| 28 | 𝔊𝔬 𝔶𝔬𝔲𝔯 𝔬𝔴𝔫 𝔴𝔞𝔶

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Go your own way - Lissie

Nachdem auch Damon gegangen war, legte sich eine seltsame Stille über das Haus. Stefan war mit Elena im Grill, ich hatte das riesige Anwesen ganz für mich. Die innere Unruhe, die ich noch immer verspürte, machte es mir unmöglich, mich mit einem Buch vor den Kamin zu setzen. Stattdessen wanderte ich durch die Villa, stöberte in den Büchern und suchte in der Küche nach etwas Essbarem. Ich war noch immer aufgewühlt von unserem Kampf und Damons Nähe, als wir auf dem Boden gelegen waren. Unter meiner Haut kribbelte es und mein Herz schlug noch immer viel zu schnell. Wenn Alaric nicht aufgetaucht wäre, dann - ich wollte den Gedanken nicht zu Ende denken. Hätten wir uns geküsst? Oder noch mehr? Das Verlangen war definitiv da gewesen. Genauso wie das statische Knistern und das Flattern in der Magengrube. Und natürlich das Wissen, wie es war, ihn zu küssen. Das war das Schlimmste.

Ich knallte die Kühlschranktür zu und stieß einen frustrierten Schrei aus. Ich musste hier raus. Bevor ich noch den Verstand verlor. Ich musste mich ablenken, irgendwie, damit ich nicht mehr an Damons Mund dachte und wie sich seine Lippen auf meine gepresst hatten. Verdammt! Alles in diesem Haus erinnerte mich an ihn. Das leere Kristallglas auf dem Tisch, das zerlöcherte Hemd, das achtlos auf seinem Bett lag, sein Geruch, der in jedem Raum hing. Eigentlich hatte ich vorgehabt, es mir mit einem Glas Rotwein in seiner Badewanne gemütlich zu machen, aber das konnte ich jetzt vergessen. Sobald ich in dieser Wanne lag, würde mein Kopfkino verrückt spielen. Nein, ich musste weg, weit weg und den Kopf frei kriegen. Ich war drauf und dran den gleichen Fehler wie mit Luca zu machen. Das konnte ich nicht zulassen. Damon konnte mich zwar dank meines Amuletts nicht manipulieren, aber wenn er mir weiter so zu Kopf stieg, dann musste er das auch gar nicht. Ich hatte mir selbst das Versprechen abgenommen, nicht noch einmal auf einen gutaussehenden Vampir hereinzufallen. Genau deshalb musste ich hier weg.

Kurz entschlossen schnappte ich mir meine Jacke, mein Telefon und meine Autoschlüssel und stürmte hinaus zu meinem Käfer, der einsam in der Auffahrt stand. Eine Weile fuhr ich ziellos durch die Dunkelheit. Der Mond war hinter dunklen Wolken versteckt und Nebelschwaden zogen über den Boden. Außerhalb der beiden Lichtkegel meiner Scheinwerfer herrschte finsterste Nacht. Ich konnte die Bäume am Straßenrand kaum erkennen. Zerknirscht musste ich mir eingestehen, dass die beiden recht hatten. Ein Angriff unter diesen Bedingungen war das reinste Himmelfahrtskommando. Wir hätten nicht einmal das Mondlicht zur Hilfe gehabt. Für Damon wäre das kein Problem, er sah in der Dunkelheit genauso gut wie bei Tageslicht, aber für Alaric und mich wäre es deutlich schwieriger geworden.

Wie bei meiner Ankunft passierte ich das Ortsschild von Mystic Falls. War es wirklich schon so lange her, seit ich hier angekommen war? Drei Wochen und keine Spur von Papa. Aber ich würde die Hoffnung noch nicht aufgeben. Ich hatte den Stadtkern erreicht und der Mystic Grill kam in Sicht. Ich könnte mich zu Stefan und Elena gesellen, aber ich wollte nicht das dritte Rad am Wagen sein. Seit ich hier war, hatten die beiden nicht viel Zeit miteinander verbringen können. Ich gönnte ihnen das bisschen Zweisamkeit. Und das Glas Rotwein an der Bar hatte seinen Reiz verloren, seit ich wusste, was für Schätze die Salvatore Brüder in ihrem Weinkeller hatten.

Dann fiel mein Blick auf ein Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Plötzlich wusste ich, was ich mit diesem Abend anfangen würde. Ich wendete den Käfer und parkte ihn direkt vor dem einstöckigen Gebäude mit den weißen Säulen und der Backsteinfassade. Gründerarchiv stand auf dem goldenen Schild neben der Doppeltür. Kurz nach meiner Ankunft war ich schon einmal hier gewesen, ebenfalls vor verschlossenen Türen. Das Archiv hatte nur donnerstags geöffnet und heute war Freitag. Was mich gerade wenig störte, da ich sowieso außerhalb der Öffnungszeiten hier war.

Ich stellte den Motor ab, stieg aus und öffnete den Kofferraum. Ein paar Holzpfähle konnten nicht schaden. Man wusste nie, was einem nachts so über den Weg lief. Und natürlich mein Etui mit den Dietrichen. Ich steckte noch eine Taschenlampe ein, bevor ich um das Gebäude herum zur Rückseite ging. Das Archiv schien verlassen. In keinem der Fenster brannte Licht und ich konnte auch keinen tanzenden Lichtkegel einer Taschenlampe erkennen, die zu einem Wachmann gehörte. Scheinbar waren die Aufzeichnungen über die Stadtgeschichte nicht so wertvoll, um sie rund um die Uhr bewachen zu müssen. Das war mein Glück. Ich hatte die wenig imposante Rückseite erreicht, wo sich eine unscheinbare Stahltür umringt von überquellenden Mülltonnen befand. Der Gestank von verfaultem Obst und verdorbenen Lebensmitteln drehte mir den Magen um. Hier hinten war es so dunkel, dass ich kaum die Hand vor Augen erkennen konnte. Dafür hörte ich das Scharren von winzigen Füßen umso besser. Ich schaltete die Taschenlampe ein und sah gerade noch, wie ein langer rosa Schwanz um die Hausecke verschwand. Prima, ich befand mich in bester Gesellschaft. Ich zwang mich, den Gestank auszublenden und ging zu der Hintertür. Natürlich war sie verschlossen. Wäre ja auch zu schön gewesen. Also kniete ich mich vor das Schloss, zog das Etui aus der Hosentasche meiner Jeans, klemmte die Taschenlampe zwischen die Zähne und machte mich an die Arbeit. Es war nur eine Sache von Sekunden, ehe ich das vertraute Klicken eines sich öffnenden Schlosses hörte. Inzwischen war ich richtig gut geworden, was die amerikanischen Schlösser anging.

𝕾𝖆𝖓𝖌𝖚𝖎𝖘 𝖒𝖔𝖗𝖙𝖎𝖋𝖊𝖗𝖚𝖘🩸𝕋ö𝕕𝕝𝕚𝕔𝕙𝕖𝕤 𝔹𝕝𝕦𝕥 (TVD FF) ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt