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So schnell ich konnte raste ich durch den dunklen, mir fremden Wald. Hinter mir war das Trommeln von Pfoten zu hören, das Hecheln und das Knurren. Man konnte spüren wie Befehle durch die dichte Wand aus Wölfen hallten. Mein Atem ging rasselnd und stoßweise, meine Schritte waren bereits so in die Länge gezogen, dass jeder Sprung aufs neue schmerzte.

Die Koordination hinter mir brach auf, war auf dem besten Weg mich zu umzingeln. Dieses Rudel jagte und ich war die Gott verdammte Beute! Warum verfolgten sie mich? was hatte ich getan? Ich sah eine Böschung nicht, stürzte den kleinen Abhang geradewegs herunter und blieb vor einem kleinen See liegen.

Das Wasser spiegelte das Mondlicht und, gerade als ich weiter rennen wollte, auch mich. Geschockt sah ich in die braunen Augen eines Rehes, dann an mir herunter. Ich stand fest auf meinen grauen Pranken, doch jedes mal wenn ich panisch wieder in die Spiegelung des Wassers sah, sah ich ein wehrloses Beutetier welches mir aus den großen, panisch geweiteten Augen entgegen starrte.

Eine Stimme mischte sich in mein Bewusstsein, schnell drehte ich mich zu dem Wald um. Zwischen den Bäumen standen über natürlich große Werwölfe, ihre Augen leuchteten rot und ihre Lefzen waren zu einem hässlichen Grinsen hoch gezogen. Und in mitten von all dem, Raelynn. Er sah von der Böschung aus auf mich herab, seine Zähne waren spitz wie die einer Katze, seine Augen schienen keine Lider zu haben und seine Stimme, welche in meinem Kopf hallte, hatte ein komischen Echo. Sie wirkte so anders, wie die eines Psychopathen.

"Und was machst du? Du kleines Reh stellst dich gegen den Befehl eines Alphas, ohne auch nur die Konsequenzen zu kennen."

Ich drehte um, wollte weiter rennen doch meine Umgebung veränderte sich. Mir wurde der Boden unter den Füßen weg gerissen, alles wurde schwarz und im nächsten Moment war ruhe. Da war nichts mehr, keine Stimme, keine Wölfe, kein See, nur die gähnende Leere.

Gerade als ich dachte es wäre vorbei, veränderte sich erneut meine Umgebung.

Noch immer auf allen Vieren, fand ich mich in einem Raum wieder. Ich sah auf das glänzende Marmor unter meinen Pfoten, die Kälte welche von dem Stein ausging schien mich von innen heraus zu zerfressen.

Wieder die Stimme, geschockt sah ich auf. Ich war umgeben von Spiegeln. Egal in welchen ich sah, ein Reh. Doch dieses mal nicht das ausgewachsene Tier welches der Realität ins Auge sah, nein. Egal in welchen Spiegel ich sah, egal wie oft ich mich um mich selber drehte. Immer und immer wieder stand dieses kleine Kitz vor mir, dieses zerbrechliche Lebewesen welches noch das ganze Leben vor sich hatte, nicht ein mal die Kraft dazu besaß um zu fliehen.

Wieder sah ich auf meine silbern glänzenden Pfoten, wieder in diese ganzen Spiegel.

Direkt hinter dem Kitz trat eine Gestalt aus dem Schatten, ich fuhr herum. Wieder nur ein Spiegel, wieder die Fratze der hässlich grinsenden Gestalt genau hinter dem gepunkteten Geschöpf, und sie kam im näher. Die Panik packte mich. Ich versuchte zu fliehen, doch ich konnte nicht. Meine Muskeln schienen nicht stark genug zu sein, als wäre ich gerade erst auf die Welt gekommen und das einzige was in diesem Moment zählte, wäre der Fakt ob ich schrie oder nicht.

Mit diesem Gedanken schnürte sich auch noch meine Luft ab.

Wieder veränderte sich die Kulisse, ich war irgend wo mitten im Meer. Ich wusste nicht wo oben und wo unten war, da war keine Chance auf zu tauchen bevor mir der Sauerstoff ausgehen würde. Ich würde ertrinken, ich würde wie ein kleines, wehrloses Reh an meinen Ängsten zu Grunde gehen. Sie würden mich einholen, denn sie waren schon seit Stunden auf der Jagd nach mir und ich konnte nichts da gegen tuen, denn gegen meine eigenen Ängste war ich wehrlos, wie ein kleines Kitz welches von der eigenen Mutter verlassen wurde.

Schweiß gebadet wachte ich auf, zog als wäre es das Letzte mal für immer die Luft in meine Lungen. Verwirrt sah ich mich, in dem noch immer dunklen Raum um. Mitten drin auf dem Teppich lagen noch immer meine offenen Koffer, von irgend wo her kam ganz leise Musik. Langsam kam ich wieder in der Gegenwart an, sah trotzdem auf meine Hände herunter und hätte am liebsten vor Freude gelacht, als ich statt der Pranken meine zierlichen Hände erblickte.

Schnell schnappte ich mir mein Handy und machte die Musik aus. Der helle Bildschirm, welcher mir meine Augen weg zu ätzen schien, zeigte genau vier Uhr dreißig an. Ein genervtes Stöhnen verließ meine Lippen. Meine Haare klebten mir im Nacken, meine Kehle brannte vor Durst und mein ganzer Körper hatte durch die Anspannung angefangen zu beben.

Mühsam stand ich auf.

Noch immer tanzten mir die wirren Bilder der Traumes vor meinem inneren Auge herum, jagten mir immer und immer wieder Schauer über den Rücken, während ich die Treppen herunter in die Küche schlich. Darauf bedacht niemanden zu wecken, besser gesagt den Alpha nicht zu wecken, schaltete ich erst unten im Flur das Licht an, erstarrte jedoch sofort als ich hörte wie die Tür der Eingangshalle ins Schloss viel.

War das Raelynn?

Schnell ging ich in die Küche, machte sobald ich in dieser war die Lichter wieder aus und hielt die Luft an, ich wollte ihm nicht gegenüber treten müssen, nicht jetzt mitten in der Nacht und nach so einer Art von Traum.

Wieder schossen mir die Bilder von diesem komisch grinsenden Gesicht ohne Augenlider in den Kopf und ließen mich zittern. War das, das wie ich Raelynn, meinen Mate, in meinem Kopf abgespeichert hatte? War er in Wirklichkeit so? War das nur ein Gespenst welches sich mein Hirn zum Spaß überlegt hatte?

Auch die Tür zum Wohnbereich viel ins Schloss. Ich stand an die Wand neben der Tür gepresst da, hatte meine Augen geschlossen und wagte es nicht auch nur einen Muskel zu bewegen. Innerlich betete ich, dass er einfach fertig genug war um gleich hoch in das Bett zu kriechen und dort bis morgenfrüh durch zu schlafen doch die Schritte blieben stehen.

"Alia?"

Seine Stimme klang zögerlich und wirklich erschöpft, da war nichts von dieser dämonischen Art welche sich mein Hirn ausgemalt hatte, trotzdem antwortete ich nicht sondern hielt weiter die Luft an. Bitte, bitte geh einfach schlafen.

Kurz war es noch still, dann hörte man Schritte welche sich weiter von der Küche entfernten. Mein Herzschlag wurde langsam ruhiger als man das Geräusch von Schritten auf Stufen hörte und ein Teil der Anspannung fiel von mir ab.

Langsam löste ich mich von der Wand und nahm mir ein Glas Wasser, nur um meinen Kopf kurz darauf müde in die Hände zu stützen und die Schränke nach Kopfschmerztabletten ab zu suchen. Gerade als ich endlich welche gefunden hatte und ich wieder festen Boden unter den Füßen spürte, ging das Licht an.

Erschrocken sah ich zur Tür und entdeckte Raelynn der mich argwöhnisch beäuge, doch als er an meinem Gesicht ankam änderte sich für den Bruchteil einer Sekunde etwas in seinen müden Augen, eine Gefühlsregung, doch ich konnte nicht erkennen was für eine es war. So schnell wie der Schimmer gekommen war, so schnell war er auch wieder verschwunden.

Ich senkte meinen Kopf und löste mich aus meiner Starre. Meine Haare fielen mehr oder weniger unauffällig über meine Schultern und verbargen meine roten Augen vor ihm. Mit einer leisen Entschuldigung und einer kleinen Wasserflasche in der Hand drängte ich mich an dem Alpha vorbei. Ich spürte wie er nach meinem Arm griff, er aber zu langsam war.

Sobald ich in 'meinem' Zimmer angekommen war schloss ich die Tür hinter mir, ließ meine Beine nachgeben und erlaubte mir einen Moment einfach meinen Gedanken und Emotionen nach zu gehen.

Eins war wohl klar, in dieser Nacht würde ich kein Auge mehr zu bekommen.

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1284 Wörter

Nightmare - please Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt