ich hatte die Fohlen eines Gestüts impfen und untersuchen müssen und das stellte sich oft als Kraftakt heraus. Ich war geschafft und verspannt und war froh, als ich endlich in der Küche saß, mit einem Kaffee in der Hand. Das Haus war leer. Claire war nach der Schule gleich mit zu Marina gefahren und würde dort auch über Nacht bleiben, da beide an einem gemeinsamen Referat arbeiten wollten.
Henry schien mit dem Auto unterwegs zu sein, denn ich sah den Leihwagen nirgends.
Ich schloss die Augen für einen Moment und rieb mir den Nacken, der leicht knackte, als ich den Kopf hängen ließ. „Harter Tag?“ riss mich Henry aus meinen Gedanken. Ich hatte ihn gar nicht kommen gehört.
„Hmm…“ grummelte ich nur und hörte Henry schmunzeln, dann wie er sein Schlüssel neben mir auf die Kücheninsel legte. „Darf ich?“ fragte er und ich hatte keine Ahnung, was er meinte, doch da spürte ich schon seine Hände an meinem Nacken, die anfingen zu massieren. Ich seufzte wohlig auf und ließ den Kopf einfach hängen, meine Schultern ebenso und genoss seine Hände auf meiner Haut. Es war eine Wohltat, auch wenn es etwas wehtat. „Du bist steinhart“, stellte er fest, aber ich antwortete nicht, brummte nur, was ihn wieder zum schmunzeln brachte.
„Wo ist Ally?“ fragte ich nach ein paar Minuten, damit ich nicht einschlief. „Hab sie zu Lucy gebracht. Ich hole sie nachher wieder ab“, erklärte er und beendete seine kleine Massage. Ich rollte abwechselnd die Schultern und sah ihn dann an. „Danke. Das war gut“, lächelte ich und trank meinen Kaffee auf, der schon kalt wurde. Kal kam zu uns in die Küche und forderte Streicheleinheiten, die ich ihm kurz gab. Dann erhob ich mich, um ein wenig den Haushalt zu schmeißen. Henry tat zwar das meiste, wenn ich nicht da war, aber das Bad musste er nun wirklich nicht schrubben. Das war meine Aufgabe. Er war schließlich immer noch mein Gast. Ich legte noch Wäsche zusammen und verteilte sie in die jeweiligen Schränke. Dann hörte ich Ally unten im Haus und erschrak beinahe, weil es anscheinend schon so spät war. Ich hatte doch kochen wollen.
Ich ging runter und da werkelte schon Henry herum. „Tut mir leid, ich hab Die Zeit vergessen. Ich wollte schon längst angefangen sein“, entschuldigte ich mich.
„Halb so wild, Smilla. Ally hat vorhin noch einen Haufen Kekse vertilgt. Die hat in der nächsten halben Stunde keinen Hunger“, grinste Henry. „Das sagst du jetzt“, lachte ich und half ihm beim Vorbereiten.
„Und, hat dich Monika mit ihren Blicken ausgezogen?“, fragte ich ganz nebenbei und brachte Henry somit zum Lachen. „Versucht hat sie es wohl. Sie wollte mich zu Mittwoch Abend einladen. Aber ich bin leiiider nicht mehr da.“ Das „leider" hatte er betont in die Länge gezogen und nun war ich es, die lachte.
„Das tut mir aber mal gar nicht Leid", sagte ich und meinte es auch so. Ich würde es furchtbar finden. Zumal ich Monika überhaupt nicht leiden konnte.
Henry lachte. „Diese Frau wäre im Leben nichts für mich. Zu aufdringlich und so gar nicht mein Typ“, zwinkerte er mir zu und ich schmunzelte.
Ich bereitete m das Abendessen weiter zu, während sich Henry mit Ally beschäftigte. Er musste für sie malen. Das er darin nicht besonders talentiert war, war für mich kein Geheimnis, dennoch lachte ich bei seinem Versuch, einen Löwen zu malen. Ich lachte mich kaputt, als Ally mir das Resultat zeigte. „Ich glaube der Löwe ist mit zu kurzen Beinen zur Welt gekommen und hat einen Medizinball verschluckt", lachte ich herzlich und Henry streckte mir die Zunge entgegen, was mich noch mehr zum Lachen brachte.
„Ally, träumst du bitte deine Malsachen weg? Wir können gleich essen“, bat ich sie schließlich, nachdem ich mich beruhigt hatte. Ich deckte den Tisch, wobei mir Henry half und bat dann zu Tisch. Die beiden hatten guten Hunger und ich betrachtete es zufrieden. Ich betrachtete Vater und Tochter und mir fiel auf, das Ally immer mehr Ähnlichkeit mit ihrem Vater bekam. Ihre Gesichtszüge nahmen immer mehr die von Henry an. Sie hatte sogar links den selben braunen Fleck in ihren sonst so strahlend blauen Augen. „Köstlich“, sinnierte unsere Tochter und brachte somit uns beide Elternteile zum Lachen.
„Schön, das es dir schmeckt" kicherte ich und legte mein Besteck zu Seite, denn ich war satt. Ich wartete, bis die beiden anderen auch fertig waren und begann den Tisch abzuräumen, während Henry unsere Tochter nach Oben scheuchte, damit sie sich bettfertig machte.
Wenig später saßen wir zu dritt im Wohnzimmer und schauten noch ein paar Cartoons, bis Ally ins Bett musste. Sie durfte heute eine halbe Stunde länger aufbleiben, als sonst und nun genoss sie es, zwischen mir und ihrem Vater auf dem Sofa zu sitzen und mit uns beiden zu kuscheln. „Das ist schön“, murmelte sie schon fast schläfrig und ich schaute fragend zu ihr. „Kannst du nicht einfach für immer bei uns bleiben, Papi?“, fragte sie dann an Henry gerichtet. Er schaute erst zu mir und seufzte dann. „Das ist leider nicht so einfach, Spatz. So gerne ich auch bei euch bleiben würde. Aber ich muss doch arbeiten“, erklärte er ihr mit sanfter Stimme.
„Kommst du denn danach wieder?“, wollte sie nun wissen und Henry strich ihr sanft über die Wange. „Danach sehen wir uns auf jeden Fall wieder. Dann kommst du einfach wieder zu mir nach London", versprach er, aber Ally schüttelte den Kopf. „Du kannst doch hier wohnen. Bei Mami, Claire und mir“, begann sie wieder und nun war ich diejenige, die seufzte. „Es ist Zeit fürs Bett, Mäuschen“ entschied ich und erhob mich. Sie brachte mich und Henry mit ihrer Aussage ein bisschen in Bedrängnis. Sie wünschte sich eine normale Familie, doch die würden wir niemals werden. Selbst wenn Henry und ich ein Paar wären.
Widerwillig sagte sie ihrem Vater gute Nacht und ich brachte sie nach oben, in ihr Bett. Ich las ihr noch eine kurze Gute Nacht Geschichte vor, gab ihr ein Küsschen und schloss dann die Tür hinter mir. Einen Augenblick lang lehnte ich mich an die Tür und atmete tief durch. Ich legte meine Finger an meine Lippen und dachte daran, wie wir uns vor zwei Tagen beinahe geküsst hatten. Ich hatte seine Lippen schon gespürt.
Ich nahm mir einen Augenblick, ging ins Bad, und zog mir bequeme Sachen an. Dann wagte ich mich hinunter ins Wohnzimmer, wo Henry in Shirt und Jogginghose auf dem Sofa saß und durchs TV zappte. „Ich kann einen Whisky gebrauchen. Möchtest du auch?“ fragte ich und ging zu meiner kleinen Hausbar. „Klingt gut“, kam es vom Sofa und ich goss den schottischen Single Malt in zwei Gläser. Ein 12 jähriger Aaran Malt, mein Lieblingswhisky. Ich ging zum Sofa und reichte Henry eines der Gläser, stieß mit ihn an.
„Tut mir leid, wegen vorhin. Was Ally gesagt hat, dass….“ begann ich, doch Henry schnitt mir das Wort ab, indem er seine Hand auf meinen Unterarm legte. „Entschuldige dich nicht. Das sind Allys Gedanken. Darauf haben wir beide keinen Einfluss“, lächelte er sanft und ich hätte dahinschmelzen können. Seine Berührung jagte mir eine Gänsehaut durch den Körper und ich verfluchtes mich noch immer, dass Henry so viel Einfluss auf mich hatte. Er raubte mir den Verstand.
Ich lehnte mich zurück und trank noch einen kleinen Schluck, der bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
"Schauen wir einen Film oder so?“ fragte mich Henry und ich dankte ihm für die Ablenkung.
„Klar. Was guckst du denn so?“ wollte ich wissen.
„Im Moment nichts spezielles. Ich komm nicht viel zum Fernsehen. Und die Serien, die mich interessieren, hab ich durch“, plauderte er.
„Dann mach irgendwas an“, schlug ich vor und er durchwühlte Netflix.
„Hast du eigentlich the Witcher schon gesehen?“ wollte er dann wissen.
„Äh, nein. Bisher noch nicht. Claire sagte aber, sie wäre wirklich gut. Du hast aber jetzt nicht vor, die anzumachen, oder?“ fragte ich ein bisschen panisch. Ein nackter Henry im TV und den echten neben mir auf der Couch sitzend. Nein, das wäre mir zu viel. Henry lachte. „Nein, hab ich nicht“, versicherte er mir und machte irgendeine Fantasy Serie an, die ich noch nicht kannte.
Nach der zweiten oder dritten Folge fielen mir die Augen zu und Henry machte den Fernseher aus. Müde schaute ich auf und rieb mir übers Gesicht. „Sorry, ich bin dir heute keine gute Gesellschaft", entschuldigte ich mich.
„Du bist müde, das ist ok“, entgegnete er und räumte den Tisch ab. Ich stand ebenfalls auf und half ihm.
Ich räumte noch die letzten Spielsachen in Allys Kiste, als ich Henry hinter mir spürte. Ich erhob mich und drehte mich um.
DU LIEST GERADE
Familienbande
FanfictionHenry Cavill ist einer der begehrtesten Schauspieler und Junggesellen. Doch das er zwei Töchter hat, weiß kaum jemand.