Aufgeregt

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Mein Wecker ging und ich hatte überrascht gut geschlafen. Nicht einmal hatte ich aufstehen müssen. Aber jetzt war es umso dringender. Ich quälte mich hoch und eilte zum Bad rüber, das besetzt war. “Moment“, hörte ich Claire. „Claire, mach bitte auf, ich muss ganz dringend. Dein Bruder hat mir in die Blase getreten“, bat ich und tänzelte vor der Tür herum. Die Tür ging auf und ich schob sie zur Seite, erleichtert endlich aufs Klo zu können. Überrascht sah sie mich an. „Was denn?“ fragte ich. „Bruder?“ fragte sie und ich stockte. Hatte ich? Oh mist. „Bruder, Schwester, was auch immer“, winkte ich ab und Claire kicherte. „Du hast dich verraten. Ich bekomme einen Bruder", strahlte sie. Ach Mist. Ich verzog das Gesicht und Claire fing leise an zu singen und tanzen. „Ein Bruder, ich bekomme einen Bruder", „Pshhht“, schallte ich sie. „Sag nichts. Bitte. Verrat es auch deinem Vater nicht. Bitte", jammerte ich und wusch meine Hände. „Versprochen", grinste sie, drückte mir einen Kuss auf die Wange und dann einen auf meinen Bauch. „Freu mich", grinste sie und verschwand aus dem Bad. Ich seufzte. Das hatte ich verbockt.
Ich holte meine Sachen aus dem Zimmer und ging dann Duschen. Jetzt merkte ich, dass es gestern doch ganz schön spät geworden sein musste, denn ganz wach war ich nicht.
In Jogginghosen und Handtuchturban auf dem Kopf schlurfte ich nach unten in die Küche. Dieses Haus fühlte sich schon nach so kurzer Zeit wie Zuhause an. Was an den wunderbaren Menschen lag, die hier lebten. „Guten Morgen, Braut“, flötete mir meine Stiefmutter entgegen. Ach ja, da war ja was. Ich grinste und setzte mich. „Morgen.“ Ich griff nach einem Brötchen und schmierte es mir mit Nutella. Ich brauchte was Süßes. Ally setzte sich zu mir und kuschelte sich an mich. „Bist du etwa noch müde?“ fragte ich erstaunt. „Ja. Claire hat mich nicht schlafen lassen" brummelte sie und ich schaute meine Älteste an. „Sie hat sich selbst wachgehalten“, wehrte sie ab. Ich schüttelte den Kopf, denn um solche Sachen wollte ich mir heute keine Gedanken machen.
„Trink deinen Kakao Süße und nimm dein Brötchen mit. Der Friseur wartet", befehligte mir meine beste Freundin. „Hetz mich doch nicht so“, maulte ich, trank aber brav meinen Kakao aus. „Bis später ihr Süßen“, verabschiedete ich mich von meinen Töchtern. „Vergesst mein Kleid nicht", erinnerte ich sie und wurde schon am Pullover aus dem Haus gezogen. „Warum hast du so eine Eile? Wir haben doch noch Zeit“, merkte ich an und stieg ins Auto. „Du hättest mir ruhig mal erzählen können, das du so einen hinreißenden Cousin hast", sagte Melli und fuhr los. Ich lachte. Daher wehte also der Wind. „Ja. Er sieht schon nett aus", grinste ich. „Nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Er ist der Wahnsinn. Hast du seine Oberarme gesehen?“ schwärmte sie. „Ja habe ich. Und noch viel mehr. Ich habe einen kurzen Blick auf seinen Oberkörper werfen können, als er mit Henry trainiert hat. Er kann sich sehen lassen", kicherte ich. „Aber gegen Henry ist er recht schmal, wenn auch größer.“ „Dein Henry interessiert mich nicht. Erzähl mit von ihm. Hat er eine Freundin?“
„Melli. Vergiss es. Du wirst ihn nicht für eine Nacht in dein Bett zerren.“ Bestimmte ich und verschränkte die Arme vor meine Brust. Das hatte Sam nicht verdient. Und ich wusste, dass er sich nach mehr sehnte, als nach einem Abenteuer. „Hey. Was soll das denn heißen?“ beschwerte sie sich. „Dass er mehr wert ist, als ein Abenteuer. Er ist 40. Da ist ihm langsam nach mehr“, erklärte ich. „Hm…“ machte Melli. „Vielleicht ist mir ja auch nach mehr", flüsterte sie beinahe und ich sah sie sprachlos an. „Guck mich nicht so an. Ist die Vorstellung so abwegig? Ich mit einem dauerhaften Mann an meiner Seite?“ fragte sie. “Ja, ist sie", gab ich zu und sie schnaufte. Dann lachte sie. „Stimmt, du hast recht, aber vielleicht will ich ja doch mal eine eigene Familie. Ich werde auch nicht jünger. Und der Job zerrt langsam an meine Nerven.“ Wieder sah ich sie sprachlos an und sie kicherte. Sie schien es ernst zu meinen. Ich schmunzelte vor mich hin und mümmelte mein Brötchen. Da war meine beste Freundin dabei, sich in meinen Cousin zu verknallen. „Hör auf, so doof zu grinsen", schallte sie mich und brachte mich damit zum lachen. „Du musst doch nicht gleich rot werden.“ Melissa schnaufte und hielt den Wagen. „Wo ist mein Blunenkranz?“ fragte ich. „Der ist schon da. Mach dir nichts ins Hemd", brummelte meine Beste und ich streckte ihr die Zunge raus. Ich kicherte in mich hinein und sie stieß mir leicht mit dem Ellenbogen in die Seite. „Du bist verknallt", konnte ich mir nicht verkneifen und betrat den Friseursalon, bevor sie etwas erwidern konnte.
Während meine Haare aufgedreht und getrocknet wurden ließ sich auch Melli zurecht machen. „Ich fasse es immer noch nicht, dass du heute heiratest. Noch letztes Jahr im Frühling hast du gesagt, du brauchst keinen Mann. Und jetzt heiratest du Henry Cavill“, brach es aus Melli hervor und ich lachte. „Ich weiß selbst, wie er heißt“, lachte ich. „Ich kanns ja selbst irgendwie nicht glauben, dass er mich nochmal rumgekriegt hat", kicherte ich und spürte die Blicke des Mädchens, welches hinter mir saß. Durch die Spiegel konnten wir uns sehen. „Pf", machte Melli. „Er hätte dich immer wieder rumgekriegt. Du warst schon immer scharf auf ihn. Aber das ihr doch irgendwann einen auf Ernst macht, damit hätte ich wirklich nicht gerechnet.“ Ich lächelte und strich über meine Babykugel. "Ich auch nicht."
„Warum werde ich eigentlich keine Patentante?“ fragte Melli nebenbei und ich lachte. „Du bist doch schon Claires und Allys Patentane“, erinnerte ich sie. „Na und? Aller guten Dinge sind drei“, grinste sie. „Nein, schon gut. Aber wer wird es? Deine Schwester?“ „Nein. Claire wird Patin", lächelte ich und streichelte weiter meine Kugel, indem der Kleine wieder Purzelbäume schlug. „Das ist süß", lächelte Melli. „Bist du aufgeregt?“ fragte sie dann. „Wegen der Hochzeit? Ein bisschen", gab ich zu. „Eigentlich meinte ich die Geburt“, klärte mich meine Beste auf. „Ach so. Ein wenig. Am meisten darauf, dass Henry diesmal dabei sein wird. Ich hoffe er wird mich nicht in den Wahnsinn treiben", kicherte ich und Melli stimmte mit ein. „Das kann ich mir bei ihm irgendwie vorstellen", lachte sie. „Ich mir auch.“

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