Panik

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Panik

Claire war mitten in ihren letzten Vorbereitungen für London. Und das, obwohl es noch 4 Wochen bis dahin waren. Sie machte sich vogelig. „Spatz, hör auf deine Sachen zu packen. Es sind noch 4 Wochen bis dahin“, sagte ich ihr und machte ihren Schrank zu. „Du entscheidest dich ja doch wieder mindestens fünf Mal um, was du mitnehmen willst“, schmunzelte ich und seufzend ließ sich meine Tochter auf ihre kleine Couch fallen.
„Du hast ja recht", murmelte sie und schaute mich an.
„Was hältst du davon, wenn wir uns auf die Fahrräder schwingen und in der Stadt ein Eis essen gehen?“ schlug ich vor. „Das Wetter ist herrlich.“
Sie schaute aus dem Fenster. Mit einem "OK", willigte sie ein und ich schaute nach meiner Kleinen. Sie war natürlich begeistert, denn ein Eis verschmähte sie niemals.
Und schon eine halbe Stunde später radelten wir den Berg hinunter in die Stadt. Der Frühling breitete sich immer mehr aus, die Vögel zwitscherten fröhlich und für Anfang Mai war es ungewöhnlich warm.
Ally war gut zufrieden und sang die ganze Zeit Lieder während der Fahrt.
Ich schmunzelte in mich hinein und Claire verdrehte die Augen, grinste dann aber auch. Es war schön und unbeschwert.

„Mama, darf ich ein großes Spaghettieis haben?“ fragte mich meine Jüngste und ich staunte nicht schlecht. „Ein Großes? Ich glaube ein Kleines reicht erstmal. Sonst bekommst du Bauchweh“, entschied ich und sie zog eine Schnute. Sie konnte verdammt viel essen und wenn sie hungrig war, konnte sie unerträglich werden. Ganz wie ihr Vater. Er sagte auch immer, dass Hunger charakterlos machte. Wie recht er damit hatte.
„Wenn du dann noch Hunger hast, darfst du von meinem essen", schlug Claire ihrer Schwester vor und diese war besänftigt.
Mein Kind war tatsächlich nach dem kleinen Eis satt und sie konnte sich kaum auf ihrem Stuhl halten. „Mama ich will aufstehen“ grummelte sie.
„Es ist zu gefährlich hier. Hier fahren überall Autos. Ich bezahle gleich und dann fahren wir weiter“, besänftigt ich sie und sie gab Ruhe.
„Was haltet ihr davon, wenn wir noch bei Oma und Opa vorbeifahren?“ schlug ich vor, denn es war kein großer Umweg nach Hause.

Wenige Minuten später waren wir schon auf dem Weg und wie immer fuhr Ally vorne weg, damit ich sie im Blick hatte.
„Ally, bleib stehen. Da kommt eine Straße“, rief ich. Aber sie hörte nicht. „ALLY!“ rief ich lauter und da passierte es schon. Ein Wagen schoss aus der Seitenstraße und erwischte mein Kind. Ich sah wie in Zeitlupe, wie das Auto auf meine Tochter traf, sie zur Seite geschleudert wurde und schließlich auf dem Asphalt landete. Claire schrie ihren Namen, während ich schon neben meiner Kleinen kniete und auf sie einredete. Sie reagierte nicht.
Der Fahrer sprang aus seinem Wagen, bereits sein Handy in der Hand und telefonierte mit dem Notruf.
Mein Mädchen war bewusstlos und ihr Arm war unnatürlich verdreht. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und redete leise mit ihr, prüfte ob sie atmete, oder ob sie weitere Verletzungen hatte.
„Ally, Schatz. Kannst du mich hören?“ sprach ich weiter auf sie ein und sie öffnete endlich ihre Augen. Augenblicklich fing sie an zu weinen. „Mami“ jammerte sie und schluchzte. Meine Große hatte sich neben mich gekniet, strich ihrer Schwester beruhigend über den Arm und ich sah, das sie ebenfalls weinte. Ich versuchte ruhig zu bleiben und tröstete beide Kinder, während es in mir drinnen tobte.
Ich hörte Sirenen und endlich waren Sanitäter da, die sich um mein Kind kümmerten. Ich stand daneben, mit Claire in den Armen.
Ich zitterte und hatte Mühe, ruhig zu bleiben. Ich hatte solche Angst um mein Mädchen.
„Zum Glück hat sie einen Helm getragen", hörte ich den Notarzt sagen. „Sonst wäre Schlimmeres passiert.“
Natürlich hatte Ally einen Helm getragen. Ich ließ nicht zu, dass sie ohne fuhr.
Ally wurde in den Krankenwagen gebracht und Claire und ich konnten mitfahren. Auch im Krankenhaus blieb ich die ganze Zeit bei meiner Kleinen, ließ sie nicht aus den Augen, bis es hieß, dass ihr Arm operiert werden musste.
Claire saß im Wartebereich und ich setzte mich neben sie. „Ich sollte wohl deinen Vater anrufen“, murmelte ich und nahm mein Handy. „Ich bin gleich wieder da.“
Ich trat vor das Krankenhaus und atmete tief durch, rief schließlich Henry an und hoffte, dass er ran ging.

FamilienbandeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt