46

24.9K 865 71
                                    

Still lag ich in dem breiten Doppelbett, hatte meinen Kopf über dem pulsierenden Herzen in Raelynns Brust gelegt und sah aus dem großen Fenster über die ausgestorbene Stadt. Meine Finger fuhren über die nackte Haut seines Oberkörpers, bewegten sich mit seinen langsamen, regelmäßigen Atemzügen auf und ab. Der Alpha hatte sich nach ein paar wenigen Minuten dazu überreden lassen zu schlafen, seinem Körper zumindest ein wenig Ruhe zu gewähren.

Sein Arm war fest um mich geschlungen, würde ihn gleich wecken falls ich aufstehen sollte.
Mein Blick huschte zu dem orange werdenden Himmel, beobachtete die langsam untergehende Sonne.
Ich hatte nichts von einem zweiten Angriff mit bekommen, Noah war irgend wann in das Büro seines besten Freundes hinein geschlichen und hatte mir ein mattes, müdes Lächeln geschenkt, aus dem Wandschrank ein T-Shirt geklaut und war wieder verschwunden.
Ansonsten war es still gewesen, das einzige Geräusch im Raum war der ruhige Herzschlag meines Mates.

Meine Gedanken hatten also freie Bahn, schwirrten zwischen Vergangenheit und Zukunft hin und her, blieben unablässig an Bildern und Fragen hängen.

Ich sah wie die ersten Sterne aufgingen, mir lächelnd entgegen strahlten und mich an längst vergangene Nächte erinnerten. Mels Geburtstag, eine Feier am kleinen Strand eines Glas klaren Sees.
Sobald die Dunkelheit eingebrochen war, waren die Jungs verschwunden, hatten uns alleine im Wasser gelassen und uns eine heiden Angst eingejagt, als unsere Knöchel plötzlich gepackt- und wir in die Tiefen des Wassers gezogen wurden.
Mike und Mark waren lachend wieder aufgetaucht, hatten die nächsten paar Stunden nicht ein mal einen Blick von uns abbekommen.

Leicht zogen sich meine Mundwinkel hoch, während mein Herz sich schmerzhaft zusammen zog. Melin und ich hatten diese Idioten alleine ihrem Schicksal überlassen.
Vermutlich saßen sie mittlerweile in irgend einer Zelle, weil sie vergessen hatten zu bezahlen und kratzten Kaugummis vom Schulhof, weil sie zu schlecht waren um Unterschriften zu fälschen.

Ich hörte ein leises Brummeln über mir, spürte wie mir ein Schauer über den Rücken lief. "Warum bist du noch wach?", kratzig und tief klang Raelynns vertraute Stimme an mein Ohr, zwang mir eine angenehme Gänsehaut auf. "Wir haben erst halb zehn.", mein Blick richtete sich auf sein Gesicht. Seine Lippen waren noch vom Schlaf geschwollen, seine Augen sahen nur halb geöffnet in die meinen und wurden gerade noch so nicht von seinen verwuschelten Haaren verdeckt. "Erst? Wir haben schon halb zehn Lia.", er wollte sich aufsetzen, vermutlich wieder seinen Posten übernehmen.

Unwillig rutschte ich von ihm herunter, zog die Beine an meinen Körper. Ich wollte nicht, dass er ging, nicht mehr heute. Ich hatte diese paar kleinen Stunden der Nähe viel zu sehr genossen, musste es mir selber eingestehen.
Ich spürte seinen Blick auf mir, nicht brennend, verwirrt. "Ist alles okay?", einer seiner warmen Finger strich eine Strähne aus meiner Stirn, ich traute mich nicht ihn an zu sehen. "Klar, was soll sein?", leise seufzte er.

Seine Statur schob sich wieder in mein Blickfeld, eine Decke legte sich über mich. "Du kannst ruhig sagen, wenn du mich bei dir haben willst, kleines. Ich bleibe noch bis morgen.", überrascht sah ich den Älteren an. Ich war nicht nur überrascht von seinen Worten, sondern auch von der plötzlichen Freude, welche sich in mir ausbreitete, ich mir jedoch nicht eingestand. Mit einem sanften, müden Lächeln, welches ich noch nie zuvor so gesehen hatte, hob er das Stück Decke zwischen uns beiden an, breitete seine Arme für mich aus und ließ seinen Blick auffordernd werden.

Mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen könnend, rückte ich an ihn, genoss dieses Prickeln in meinem Körper, als seine muskulösen Arme sich um meinen zierlichen Torso Schlangen, mich noch näher an seine Brust zogen.

Ohne nach zu denken kuschelte ich mich an ihn, schloss meine müder werdenden Augen einen Moment lang.
Wärme durchzog meine Adern, ließ meinen Körper entspannen, auch wenn meine Gedanken noch immer kreisten. Von meinem damaligen Leben an, weiter in die Zukunft, hielten in der nahe gelegenen Vergangenheit von vor ein paar Stunden.
Er hatte mir gesagt, dass sein Vater seine Mate verloren hatte, der ältere neben mir also auch seine mom.
Als meine Mutter damals gegangen war, hatte sie uns nicht mit genommen da sie den Verlust ihres Mates nicht verkraftet hatte, dem unseres Vaters.

Er hatte sie, ohne das er es wollte, in den Selbstmord getrieben. Er hatte mir das nie gesagt, doch das sagten der schwarze, marmorne Grabstein auf dem kleinen Friedhof meiner Stadt und die Tatsache, dass die neue Freundin meines Vaters mir mal gebeichtet hatte mit ihm geschlafen zu haben, ohne zu wissen, dass er eine Mate hatte aus.

Meine Mom hatte sie gesehen, war komplett gebrochen heraus gerannt. Kate verließ meinen Vater erst, hatte ihn für verrückt erklärt, war jedoch zurück gekommen, als sie erfuhr, dass er zwei kleine Kinder hatte, der jüngere nicht ein mal alt genug um schon Erinnerungen zu sammeln und unsere Mutter von uns gegangen war.
Sie wusste, dass mein Erzeuger ein hartes Stück Arbeit werden würde, hat allerdings nie die Hoffnung auf gegeben, dass er aus seinem Loch noch ein mal empor klettern würde.

Sie war ein guter Mensch.

Wie oft hatte sie sich entschuldigt, dass sie das unwissentlich meiner Familie angetan hat? Viel zu oft war sie weinend in mein Zimmer gestürmt und war mir mit Tausenden von entschuldigenden Worten in die Arme gefallen. Mein Herz zog sich aufs Neue zusammen.
Was hätte mein Vater getan, wenn Kate nicht da gewesen wäre, was wäre aus ihm geworden?

Ich biss auf meine Lippe, rückte näher an Raelynn, suchte seine Nähe und Wärme.
"Wo drüber denkst du nach?", seine Stimme war von meinen Haaren gedämpft, seine Finger strichen sanft über meinen Rücken. "Versprichst du mir heute Nacht nicht zu gehen..?", suchte ich schnell eine Ausrede, plapperte meine ernst gemeinte Frage, einen meiner Gedanken, gerade heraus.
Manchmal war es im Krankenhaus so gewesen. Ich war ruhig bei ihm eingeschlafen, als ich dann durch die ganzen Stimmen und herein kommenden Schwestern wach wurde, saß jedoch Noah in dem Sessel neben mir, sah mich nur entschuldigend an.

Ich spürte wie sich die Lippen an meiner Stirn zu einem geraden Strich verzogen, senkte den Blick.
Er wollte also wieder gehen.
"Ich will das doch selber nicht Alia... Ich versuche es okay? Zumindest das kann ich dir versprechen.", kurz schob er meinen Körper leicht von sich, versuchte meine Mimik zu Gesicht zu bekommen.
Ich sagte nichts mehr, nickte nur stumpf. "Sieh mich an..", ich reagierte nicht, ignorierte seinen sanft klingenden Befehl. "Kleines..", seine Hand wanderte zu meinem Kinn, umfasste es bestimmt als ich meinen Kopf von seinem Griff retten wollte.
Sein Finger strich über meine Wange, hob mein Kinn leicht an.

Unwillig traf mein Blick auf den seinen, hatte keine Chance mehr meine Gefühle zu verbergen.
Ich hatte wahnsinnige Angst, dass ihm etwas geschehen würde, wollte dazu nicht alleine sein. Wenn das stimmte was er sagte, würde hier Bald die Hölle einbrechen, so lange wüten bis entweder wir sie, oder sie uns zerstörte.
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. "Bitte Raelynn...", meine Stimme zitterte, mein Körper folgte. In seinen Augen blitzte etwas Schuldbewusstes auf, seine Arme legten sich wieder fest um mich, seine Lippen legten sich auf meine Stirn. "Versprochen, ich bleibe hier."

Mein Gesicht verbarg sich an seiner Schulter, ich versuchte mich zu beruhigen. Mein Herz hämmerte sie verrückt, sackte kurz darauf ab und ließ mir schwarz vor Augen werden. Kurz weitete ich die Augen, verspannte mich. Die Arme legten sich fester um mich, eine Hand landete an meinem Hinterkopf. *Entspann dich...*, ich versuchte seinem Befehl zu folgen, spürte den Druck in meinem Kopf nach lassen und erkannte langsam wieder die Umrisse des Alpha, welcher mich aus besorgten Augen heraus ansah. Plötzlich müde lächelte ich, versuchte ihn zu beruhigen. "Können wir einfach schlafen...?", leicht nickte er, zog mich näher an seine Brust und begann vorsichtig durch meine Haare zu kraulen.

Sanft lächelnd nickte ich ein, schlief traumlos, ruhig.

—————————————————————————————————————————————————-
1310 Wörter

Nicht überlesen
I'm sorry guys

Nightmare - please Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt