▫79▫

130 10 78
                                    

▫Noel▫

Die Umarmung war sanft und vorsichtig, keiner von uns beiden drückte wirklich stark zu, falls der andere Wunden hatte oder sonst was. Sie war symbolisch und zum ersten Mal durfte ich wieder die Nähe zu einem anderen Menschen als Mike empfinden.

Er war genauso klein und dünn wie ich, hatte ein ähnliches Schicksal. Doch leider gab er mir nicht so viel Halt, wie es die Nähe und Wärme von Mike tat. Aber es war mir mehr als genug, er war mein Freund, ich war sein Freund...wir waren Freunde.

Nach einer Weile lösten wir uns und Basti saß sich grinsend neben mich auf den Boden. Ich hatte genauso ein Lächeln im Gesicht, ja, gerade war ich glücklich.

Caleb stand von der Couch auf, nahm sein Glas und sah auf uns beide herab. "Ich geb euch ne Stunde alleine, macht keinen Mist." Dabei zog er eine Augenbraue hoch, woraufhin Basti und ich beide nickten, wobei er dabei mehr eingeschüchtert war als ich. Und so ging Caleb dann auch. In die Küche oder irgendwo hin, mir war das egal.

Basti und ich schauten uns einfach nur still an, ehe er das Wort ergriff. "Wie geht es dir?" fragte er leise. "Also, so ganz allgemein." hing er noch an. Wie es mir ging...so eine simple Frage...die doch so tief gehen konnte.

"Es ist alles okay, und jetzt gerade, genau jetzt, geht es mir super." grinste ich ihn an und legte meinen Kopf schief. "Und dir? Wie naja...waren die letzten Wochen bei Caleb?" stellte ich nun unsicher die Gegenfrage.

Er zuckte mit den Schultern. "Ich bin bald ein halbes Jahr bei ihm, es ist okay, ich habe mich damit abgefunden...und verstehe wie er funktioniert, woran ich mich halten muss, was er mag und was nicht...Er gibt mir auch viel mehr Freiheiten mittlerweile, am Anfang hatte er das gar nicht getan..." erzählte er nun und klang dabei doch etwas trüb.

"Basti? Du darfst ja raus, also zumindest mit ihm Auto fahren oder?" fragte ich ihn nun leise und sah ihn Hoffnungsvoll an. Er nickte und sah mich nun fragend zurück an. "Hat er dir die Jacke und die Schuhe extra gekauft?" Darauf nickte er und lächelte leicht. "Ja, vor zwei Wochen. Zu meinem Geburtstag." erzählte er und ich sah ihn stutzig an.

Er hatte Geburtstag...Und hatte ihn bei Caleb verbracht...Er hatte Geburtstag und ich hatte es nicht gewusst..."Ich...Ich wusste nicht! Alles Gute nachträglich! Das nächste Mal wenn ihr kommt frag ich Mike ob ich wieder Dessert machen darf. Dann...Dann können wir es ganz heimlich feiern, ohne dass die beiden es wissen, indem wir einfach nur Kuchen oder so essen!" flüsterte ich und grinste ihn dabei an. Er musste sofort mitgrinsen und nickte. "Ja, das hört sich super an. Ganz heimlich...Fürs Kuchen essen können sie uns ja nicht bestrafen!" lachte er gegen Ende leich, worin ich mit einstieg.

"Was magst du denn am meisten?" fragte ich ihn dann, woraufhin er überlegte. "Mhh...alles was du kochst und bäckst schmeckt wahrscheinlich lecker..." fing er an, wobei ich ihn unterbrach. "Ah, jetzt hört auf mir immer Komplimente für mein Essen zu geben!" sagte ich mit einem Schmollmund, woraufhin wir beide wieder lachen mussten.

"Ich glaube...irgendein Puddinggebäck, weißt du was ich meine? Diese Puddingschnecken oder so?" gab er nun seinen Wunsch preis und schaute mich fragend an. Ich nickte, da ich wusste, was er meinte. Sowas habe ich auch immer gerne gegessen.

"Kannst du mir...von draußen erzählen? Ich sehe ja alles nur durch die Fenster...liegt, da wo ihr wohnt, schon Schnee, oder irgendwo?" fragte ich ihn nun leise und hoffnungsvoll. Ich wollte mehr von der Welt da draußen wissen, selbst durfte ich ja nicht einmal auf die Terrasse...Dabei liebte ich die Natur, was mir erst hier aufgefallen war.

Der Schulweg, morgens, durch den Wald, bei Regen, Sonnenschein und Schnee, im Hintergrund immer das Vogelgezwitscher oder andere Tiefgeräusche. Und dazu immer der Geruch des Waldes, Moos, Gras, Blätter, Erde, und all das gemischt mit noch vielem mehr.

Erst jetzt im Nachhinein wurde mir klar, wie sehr ich diesen Weg und die Natur an sich liebte und auch die frische Luft. All das hatte ich jetzt nicht mehr, seit knapp einem Monat...

Er sah mich zuerst fragend an, doch nickte dann. "Du...darfst nicht raus oder?" fragte er jedoch zuerst noch, woraufhin ich nickte. "Ich durfte von Anfang an nicht raus...und in naher Zukunft wahrscheinlich auch nicht...Ich darf ja nicht mal mehr alleine zuhause bleiben, weil ich solche scheiße gebaut hatte..." gab ich etwas kleinlaut zu.

"Ich weiß...Caleb hat mir erzählt, was du getan hast...Ich hatte diesen Punkt auch mal, den hat jeder und auch nicht nur einmal. Hier drinnen," dabei deutete er auf seine Brust bzw. meinte wahrscheinlich sein Herz, "vermissen wir unsere Familien eben...auch wenn ich schon lange eingesehen habe, dass ich hier nicht weg kommen werde und es auch gar nicht mehr will, weil sonst jemand sterben muss...Und doch will ich immer noch, dass sie wissen, dass ich lebe und dass ihr Sohn noch irgendwo draußen in der Welt ist, sie mich aber nicht suchen sollen..." erzählte er leise und verlor dabei eine kleine Träne, welche ich ihm vorsichtig weg wischte.

Eine Weile war es still, dann legte er seinen Kopf auf der Couch ab und sah mich überlegend an. "Draußen...Es liegt noch nirgends Schnee, dafür ist es einfach noch zu früh. Aber die ganzen Bäume verlieren ihre Blätter. Wir haben auch einen Garten und da musste ich die den ganzen Herbst immer zusammen kehren. Einmal baute ich mir so eine Berg daraus und verbrachte den Mittag damit dort hinein zu springen. Ansonsten ist hier in der Nähe eine kleine Stadt, da fahren wir immer durch. Sie ist wirklich schön, ganz viel Altbau, hat ein paar kleine Lädchen, ein paar Supermärkte und ein paar Restaurants und Caffees."

Ich stellte mir alles, was er erzählte, sehr bildlich vor, die Stadt, die Häuser, den Laubhaufen. Es hörte sich so schön an, so dass ich ein leichtes Lächeln auf die Lippen bekam. Bald kam der Winter und Weihnachten, danach dann der Frühling. Ich hoffte so sehr, dass ich bis dahin immerhin auf die Terrasse und in den Garten darf. Dort gemeinsam mit Mike frühstücken oder lesen. Vielleicht bauten wir im Sommer einen Pool auf. Oder Vögel dabei beobachten, wie sie aus der Vogeltränke tranken...all das wollte ich tun..

Doch dazu musste ich mich benehmen und das gute Verhältnis zwischen mir und Mike bewahren...Ich hatte es ja mittlerweile verstanden...Ich hatte nur ihn...Doch mittlerweile fand ich das gar nicht mehr so schlimm...Es war okay...

▫Upload: 17.04.2021▫

▫1110 Wörter▫

Double Checkmate | ShadowuniversumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt