Überraschung

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Zugegeben, das sie versucht hatte in mein Laptop zu schauen, hatte mich schockiert und enttäuscht. Dennoch war ich nicht sonderlich böse auf sie. Ich wusste, dass Smilla sonst Privatsphäre sehr schätzte und sie eigentlich nie in meinen oder Claires Sachen schnüffeln würde. Ich erinnerte mich noch gut an die Szene, die sie mir gemacht hatte, als ich in Claires Tasche den Schwangerschaftstest gefunden hatte. Smilla war hochschwanger. Da konnten schon mal die Hormone mit ihr durchgehen. Ich hatte ihr gezeigt, woran ich geschrieben hatte, ohne ihr wirklich zu verraten, was ich geschrieben hatte. Das Passwort kannte sie nun, und sie konnte nun jeder Zeit nachsehen, aber ich bezweifelte, dass sie es nochmal tun würde.
Am Nachmittag fuhr Smilla mit meinen Wagen in die Stadt, um ihr Kleid anzupassen. Claire hatte ihren Wagen mit zur Schule bekommen. Noch hatte sie keinen Eigenen. Aber das würde sich Weihnachten ändern. Wir hatten einen schicken kleinen Ford Fiesta für sie gefunden. Eigentlich hielten Smilla und ich nichts von überteuerten Geschenken, aber Claire brauchte ein Auto. Der Weg mit der Bahn von hier draußen dauerte einfach zu lange.
Ich packte ein paar Kisten aus und holte Ally heute zu Fuß vom Kindergarten ab. Der Wintertag war mild, viel zu mild für mitte Dezember. Aber es war sonnig, und da kein Auto zugegen war, lief ich einfach. So weit war es nicht. Kal hatte ich mitgenommen und gemächlich trottete er nun neben mir her.
„Du bleibst hier und wartest auf mich“, bat ich meinen Hund, als ich ihn vor der Tür festband und in den Kindergarten ging.
Ich klopfte kurz am Türrahmen, bevor ich die Gruppe betrat und begrüßte alle. Als Ally mich erblickte, ließ sie alles stehen und liegen und kam zu mir gerannt, sprang mir in die Arme. „Hey Monsterchen", begrüßte ich sie und Ally wurde von ihrer Kindergärtnerin gerufen. „Alison, wir müssen aber noch aufräumen, bevor du gehst.“ Ich ließ Ally runter und sie flitzte wieder in die Ecke mit den Legosteinen und räumte mit auf. Die Kindergärtnerin drückte mir einen Zettel in die Hand. Nächste Woche, am letzten Kindergartentag, wollte der Kindergarten einen Ausflug zum Weihnachtsmarkt machen. Dafür brauchten sie die Zustimmung. „Ihr fahrt zum Weihnachtsmarkt? Das ist ja toll“, sagte ich zu Ally. „Aber wundere dich nicht. Hier sind die ein bisschen anders als in Deutschland.“ „Das macht nichts" antwortete sie fröhlich und zog mich aus ihrer Gruppe. Ich wünschte einen schönen Nachmittag und half Ally in die Jacke, nachdem sie ihre Schuhe angezogen hatte. Dann setzte ich ihr noch die Mütze auf. „Die Handschuhe brauchst du nicht. Das ist zu warm", sagte ich und nahm Ally an die Hand. Draußen saß Kal noch immer brav dort, war aber von drei Kindern umzingelt, die ihn streichelte. Er genoss es sichtlich. Fast schon grinsend schaute er mich an und hechelte. Ally rannte zu unserem Hund und knuddelte ihn. „Wo ist das Auto?“ fragte sie dann. „Das hat deine Mama mit. Wir laufen“, erklärte ich. „Ich will aber nicht laufen", nörgelte meine Kleine. „Dann musst du wohl hierbleiben. Anders kommen wir jetzt nicht nach Hause.“ Sie zog ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter. Ich lachte und band Kal los. „Willst du ihn nehmen?“ fragte ich Ally und schon strahlte mein Kind wieder über beide Ohren. Sie nahm die Leine und Kal trottete brav neben ihr her. Ich lief hinter den beiden her und begutachtete das Bild.  Ich kam nicht drumrum, ein Foto davon zu machen und postete es bei Instagram. Allys Gesicht war nicht zu sehen. Nur ihre rotblonden Locken, die aus der Mütze schauten. „Dreamteam", schreib ich dazu. Es waren nur die beiden zu sehen und drum herum der Wald und der Waldweg.
Als wir Zuhause ankamen, sah ich, dass Smilla wieder Zuhause war. Ich schloss die Tür auf und ließ Kal von er Leine. Er und Ally liefen gleich in die Küche, um Smilla zu begrüßen. Meine Tochter hatte Mütze und Jacke einfach auf den Boden fallen lassen. „Ally!“ rief ich sie zurück. „Schuhe aus und Jacke und Mütze dahin, wo es hingehört!“ Ich hängte meine Jacke auf und zog meine Schuhe aus und Ally kam aus der Küche  angewackelt und zog ebenfalls ihre Schuhe aus und stopfte ihre Jacke und Mütze einfach unter die Garderobe. „Hallo? Was wird denn das? Ordentlich bitte“, bat ich und Ally stöhnte, hängte ihre Jacke dann aber auf und stopfte ihre Mütze in die Schublade. „Warum nicht gleich so?“ schmunzelte ich und ging nun auch in die Küche, wo meine Frau am Küchentresen saß. Frau? Ich meinte Verlobte. Ich begrüßte sie mit einem Kuss. „Und? Hat alles geklappt?“ fragte ich. „Ja alles super“, lächelte sie. Ich reichte ihr den Zettel vom Kindergarten und sie las ihn sich durch. Ally hatte sich auf der Coach breit gemacht und schaute TV. Kal lag bei ihr und sie hatte sich an ihn gekuschelt. Eigentlich sollte unser Hund nicht mehr aufs Sofa. Aber irgendwie hatte sich das schon am ersten Abend erledigt. Er hatte bei mir immer aufs Sofa gedurft. Nun war es schwer es ihm nach den Jahren wieder abzugewöhnen. Naja, es war ein Versuch wert gewesen.
Mein Telefon riss mich aus meinen Gedanken. Es war Charlie. „Hey kleiner Bruder", begrüßte ich ihn. „Hi Henry. Wie lief der Umzug?“ fragte er mich. „Gut. War schnell erledigt. Jetzt warten wir auf Smillas Sachen aus Deutschland. Und darauf, das sich die Kartons selbst auspacken", scherzte ich und Charlie lachte. „Ich hab eine gute und eine Schlechte Nachricht“, sagte er dann. „Welche willst du zu erst?“ Ich seufzte und war gespannt, was er zu erzählen hatte. „Die Schlechte“, entschied ich. „Ok. Also, ich kann leider nicht mehr dein Trauzeuge sein.“ „Was? Warum nicht?“ das war wirklich eine schlechte Nachricht. „Heather und ich werden leider nicht kommen können", erklärte er. „Alles gut bei euch?“ fragte ich alarmiert. „Ja alles Bestens. Das ist die gute Nachricht. Ich bin vorhin Vater geworden",  sagte Charlie und ich war erstmal sprachlos. „Wow. Glückwunsch. Ein bisschen früh oder nicht?“ fragte ich nach. „Ein bisschen, aber unser Sohn und Heather sind wohlauf.“ Ich atmete erleichtert auf. „Dann ist ja gut. Erzähl. Wie heißt er?“ wollte ich wissen. Ich freute mich. Noch ein Neffe. „Oliver“, hörte ich Charlie sagen. „Und wann genau war das?“ „Vor ungefähr einer Stunde. Ich hab schon Mom und Dad angerufen und Heathers Eltern. Dann Piers und jetzt dich.“ Ich lachte. „Da hast du ja noch ein paar Anrufe vor dir. Richte Heather bitte liebe Grüße von uns aus. Es ist schade, dass ihr nicht kommen könnt, aber die Umstände entschuldigen das natürlich. Ich freue mich für euch. Vergiss nicht, mir ein Foto zu schicken", verlangte ich und Charlie verabschiedete sich.
„Das Baby ist da", sagte ich grinsend. „Ich habs gehört. Das ist schön. Geht es beiden gut?“ wollte Smilla wissen. „Ja. Beide sind wohlauf. Er schickt mir gleich ein Foto.“ „Und wie heißt der Kleine?“ „Oliver. Und ich soll dir liebe Grüße ausrichten.“
Claire kam von der Schule zurück und auch ihr berichtete ich, dass sei einen weiteren Cousin hatte. „Wird Zeit, dass wir Mädchen mal Verstärkung bekommen", kicherte sie und sah sich das Foto an, was Charlie mir mittlerweile geschickt hatte. „Der ist ja winzig. Echt süß. Habt ihr eigentlich schon einen Namen für euren Zerg?“ fragte sie mich. „Nein, wir werden uns irgendwie nicht einig. Vielleicht machst du dir mit Ally mal Gedanken?“ schlug ich vor. „Ja. Vielleicht machen wir das", zwinkerte sie. „Kannst du mir gleich nochmal bei Französisch helfen?“ bat sie mich dann. „Klar. Geh schon mal hoch. Ich komm gleich.“

FamilienbandeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt