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Eine Decke legte sich über mich, ein Arm unter meine Beine, während der andere meinen Rücken begann zu stützen.
Der Stoff des Sofas unter mir verschwand, machte der unangenehm kühlen Luft Platz. "Schlaf weiter Lia..", er flüsterte bloß, doch ich schüttelte nur unwillig den Kopf.
"Ich will nicht wieder schlafen...", meine Stimme brach, ich klang weinerlich, mal wieder.
Ich wollte wirklich nicht mehr schlafen, nicht Wochen oder gar Monate in einem Bett verbringen, welches mir nur Unheil gebracht hatte.
Von Alpträumen über Panikattacken zu Zusammenbrüchen, das konnte mir also gerne erspart bleiben.
Ich lehnte meinen Kopf gegen seine muskulöse Brust, schloss durch das komische Schwindelgefühl die Augen.

Prompt spannte Raelynn sich an, hielt mich anders fest und legte seine flache Hand sanft an meine Stirn.
"Fuck du glühst...", sein Kiefer begann zu mahlen, "Ich bringe dich ins Krankenhaus."
Erneut unwillig schüttelte ich den Kopf, versuchte plötzlich wieder von seiner angenehmen Wärme zu fliehen.
"Doch, Lia. Tut mir leid aber dieses eine Mal muss ich meinen Schädel noch durchsetzen.", entschuldigend lächelte er mich an, strich mir sanft eine meiner Haarsträhnen hinters Ohr und legte seine Hand an meine Wange.

"Es geht um deine Gesundheit, okay? Da bin ich noch etwas sturer als wenn es ums Rudel geht.", er versuchte irgendwie locker zu klingen, scherzend, doch seine Augen wurden von Herz auf gleich ernst, sahen mit ihrem tiefen Grün direkt in die meinen.
Nach einer kurzen Zeit des Starrens gab ich nach, fühlte mich zu erschöpft für diese Diskussion.
Mein Kopf lehnte sich an seine Hand, wurde kurz darauf wieder sanft an seine Schulter gebettet.

Er legte die Decke enger um mich, brachte mich zu einem Wagen, welcher mir noch fremd war und schnallte mich an.
Das Leder roch noch neu, das Armaturenbrett glänzte und der große Bildschirm zwischen den beiden Vordersitzen glänzte mir mit seinem schwarzen Display entgegen.
Auch dieses Auto schien tief gelegt, sportlich angehaucht, doch hatte, so weit ich es beurteilen konnte, noch etwas mehr technischen Schnickschnack und ein paar mehr PS integriert.

Die Fahrerseite öffnete sich, der Alpha plumpste in den tief gelegenen Sitz und holte mit einem Knopfdruck das leise Schnurren des Wagens hervor.
Mein Körper schmiegte sich in die sportliche Form der schwarzen Sitze, sackte immer mehr in ihn hinein, während mein Kopf sich an der Scheibe einen Platz zum überleben der Fahrt suchte.

Mir viel das Atmen schwer, erneut.
Die Schmerzen in meiner Brust kamen zurück, nutzten die Chance, dass mein ganz persönlicher Schutzschild, meine lebende Schmerztablette, die jeden Schmerz einfach so ausschalten konnte, neben mir saß anstatt mich in seinen Armen zu halten.
Mir wurde übel, mein Schädel begann zu brummen.
Ich war nicht mehr in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn zwischen Schlaf und Realität zu unterscheiden.

Das nächste was ich erkannte war, dass ich auf einer Liege lag, Raelynn vorsichtig über meinen Handrücken fuhr und mich wachsam ansah.
Er redete mit einem Arzt, leise und angespannt, doch ich hörte nicht zu.
Ich hasste es müde zu sein, das Gefühl jeden Moment von einem Ozean verschlungen zu werden, als würde man auf dem Wasser eines unendlichen Meeres treiben und auf das brechen der nächsten Welle warten.
Der Ältere spannte sich auf eine Frage hin an, schüttelte beinahe schon wütend seinen Kopf.

Wieder bewegten sich seine Lippen, formten irgend welche gezischten Worte, welche von dem Rauschen in meinen Ohren überdeckt wurden.
Plötzlich wandte sich sein Blick dem Weißen Kittel zu, meine Lider gaben ihren Dienst auf.
Müde schloss ich die Augen, atmete mühsam durch.
Die angenehme Wärme an meiner Hand verschwand, tauchte kurz darauf an meiner Wange wieder auf.
Vorsichtig hob der Alpha mein Kinn an, versuchte mich zu wecken.
Unwillig winselnd sah ich zu ihm, ich wollte doch bloß schlafen.
Die Erschöpfung brachte mit Tränen in die Augen, mein Körper begann bei jeder Bewegung zu rebellieren, schmerzen, zucken.
Er strich mir einen der entflohenen Tropfen von der Wange, sah entschuldigend auf mich hinunter.

"Nicht mehr lange okay?", auf seinen weichen Lippen bildete sich ein gespieltes Lächeln, ich verstand nur die Hälfte der Worte, die er mir entgegen brachte.
"Lassen Sie sie nicht schlafen, bis eine Schwester sie aufs Zimmer gebracht hat. Solche Fälle sind zwar nicht allzu selten, doch es kommt immer auf die Person an wie das Ganze ausgeht.", Raelynns Hand an meiner Wange stockte, sein Blick wandte sich geschockt dem Arzt zu.
"Was meinen sie damit?", er knurrte, wurde lauter, fordernder, panisch.
"Nun ja, ihr Wolf hat sich offensichtlich so weit zurück gezogen, dass er Abwehrsystem sowie Kraft mit sich gezogen hat, wenn ihr Zustand unverändert bleibt, weiß ich nicht was passieren könnte.", die Stimme war fachlich, ruhig.

Wieder Raelynns Blick auf mir, doch plötzlich glitzernden seine Augen nass, zogen mich seine Arme auf seinen Schoß, eng an ihn.
"Gott Alia es tut mir so leid...", seine Stimme zitterte, war kaum verständlich und von meinen Haaren gedämpft.
Mit einer kraftlosen Bewegung fuhr ich über seinen rücken, legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab.
"Du musst wieder gesund werden kleines, okay?", meine Haare wurden nass, sein Brustkorb begann zu beben.
Weinte er?
"Bitte, Lia..."

Ohne den Sinn seines Satzes zu erkennen, nickte ich verwirrt, rückte näher an seinen warmen Körper heran.
Diese Müdigkeit würde mir noch die letzten Nerven kosten.
Ich spürte wie seine Finger sich in meinen Rücken krallten, mich noch dichter an ihn heran brachten.
"Du schaffst das...", sein Gesicht löste sich von meiner Halsbeuge, die Hand die eben noch an meinem Hinterkopf lag, huschte zu meiner Wange.
Seine Augen hatten einen etwas rötlichen Ton angenommen, seine dunklen Wimpern hingen aneinander und wurden von der Nässe an Ort und Stelle gehalten.

Vorsichtig fuhr er über meine warme Haut, presste seine Lippen fest aufeinander.
Ich hatte nicht gemerkt, dass der Arzt den Raum verlassen hatte, doch abgesehen von uns war es leer.
"Sie muss zurück kommen... Gott es tut mir leid!", gestresst fuhr er durch seine zerstörten, schwarzen Wellen.
Leicht schüttelte ich den Kopf, lehnte mich zurück an den Oberkörper meines Mate.
Seine Finger fuhren sanft über meinen Rücken, hoch zu meinen Haaren und massierten meine Kopfhaut.
Es war still zwischen uns geworden, jeder hing in dem eigenen Kopf.
In seinem wütete die Hölle, tausende Gedanken, Gefühle, Ängste.
In meinem war es still, monoton, leer.
Bei jedem zögernden Pumpen meines Herzens, breitete sich ein Schmerz in meinen Adern aus, huschte bis in meinen Kopf und verschwand.

Nach ein paar Minuten, in welchen er immer mal wieder kontrollierte ob ich wach war, kam eine Krankenschwester rein, schon ein Krankenbett in den Raum und fragte Raelynn irgend etwas, worauf hin er den Kopf schüttelte und mich mit Leichtigkeit anhob.
Er ging an dem weißen Rollgestell des Bettes vorbei zur Tür, brachte mich auf eines der Einzelzimmer und wartete darauf, dass die Rothaarige ihm mit dem fehlenden Bett folgte.
Er hatte mich fest im Griff, murmelte mir leise und beruhigend Sachen zu, erzählte mir etwas, brachte meinen beschleunigten Herzschlag wieder zur Normalität zurück.

Das Bett kam rein, er setzte sich hin, verspannte sich als ich zusammen zuckte und verwirrt zu der Nadel in meiner Armbeuge sah und kurz darauf den Schlauch zum Tropf erblickte.
Die fremde Frau stellte einen großen Kasten an, drückte ein paar mal auf den Bildschirm und kam mit ein paar Pflastern auf mich zu.
Wieder machte sich Panik in mir breit, verleitete mich dazu, meinen Körper fest an die steinerne Brust vor mir zu drücken.
Sie sollte mich in Ruhe lassen, mich nicht wieder an das piepsende Gerät anschließen, von welchem ich viel zu kurz befreit gewesen war.
Der Alpha schüttelte den Kopf, nahm der Krankenschwester die viereckigen EKG-Pflaster aus der Hand und teilte ihr mit, dass er das schon selber machen würde, wäre ja nicht das erste Mal.

Nickend drehte sie um und verließ den Raum, ließ und beide wieder alleine.
"Ich will nach Hause, Rae...", ohne etwas zu sagen drückte er seine Lippen auf meine Schläfe, fuhr über meine Taille und legte mich in das kalte Bett.
Vorsichtig fuhr er mit den Pflastern unter meinen Pulli, drückte sie leicht auf meine Haut und verkabelte mich mit dem Monitor.
Sofort begann die gerade Linie zu springen, begann immer schneller die Berge zu zeichnen.
"Entspann dich...", die Decke hob sich und Raelynn schlüpfte mit drunter, "Alles wird wieder gut.", sein Arm legte sich um meine Taille, genau in dem Moment, in welchem mich die Weller voll von Dunkelheit übermannte.

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1400 Wörter

Nightmare - please Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt