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Raelynn

Genervt knurrend wachte ich auf, sah in dem hell erleuchteten Raum um mich und entdeckte das ruhig atmende, kleine Bündel neben mir, welches sich nahe an meine nackte Brust schmiegte.
Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen, verwandelte sich schnell in ein Grinsen als sie begann zu reden, immer wieder leise meinen Namen flüsterte.
Für einen Moment stockte ihr Atem, ihr hübsches Gesicht verbarg sich an meiner Haut, dann ein leises Winseln.
Meine Muskeln verspannten sich, mein Geist tastete nach ihrem, doch als sie mir einen Einblick auf ihre bunte Gefühlswelt erlaubte, stockte auch mein Atem.

Ich sah die Szene ihres Traumes nicht, aber ich fühlte sie.
Da war weder Angst noch Trauer, nur Freude, Nervosität, Vertrautheit.
Die Haare in meinem Nacken stellten sich auf, rissen die an meinem Arm mit empor.
Ich zog mich zurück, wollte nicht, dass sie wenn die aufwachte sauer wäre, es für sie unangenehm sein könnte, auch wenn es das nicht sein musste, unter keinen Umständen sollte diese nervige Zehntklässlerin in meinen Armen sich für irgend etwas schämen.
Mein Grinsen fand zurück in ein sanftes Lächeln, Bruchstücke von Erinnerungen blitzten in meinem Kopf auf, die ich gar nicht mehr wahr haben wollte.

Vorsichtig strich ich über den Rücken der Jüngeren, hob die Hand über den Verschluss ihres BHs etwas und ließ sie knapp darunter wieder sinken.
Eine Gänsehaut stieß auf meine Fingerspitzen, das Murmeln verstummte von jetzt auf gleich plötzlich und ihr Körper verspannte sich, dann lag sie wieder ruhig und friedlich da.

Die Sonne ging weiter auf, mein starrer Blick auf ihren Hals wurde stärker.
Hakan spielte verrückt, gab nichts anderes als knurrende Laute und Szenen von sich, welche sich in meinem Kopf entfalteten, eine merkwürdige Macht über meine Denkweise zu haben schienen, mich von hier und jetzt ablenkten.
Das Verlangen nach diesem Schritt, der Markierung, dem Zeichen, dass sie endgültig zu mir gehörte, wurde auch in der Menschlichen Seite meines Daseins immer größer, präsenter, regelmäßiger.
Meine rauen Hände fuhren über ihre warme, sanfte Haut, erkundeten ihre Taille, zogen ihren schlafenden Körper näher an mich heran.
Mein Blick wanderte von ihrem Gesicht weiter hinunter, stellte noch ein mal sicher, dass es ihr wirklich besser ging, das alles nicht nur Einbildung gewesen war.

Wie von selber fanden meine Finger ihren Weg zu Alias Rippen, hinunter zu ihrem wieder flach- statt eingefallenen Bauch über die weiße, ein paar Zentimeter lange Linie, die sie für immer als Erinnerung an sich tragen würde.
Wieder die Bilder, wieder dieser unsagbare Hass auf meinen verstoßenen Vater, meinen toten Vater.
Das Knurren in meinem Kopf wurde wilder, wütender, meine Sicht nahm einen Tunnelblick an, ließ die Seiten meines Bettes nur noch verschwommen an mich heran treten, das einzige klare in diesem Wirrwarr aus Farben, Geschrei und Blut, das Gesicht meiner Mate, der einzige Frieden in dem Moment meiner aggressiven Hälfte, das einzige, was mich daran hinderte auf zu springen, und auch die letzten Anhänger des gebrochenen, abgetretenen Alphas zur Strecke zu bringen.
Ich begann zu beben, musste mir Mühe geben Hakan nicht die Führung zu überlassen, zu große Mühe.

Ich würde Alia zu nichts zwingen, wollte nie wieder einen solchen Keil zwischen uns treiben, wie es damals der Fall gewesen war, doch ich würde nicht mehr lange warten können, es nicht mehr lange schaffen meinen Wolf im Schach zu halten.
Der grazile Körper neben mir bewegte sich, verlagerte ihren Kopf auf meinen Arm und verbarg das Gesicht in meiner Halsbeuge.
Ihr regelmäßiger Atem streifte meine Haut, ihr vertrauter Geruch stieg mir in die Nase, die Nähe ihres beinahe entblößten Körpers stieß dieses unbekannte, und doch trotzdem willkommene Gefühl in meine Adern, welches von Sekunde zu Sekunde stärker zu werden schien.
Mein Mund wurde trocken, meine Hand an ihrem Bauch begann vor Anspannung zu zittern.

Tu es!
Sie will es!
Tu es jetzt!
Sie wird dich nicht hassen!
Tu es!

Ich kniff die Augen zu, spürte wie die verschwommene Sicht kurz davor war in mein tierisches Blickfeld um zu schlagen, die goldenen Sprenkel in meinen Augen kurz davor waren, das tiefe Grün meiner eigenen Kontrolle zu übermannen.
Auch wenn ich es nicht wollte, sprang ich auf, musste einen Abstand zwischen mich und diese schlafende Versuchung bringen, welche mich nun aus verquollenen, blauen Ozeanen heraus ansah.
Mein Herz zog sich zusammen, mein Körper lechzte nach ihrer Nähe, einer weiteren Dosis dieser viel zu starken Droge, meiner ganz persönlichen Droge.
Eine Einnahme und du findest gefallen an ihr, eine weitere und du siehst das gute in ihr, eine dritte und du bist abhängig, siehst keinen Sinn mehr darin, ohne sie durchs Leben zu laufen.

Schwer und schnell hob und senkte sich mein Brustkorb, zeigte die Anstrengung, welche ich bloß für diese kleine Willenskraft aufbringen musste.
Die siebzehnjährige in dem dunklen Himmelbett setzte sich vorsichtig auf, legte das Plümo über ihre freien Schultern und sah mit Sorgenfalten auf ihrem makellosen Gesicht zu mir rüber, stand ganz langsam und vorsichtig auf.
"Raelynn..? Ist alles... okay...?", ihre Stimme war ruhig, klang leise und Müde durch den vertrauten Raum, während ihre Füße sie in zögernden Schritten auf mich zu trugen.
"Hast du schlecht geträumt..?", wieder brachte sie meinen Atem zum Stocken, veranlasste nun mich dazu, mit langen, stürmischen Schritten auf sie zu zu gehen, sie mit einem festen Griff an mich zu ziehen und mein Gesicht in ihrem dunklen, weichen Haar zu verbergen.
Vorsichtig legte sie die Hand an meine Brust, fuhr über meinen Hals zu meinem Kiefer, hob fragend meinen Kopf leicht an und begutachtete unsicher meine gestressten Züge.
Noch immer tanzten die kleinen Punkte um meiner Pupille, ließen meine Mate verstehen, wie auf eine unausgesprochene Frage hin leicht nicken.

Ihre Lippen legten sich auf meine, brachten mich kurz dazu, meine Augen überrascht zu weiten, im nächsten Moment jedoch erleichtert zu erwidern.
Ihre kleine Hand wanderte in meinen Nacken, spielte mit den kurzen Haaren an meinem Hinterkopf und verursachte einen angenehmen Schauer auf meiner Haut.
Das Knurren in meinem Kopf wurde leiser, schlug in ein ergebenes Wimmern um, als die spitzen Zähne Alias sanft meine Lippe erfassten.
Ich entspannte mich, folgte mit meinem Kopf unbewusst ihrem, als sie gerade dabei war sich von mir zu lösen, drückte erneut meine Lippen auf ihre, zog sie nahe an meinen Körper und umschlang sie so fest, als würde sie im nächsten Moment einfach verpuffen.
Ein Keuchen entkam ihr, ließ mich breit grinsen und sie erneut rot anlaufen.
Ich hätte ewig so weiter machen können, nur um mir selber immer wieder vor Augen zu führen, was für eine Auswirkung ich, und das nur ich, auf die zu haben schien, doch das klacken meiner Zimmertür löste uns voneinander, brachte mich das erste mal seit langem dazu, wirklich sauer auf meinen besten Freund zu sein, welcher verschlafen und entschuldigend im Rahmen stand und zu uns rüber sah.

Ich zog die Decke enger um die Schultern der siebzehnjährigen, verdeckte ihre Blöße vor den Augen des blonden Alpha und sah den Braunäugigen fragend an, welcher nur irgend etwas von Besprechung und Frühstück stammelte, bevor er schnell wieder verschwand und die Tür vergaß zu schließen.
Ein schnauben entkam mir, Alia jedoch ein leises Kichern, welches mich noch mehr aus der Bahn warf als alles andere an diesem Morgen.
Ich sah auf sie runter, erkannte, dass sie wegen mir das leise lachen von sich gab.
Lachte sie mich etwa aus?
Mahnend zog ich die Augenbrauen hoch, kassierte jedoch als Antwort nur richtiges Gelächter.
Still hörte ich zu, lauschte darauf wie der Ton von den Wänden des Raumes wieder hallte und genoss es ihn zu hören, sie lachen zu sehen, erneut.
"Was ist so witzig, kleines?", meine Hand ließ die Enden des Sichtschutzes los, ihr lachen wurde wieder leiser.
Sie gab mir keine Antwort, küsste nur glücklich grinsend meine Wange und schnappte sich ihr Oberteil vom Bett.
"Ich hab Hunger, kommst du mit was essen?"

Mir klappte der Mund auf, es ging gar nicht anders.
Sie hatte Hunger?
Verdattert nickte ich, wurde kurz darauf von meinem Pulli im Gesicht getroffen und löste mich aus meiner Schockstarre.
"Dann komm Alphachen."
Und schon war sie auf dem Weg zur Tür.
War dieser morgen real gewesen oder schlief ich noch?

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1350 Wörter

Nightmare - please Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt