Zeit zu Zweit

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Zwei Wochen waren seit dem Vorfall vergangen. Die Lage beruhigte sich so langsam. Henry hatte via Instagram ein Statement abgegeben, indem er sagte, das er zwei Töchter hatte und versucht hatte, sie aus dem öffentlichen Leben herauszuhalten. Eine fast 17 Jährige und eine 5 Jährige. Mehr hatte er nicht gesagt. Keine Namen, nichts. Und das war gut so. Claire hatte in den letzten Tagen in London das beste aus ihrer Situation gemacht, was nicht immer einfach war. Ihre Klasse allerdings hatte toll reagiert. Claire hatte sich dazu bereit erklärt, Fragen zu beantworten, wenn man sie danach in Ruhe lassen würde. Einige Fragen wurden gestellt, aber diese Fragen waren im Gegensatz zu denen, die Henry gestellt worden waren, ganz normale, harmlose Fragen. Ihre Mitschüler und Freunde hatten sie beschützt, wenn Claire belästigt wurde und Henry hatte nicht einmal einschreiten müssen.
Sie war seit knapp einer Woche wieder Zuhause und auch hier im Ort ließ man sie weitgehend in Ruhe. Wir waren schließlich auf dem Land und eigentlich kannten hier alle Claire, Ally und Henry. Nun war eben bekannt, das er, er war. In der Schule war es erst noch Thema gewesen, doch auch hier erwies sich Claire als erwachsen und stellte auch hier den Fragen. So war schnell die Rederei vom Tisch.
Auch im Ort hielten alle zusammen und niemand verriet wo Henry Cavills Mädchen lebten. Wie es in London sein würde, würde sich zeigen. Henry, so wusste ich, wurde oft auf Schritt und Tritt verfolgt. Viele Bilder waren seitdem im Internet aufgetaucht. Auch wurden alte Bilder von ihm analysiert und man fragte sich, ob das ein oder andere Mädchen eine seiner Töchter sein könnte. Doch nicht ein Bild war dabei, wo unsere Töchter zu sehen waren.
Für Ally im Kindergarten änderte sich nichts. Die Kids konnten mit dem ganzen Berühmtsein eh noch nichts anfangen.

Für mich war dieses Wochenende Weiterbildung angesagt. Meine Chefin hatte mich schon vor über einem Monat zu diesem Seminar in Dresden angemeldet. Es würde 3 ein halb Tage gehen. Von Donnerstag bis Sonntag. Ally kam dieses  Wochenende bei meinen Eltern unter und Claire hatte sich bei Marina einquartiert.  
Ich war schon früh zum Flughafen gefahren, denn der Flieger ging bereits um zehn nach zehn. Ich stellte mich in die Schlange, um mein Gepäck aufzugeben.
Ich legte meinen Koffer aufs Band und gab der Mitarbeiterin meine Papiere. „Tut mir leid, aber ihr Flug wurde storniert“, sagte sie und ich schaute sie verdutzt an. „Da muss ein Fehler vor liegen“, wand ich ein. „Nein, tut mir leid. Ihr Flug wurde letzte Woche storniert“, wiederholte sie und zeigte es mir auf ihrem Bildschirm. Ich war sprachlos, nahm meinen Koffer und ging zurück. Ich rief meine Chefin an. Sie hatte vollkommen verpeilt mir mitzuteilen, das das Seminar gecancelt worden war. „Na ganz toll" murrte ich und setzte mich auf eine Bank.
Ich nahm mein Handy und schrieb Henry. „Mein Flug wurde storniert. Das Seminar fällt aus und meine Chefin hat einfach verpennt es mir zu sagen. Nun sitze ich hier wie bestellt und nicht abgeholt. Was fange ich denn jetzt mit meinem Wochenende an?“, schrieb ich. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Na, du hast ja eine Cheffin… Komm doch einfach her, ich hab frei.“, schlug er aus heiterem Himmel vor. Ich konnte doch nicht einfach…. Ohne meine Mädchen? Das wäre gemein. Andererseits, wann würden Henry und ich schon mal Zeit zu Zweit haben? Ich seufzte und erhob mich. Vielleicht würde ich ja nicht mal einen freien Platz bekommen...
Ich ging an den Ticketschalter und erkundigte mich. Und keine zehn Minuten später hielt ich zwei Tickets in der Hand. Eins für den Hinflug und das Andere zurück. Ich war doch verrückt geworden. Aber ich freute mich. „Mein Flieger landet um 3:15 am Nachmittag“, schrieb ich. „Geht doch. Ich hole dich ab.“
Ich musste über mich selbst lachen. So spontan war ich selten. Aber die Gelegenheit sollte einfach genutzt werden.
Ich konnte bereits einchecken, also war ich meinen Koffer schnell los und ich konnte noch in Ruhe etwas Essen gehen. Ich hatte nur eine Kleinigkeit gefrühstückt. Ein zweites Frühstück war also keine schlechte Idee.
Um halb eins konnte ich dann endlich an Bord gehen und ich musste zugeben, das ich aufgeregt war. Mein Herz klopfte und ich hatte Schmetterlinge im Bauch. Es war ewig her, dass mir ein Mann so den Kopf verdrehte.
Eine Frau meinen Alters war meine Sitznachbarin. „Sie sehen sehr glücklich aus“, fiel ihr auf und ich lächelte sie an. Ich erzählte ihr, das ich meinen Freund besuchen würde und dass er der Grund für meine Heiterkeit sei. Ich strahlte über beide Ohren und es tat gut, so schwärmen zu können. Die Frau kannte mich nicht und Henry auch nicht, also konnte ich nach Herzenslust schwärmen. Ich erzählte ihr ein bisschen von uns, da sie sehr interessiert schien. Sie selbst lebte in London und auch sie hatte zwei Kinder. Ein Mädchen und einen Jungen. Ihr Sohn war fast 19 und ihre Tochter war 15. Gloria, so hatte sie sich mir vorgestellt, war, wie ich früh Mutter geworden und mit ihrem Mann bereits seit 16 Jahren verheiratet. Der Vater ihres Sohnes hatte keinen Kontakt zu ihnen. Ich verriet ihr, dass Henry der Vater meiner beiden Mädchen war und dass wir erst jetzt zueinander gefunden hatten. Die Wahrheit eben, ohne ihr etwas zu verschweigen. Es war ein nettes Gespräch zwischen uns beiden und so verging der Flug in Windeseile. „Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder. Ich mein, wenn du jetzt vielleicht öfter in London bist. Es war nett mit dir“, meinte Gloria. „Das wäre toll. Warte, ich gebe dir einfach meine Nummer“, schlug ich vor und kitzelte ihr meine Handynummer auf einen Zettel, den ich aus einen der Zeitschriften gerissen hatte, bevor wir den Flieger verlassen konnten. Wir plauderten noch, bis wir unsere Gepäckstücke bekamen und verabschiedeten uns erst, als sie von ihrem Mann in Empfang genommen wurde.
„Wer war das?“ fragte mich eine tiefe Männerstimme und ich fuhr erschrocken herum. In meinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus und ich umarmte meinen Lieblingsbriten. „Hey schöner Mann", begrüßte ich ihn und hätte ihn gern geküsst, verschob es aber auf später. Lieber kein Risiko eingehen. „Hey, Schönheit“, erwiderte er ebenso lächelnd und nahm meinen Koffer ab. „Verrätst du mir jetzt, wer die Frau war?“ wollte er nochmal wissen. „Oh. Äh, das war Gloria. Wir haben uns im Flugzeug kennengelernt und gut verstanden“, erzählte ich, während er schützend seine Hand auf meinem unteren Rücken liegen hatte und mich zu seinem Wagen führte. Es war eine Geste, die er bei mir oder Claire immer machte. Es war einfach seine Art und ich mochte es. Es gab einem das Gefühl von Sicherheit. Henry war aufmerksam, er hatte seine Augen überall und ich merkte seine Anspannung.
Er verstaute meinen Koffer im Kofferraum, nachdem er mir die Tür zur Beufahrerseite geöffnet hatte.

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