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Das plötzliche Piksen in meinem Arm holte mich zurück in die Realität, ließ mich zusammen zucken und ruckartig zu dem Arzt rüber sehen, welcher entschuldigend scharlachrotes Blut aus meiner Vene in das dünne Röhrchen tropfen ließ.

Die Untersuchungen gingen länger als jeder von uns erwartet hatte, schienen ernster genommen zu werden als die meisten Chemotherapien in der Menschenwelt, was allerdings auch an der Tatsache liegen konnte, dass der grimmig dreinblickende Raelynn dem armen Mann durchgängig über die Schulter zu blicken schien, bei jeder Bewegung den weißen Kittel erneut analysierte und immer mal wieder ein warnendes Knurren von sich gab.

Meine Erschöpfung holte mich mit jeder verstreichenden Minute mehr ein, machte es mir schwer meine Augen offen zu halten.
Ich nahm den Dienst meiner Beine nicht mehr in Anspruch, versuchte nicht ein mal mehr auf zu stehen, als der Doctor einen weiteren Raumwechsel, unter nicht gerade wenigen Entschuldigungen, ankündigte und seinem Alpha Platz machte, welcher mich ohne nach zu fragen vorsichtig hoch hob.
Das leichte Kribbeln, welches sich in meiner Haut breit machte, entlockte mir ein sanftes Lächeln, ließ meinen gesamten Körper näher an seine angenehme Wärme rücken.
Sie schien mir neue Kraft zu spenden, ermutigte meinen Willen, meine überstrapazierten Nerven und meine müden Muskeln dazu, noch ein wenig durch zu halten.

Aufmerksam musterte ich den neuen, fensterlosen Raum.
Mitten drin stand eine der bekannten, hell blauen Liegen, gleich daneben ein großer Monitor der kein Signal anzeigte.
An den weißen Wänden gingen Bilder von Herzen.
Gesunde, kranke, fehlgebildete, kleine, Oberärzte und vernarbte.
Gleich neben den Bildern die Beschreibungen und Abbildungen der einzelnen Teile, von den Klappen bis zur Kammer, alles genausten beschriftet und gezeichnet.

Unwillig legten mich die vertrauten Arme des Dunkelhaarigen auf der, von einem weißen Papiertuch bedeckten Liege ab, musterte prüfend das Gerät und die kleinen Tuben, welche in dem Schrank daneben standen.
"Ich mache nur noch einen Ultraschall von ihrem Herzen um zu sehen, ob da auch alles glatt läuft. Wenn dem so ist wird sie auf eine andere Station verlegt, bei welcher ihr mit dem Muskel Aufbau geholfen wird, dann können sie beide schon bald wieder nach Hause.", der Mann mittlerem Alters lächelte unsicher, hatte offenbar noch etwas anderes auf der Zunge, zögerte jedoch lange bevor er sich traute, diesen Satz aus zu sprechen.
"Sie... Sie müssten für diese Untersuchung ihr Oberteil ausziehen, damit ich das Gerä-"
"Vergessen sie es.", Raelynn unterbrach mit einem Knurren, zog mich ruckartig wieder zu sich rüber und stellte sich zwischen mich und dem ergrauten Mann, welcher als Reaktion den Kopf dichter auf seine Schultern zog.

Unsicher griff ich nach der Hand des Älteren, drückte sie vorsichtig und sah zu seinen grünen Augen empor.
Seine Pupillen wurden von goldenen Sprinklern umspielt, Wiesen darauf hin, wie sehr er sich gerade versuchte unter Kontrolle zu halten.
Seine Hand erwiderte meinen leichten, mit einem um einiges Stärkeren drück, für welchen er sich im nächsten Moment mit einem schnellen Blick zu mir entschuldigte, blieb als er sich wieder zu dem Arzt wenden wollte an meinen Augen hängen.
Etwas bittendes lag in dem Schimmer meiner Augen, ohne, dass ich es wollte, doch ich wusste es genau.
Ich wollte mich bloß noch hin legen, schlafen, mich in diese ungemütliche Decke kuscheln und meinen Gedanken nach hängen, nicht mehr von diesen fremden Menschen umgeben sein.
Raelynn biss auf seine Wange, rang mit sich selber, seufzte dann jedoch ergeben.
"Drehen sie sich um.", harsch sah er zu den weißen Kittel, stellte sich dann vor mich.

Die großen, warmen Hände meines Mate umschlossen vorsichtig, als würden meine Knochen aus einem dünnen Glas bestehen, meine Handgelenke, hoben sie mir über den Kopf und zogen kurz darauf mein Oberteil aus.
Sein Blick wich kurz von meinem Gesicht ab, löste sich dann jedoch schnell wieder von meinem Körper und wandte sich prüfend dem Arzt zu, welcher starr die Wand anblickte.
Der Ältere deutete mir mit einer Hand Bewegung sich hin zu legen, bedeckte mich kurz nach meinem Folgen mit den Hoodie, welchen ich eben noch getragen hatte.

Mein Körper war bedeckt, bloß die Stelle über meinem Herzen lag noch frei, damit auch ein kleiner Teil meiner Brust, welcher ihn mehr als nur zu nerven schien.
Die goldenen Sprenkel tanzten noch immer wie kleine Sterne in seinen Augen, stachen aus dem bekannten Grün hinaus, wie bunte Blumen im Frühling aus einer großen Wiese.
Zähneknirschend wandte er seinen stechenden Blick den Arzt zu.
"Beeilen sie sich bevor ich meine Meinung ändere.", der stille Kampf tobte weiter in seinem Inneren, der Kampf gegen seinen Wolf, welcher just in diesem Moment nach dem Blut des Arztes zu verlangen schien, mit dieser Situation alles andere als zufrieden war.

Vorsichtig ging der Arzt auf mich zu, setzte sich auf den rollenden Hocker und nahm eine der Tuben hervor und schraubte den silbernen, geriffelten Deckel von der weißen Packung ab.
"Achtung es wird kurz kalt..", die Stimme war leise, blieb bei ihrer sachlichen Tonlage, als das durchsichtige, nasse Gel meine nackte Haut berührte.
Die fremde Hand des Mannes verteilte es über meinem Herzen, legte kurz darauf ein kleines Gerät auf das Gel auf und fuhr über die freie Stelle.
Auf dem Monitor erschien ein Bild, zeigte für ein ungeschultes Auge bloß sich bewegende Kreise in schwarz weiß, recht verpixelt und fremdartig.

Schnell wanderten seine Finger über die Tastatur, drückten ein paar Knöpfe während die Hand an meinem Brustkorb das Gerät weiter schob.
Klick klick.
Klick.
Klick Klick.
Zufrieden nickte er, griff nach der Zewa Rolle gleich neben dem Monitor und machte Anstalten die glitschige Masse von meiner Haut zu wischen, als Raes Hand ihm mit einer schnellen Bewegung zuvor kam.
Wieder stellte er sich zwischen mich und den Arzt, schirmte meinen halbwegs bedeckten Körper vor seinen Blicken ab und entfernte das Gel von meiner Haut.

"Sie ist so weit in Ordnung, eine Schwester wird gleich kommen und sie Beide auf ein neues Zimmer begleiten, bis dahin gehen sie bitte in ihr jetziges. Das kann etwas dauern.", dann verließ der graue Haarschopf mit schnellen Schritten den Raum.
Müde setzte ich mich auf, bekam ohne Worte eine erneute Hilfestellung des Dunkelhaarigen, welcher mich mit einer fließenden Bewegung hoch zog.
Kurz sah ich auf den Pulli in meinem Schoß hinunter, zog ihn dann mit leichter Unwilligkeit an.

Ich sehnte mich nach einer heißen Dusche und frischen Klamotten, nicht die die in meinem Zimmer auf mich warteten, sondern die in meinem Schrank, in einem anderen Viertel der Stadt in dem Haus mit Blut beflecktem Ballsaal, in meinem Zuhause.
Leicht die Lippen aufeinander pressend ließ ich zu, dass Raelynn mich erneut auf den Arm nahm, mit langen Schritten den dunklen Raum voller Bilder verließ und die Treppen hinauf zu den zahlreichen Zimmern spazierte.
Als wir ankamen legte er mich in das Krankenbett, begann die Sachen aus dem Schrank wieder in die große Tasche zu packen, um sich gleich darauf zu mir zu legen.

"Kann ich gleich duschen gehen...?", mein Kopf bettete sich auf seine Brust, meine Stimme glich bloß noch einem müden Krächzen.
"Geh morgen früh kleines, Schlaf dich erst mal gesund.", ich spürte wie seine Hand begann durch meine Haare zu wandern, sie vorsichtig zu kämmen schienen und meine Kopfhaut streichelten.
Bevor ich erwidern konnte, dass ich gesund war und die Ärzte wohl keine Grund hatten mich weiter hie zu behalten, ich meine Muskeln auch zu Hause wieder an Ort und Stelle bekommen konnte und sie uns einfach heim schicken sollten, dämmerte ich bereits weg.
Meine Augen schlossen sich und mein Hirn gab seinen Dienst an die Traumwelt ab, welche mich an diesem Tag erneut mit Spiegeln und dem Körper eines Kitzes begrüßte, doch dieses Mal mit einem schwarzen Wolf an meiner Seite, der mit weichen, klaren Augen auf meine Gestalt hinunter sah und mir zur Seite stand.

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1290 Wörter

Nightmare - please Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt