Home sweet home

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Ally hatte sich eine dicke Mandelentzündung eingefangen und blieb die darauffolgende Woche Zuhause. Ihr Geburtstag fiel klein aus. Lediglich Simon kam vorbei, um seinem Patenkind zu gratulieren. So hatte sie über eine Stunde lange an ihm gekuschelt auf dem Sofa gelegen und hatte mit ihm einen Film geschaut. Ich hatte eine Eistorte für sie besorgt, doch sie aß kaum davon. Henry hatte mit ihr am Abend geskypt, aber gesprächig war sie nicht. Henry konnte das wie immer überhaupt nicht gut haben. Am liebsten hätte er alles stehen und liegen lassen, und wäre hergekommen.
Die nächsten Wochen vergingen wie im Fluge. Ich kümmerte mich weiter um den Umzug, zusätzlich um die Weihnachtsgeschenke und die Vorbereitungen für die Hochzeit. Ich hatte quasi gar keine Zeit, um Henry zu vermissen. Zumindest Tags über. Abends im Bett war das Bett einfach zu leer. Claire hatte seit ein paar Wochen endlich ihren Führerschein und war viel unterwegs. Dennoch half sie mir sehr gut bei allem. Im Haus war mittlerweile ein Chaos aus Umzugskartons ausgebrochen, was mit mit jeden Tag mehr nervte. Ich war froh, das ich hier viel Hilfe hatte. Gloria packte beinahe jeden Tag mit an und auch Nick und Simon waren so gut wie jeden Tag hier oder im neuen Haus. Die meisten der Möbel standen schon.
Seit Tagen machte mir jedoch ein ganz anderer Gedanke zu schaffen, nachdem ich eines Abends mit meiner Mutter telefoniert hatte. Sie hatte das Thema Ehevertrag angesprochen. Seitdem machte ich mir Gedanken. Für Henry wäre es wohl das Beste. Ich würde ihn heute einfach mal darauf ansprechen. Leider erreichte ich ihn schon seit letzten Abend nicht mehr. Scheinbar hatte er unendlich viel zu tun.
Heute war mein Geburtstag und ich hatte Gloria und Richard eingeladen, die mit Ian und ihrer Tochter Ines vorbeikommen wollten. Für mehr Besucher war hier einfach kein Platz mehr. Und das Chaos wollte ich auch wirklich niemandem antun. Ich hatte sie zum Abendessen eingeladen und schob nun den Braten in den Ofen. Henry hatte ich noch immer nicht erreicht. „Claire hast du was von deinem Vater gehört?“ schrieb ich meiner Tochter, die nach der Schule gleich zu Ian gefahren war. „Nein. Die letzte Nachricht kam gestern Nachmittag.  Da war er ziemlich im Stress" meinte sie und ich seufzte. Auf dem Stand war ich auch. Ich hoffe, es ging ihm gut.
Ich deckte gerade den Esszimmertisch, als ich die Haustür hörte. Kurz darauf erschien Kal in der Küche und ich hörte Ally. „Papi!!!“ rief sie freudig. Ich ging in den Flur, und da stand er. Seine Koffer neben ihm und Ally auf den Arm, die an seinem Hals hing. Er sah müde und abgekämpft aus. Er ließ Ally runter und kam zu mir. „Hey", sagte er sanft und umarmte mich, hielt mich länger als sonst an sich gedrückt. „Ich hab überhaupt noch nicht mit dir gerechnet. Seid ihr schon fertig?“ fragte ich überrascht und Henry schnaufte, löste sich von mir. „Im Gegenteil. Sämtliche Szenen sind fürn Arsch. Sie haben Mickey vom Set geworfen. Er hat über die Strenge geschlagen und ist nun seinen Job los. Jetzt suchen wir Ersatz und dürfen alle Szenen, die wir mit ihm gedreht haben, nochmal drehen“, erklärte er und sah nicht begeistert aus. „Hier riechts gut. Was gibt es denn?“ fragte er dann. „Einen Rinderbraten", lächelte ich. „Gloria und ihre Familie kommen zu Besuch", erzählte ich und Henry verdrehte die Augen. „Besuch ist nicht wirklich das, was ich mir jetzt wünsche", brummelte er und brachte seinen Koffer in den Abstellraum, schmiss seine dreckige Wäsche in die Waschmaschine. Ich konnte verstehen, dass ihm nicht nach Besuch zu Mute war, aber es war mein Geburtstag. Den er mit noch keiner Silbe erwähnt hatte. Ich seufzte und ließ ihn erst mal Zuhause ankommen. Ich stellte die Kartoffeln auf den Herd und schnitt den Blumenkohl in kleine Röschen. „Wie kommt ihr denn mit den Vorbereitungen für die Hochzeit voran?“ fragte er, als er sich zu mir in die Küche gesellte, sich hinter mich stellte und sein Kinn auf meine Schulter lehnte. Seine Hände ruhten auf meinen Bauch. „Sehr gut. Wir sollten die Tage mit Caroline sprechen, wegen dem Essen. Ansonsten fehlen noch die Ringe. Die wollte ich ungern mit meiner Freundin aussuchen“, kicherte ich und Henry schmunzelte. „Das er ledigen wir schon bald. Vielleicht morgen", meinte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Da gibt es noch etwas, worüber wir reden sollten", schnitt ich an und Henry lehnte sich neben mich an die Arbeitsplatte. „Bin ganz Ohr.“
„Wir sollten über einen Ehevertrag nachdenken", sagte ich und gab die Blumenkohlröschen in einen Topf.
„Ehevertrag? Vergiss es", wehrte er gleich ab. „Henry, denk doch mal nach. Was ist, wenn..“ begann ich zu erklären, doch Henry schnitt mir das Wort ab. „Vergiss es, Smilla. Ich werde nicht mit dir über eine eventuelle Scheidung sprechen. Verdammt, wir sind ja noch nicht mal verheiratet", wetterte er und ich stöhnte genervt auf. „So ist das doch auch überhaupt nicht gemeint", versuchte ich, aber er fuhr mir abermals über den Mund. „Nein! Ich heirate nicht, mit dem Hintergedanken, was wäre wenn. Das kannst du knicken. Dann können wir es gleich bleiben lassen!“ Er war sauer und seine Stimme wurde lauter. Ich wollte nicht streiten. „Jetzt komm mal runter", meinte ich genervt und er schnaufte. „Runter kommen….“ Brummte er und ließ mich in der Küche stehen. Ich ärgerte mich über seine Sturrheit, aber am meisten noch, das er mich scheinbar völlig falsch verstanden hatte. Er verzog sich nach oben und ich bereitete das Essen weiter zu.
Als meine Freunde kamen, ging Claire gleich hoch, um ihren Vater zu begrüßen. „Der hat ja gute Laune", murrte sie und ich seufzte. Ich stellte das Essen auf den Tisch und ging hoch, um Henry zu holen. Ich hoffte, er hatte sich halbwegs beruhigt, was ich bezweifelte. Er saß auf dem Bett, sein iPad auf dem Schoß und tippte drauf rum. „Magst du zum Essen kommen?“ fragte ich, aber er schnaufte nur. „Ich hab keine Lust, vor deinen Freunden einen auf Gute Laune zu machen", maulte er und nun wurde ich sauer. „Meine Freunde… ich dachte, es wären unsere Freunde. Weißt du was, bleib hier und komm bloß nicht runter. Ich habe keine Lust, mir von die dir Laune verderben zu lassen.“
„Das ist immer noch mein Haus. Ich kann mich hier bewegen, wie ich will“, erinnerte er mich. „Soll ich gehen?“ fragte ich trotzig und Henry stand auf. „Nicht nötig. Ich verschwinde wieder. Ich will deine kleine Party da unten nicht stören", fauchte er, rauschte an mir vorbei und mit einem lauten Türknallen war er verschwunden. Ich schluckte und blinzelte die aufkommenden Tränen weg. Ich hatte mich gefreut, dass er wieder Zuhause war, aber so….
Ich riss mich zusammen und ging wieder runter. „Was ist mit ihm?“ fragte Claire, doch ich winkte ab. „Er hat ne stressige Zeit hinter sich.“
„Er hat dein Geburtstag vergessen. Das ist doch scheiße", erkannte sie und ich zuckte mit den Schultern. Claire tippte auf ihrem Telefon rum und hielt es sich dann ans Ohr. „Telefon ist aus", schnaufte sie. „Lass gut sein, Spatz. Der kriegt sich wieder ein", lächelte ich und wollte nun den Abend genießen.
Das Essen war mir gut gelungen und schmeckte allen. Ich versuchte, den Streit mit Henry zu vergessen und lenkte mich so gut ins ging ab. Claire und Gloria halfen mir beim Abräumen des Tisches, während Ines und Richard mit Ally spielten. Sie konnte nicht verstehen, warum ihr Daddy schon wieder weg war und dass er ihr nicht mal Tschüss gesagt hatte.
Gegen halb elf am Abend verabschiedeten sich Gloria, Ines und Richard, während Ian heute Nacht hier bleiben würde. Von Henry noch immer keine Spur und erreichen konnte ich ihn auch nicht. Ich verzog mich ins Bett und versuchte zu schlafen, doch ich wusste nicht, wie ich liegen sollte. Mein Bauch war mittlerweile ziemlich groß und hinderte mich oft, bequem zu liegen. Und die Sache mit Henry stieß mir sehr auf. Er hatte meinen Geburtstag vergessen, das konnte ich noch verkraften. Denn er hatte wirklich stressige Wochen hinter sich. Aber der Streit ging mir an die Nieren, und das er einfach nicht nach Hause kam, war das Schlimmste.  Schließlich weinte ich mich in den Schlaf.

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