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"Kann ich heute bei dir schlafen?"
Die Frage meines kleinen Bruders warf mich ein paar Monate zurück in die Vergangenheit, zurück auf die hölzerne Wendeltreppe hinauf zu meinem Zimmer.
Überrascht sah ich auf Jonny herunter, welcher seinen Kopf gemütlich auf meinen Schoß gebettet hatte.
Seine Augen waren vor Müdigkeit verquollen, schimmerten mir mit einem nassen Glitzern entgegen. Auch seine Stimme kling müde, leiser, nicht so ausdauernd und nervtötend wie normalerweise.
Ich überlegte, spürte wie Raelynn hinter mir sich verspannte und sah leicht zu ihm rüber.
Die grünen Augen des Alpha waren noch immer geschlossen, sein Kopf entspannt an die Lehne des Sofas gelehnt, doch irgend etwas sagte mir, dass ihm die Situation gerade gar nicht passte. Trotzdem hielt er die Klappe, ließ seine Arme um mich gelegt und ignorierte Jonnys Kopf auf meinem Schoß gekonnt.

Sollte ich es weiter provozieren oder seine Nerven schonen?
Ich biss auf meine Lippe, musterte das Gesicht den Älteren und lehnte mich wieder richtig an ihn.
"Morgen okay?", leicht lächelnd sah ich auf den Fünftklässler hinunter, strich entschuldigend durch seine Haare.
Die rosa schimmernde Unterlippe wurde hervor geschoben, präsentierte mir seinen allerschönsten Schmollmund und veranlasste mich dazu, ihm mit der flachen Hand leicht auf die Wange zu tätscheln.
Er begann zu lachen, sprang plötzlich hyperaktiv wieder auf und hüpfte durchs Zimmer.
Dieser Junge war klar und deutlich vollkommen übermüdet.

Noah sah vielsagend zu seinem besten Freund, ließ mich bemerken, dass dieser sich etwas aufgerichtet hatte und ihm etwas zu nickte.
"Na komm kleiner, Alia ist auch morgen noch da.", Noah ging auf Jonny zu, packte ihn unter den Armen und zog ihn spielerisch mit hoch in die Zimmer.
Im Raum wurde es still, nur der Atem von mir und meinem Mate war zu hören.
Draußen war es stockdunkel, hier und da beleuchtete das Licht eines Scheinwerfers die decke, verschwand mit dem leisen Zischen von vier Autoreifen auf dem Asphalt.
Eine Weile saßen wir so da, sahen still in den aufgeklärten Sternenhimmel empor und schwiegen uns an, genossen den moment der angenehmen Ruhe zwischen uns.

"Bist du müde kleines?", seine raue stimme drang aber mein Ohr, ließ mir eine heftige Gänsehaut über den Rücken rinnen und meinen Blick von den fernen Sonnen zu ihm abwenden.
Ich war müde, hätte auf der Stelle hier und jetzt einschlafen können.
Es war ein langer Tag gewesen, viel passiert.
Vorsichtig nickte ich, sah weiter in seine Schimmernden Augen und stand unwillig auf.
Er folgte mir, legte einen Arm um meine Schultern und drückte seine Lippen auf meine Schläfe und führte mich hinauf zu den Schlafzimmern, machte vor dem Raum mit großem Himmelbett Halt und öffnete mir die Tür, schob mich vorsichtig durch den Rahmen hinein.
Es hatte sich nichts verändert.

Die Laken lagen glatt und unberührt auf der breiten, weichen Matratze, hingen in kleinen Wellen über die Kante hinunter und stoppten ein paar Zentimeter über dem Boden.
Die Kissen lagen aufgeschlagen und plüschig unter der Tagesdecke, luden dazu ein sich hinein zu werfen und so tief in ihnen zu verstecken, dass kein Wecker dieser Welt noch die Macht dazu hatte, einen aus dem Land der Träume unsanft in die Realität zu reißen.

Ich hörte wie das Schloss der schwarzen Tür einrastete, lauschte auf die bekannten schritte, welche langsam auf mich zu kamen.
Mein Körper bewegte sich kein Stück, reagierte bloß still schweigend auf den plötzlichen Stimmungsumschwung zwischen diesen vier Wänden.

Seine raue Haut striff meinen Nacken, verursachte ein angenehmes Kribbeln und legte meine Haare über meine Schulter, legte sich den Weg zu meinem Nacken frei.
Er beugte sich zu mir runter, hauchte seinen warmen Atem auf meine empfindliche Haut und hielt inne, ließ den Wolf in mir leise winseln, ungeduldig auf die sanften Küsse seines Mates warten, verlieh auch mir eine sonderbare Anspannung, welche so schnell kam, dass ich nicht ein mal die Chance hatte sie zu unterdrücken.
Ich hörte ihn leise lachen, spürte wie sein freier Arm sich um mich legte und nahe an seine Brust drückte.
Meine Müdigkeit war wie vom Erdboden verschluckt, wurde durch eine Elektrizität ersetzt, die durch meine Adern schoss, jede Zelle meines Körpers erkundete und mein Herz zum rasen brachte.
Die Luft im Raum schien dünner zu werden, fühlte sich plötzlich merkwürdig falsch in meiner Lunge an, wollte so schnell es geht wieder entweichen, am liebsten gar nicht erst in meinen Körper gelangen.

Nightmare - please Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt