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Durch Lärm auf dem überfüllten Flur wurde ich wach, alleine. Panisch sah ich um mich, erkannte bloß das weiße, eiserne Bettgestell und den blinkenden Monitor vor mir. Draußen war es dunkel geworden, eine dicke Wolkendecke versperrte die Sicht auf die Sterne und ließ das kleine Zimmer noch dunkler wirken.

Mein Puls schoss in die Höhe, ließ diesen grauen Kasten wie verrückt piepsen und mich noch mehr in meine Panik fallen. Mein Herz stolperte über seine Schläge, meine Brustkorb hob sich nur noch stoßweise und die Schmerzen in meinem gesamten Körper wurden von Sekunde zu Sekunde stärker.

Die Tür wurde auf gestoßen, stumm rannten weiße Kittel auf mich zu, riefen dann plötzlich irgend etwas hin und her. Ich versuchte sie von mir zu stoßen, wieder Platz zum atmen zu haben, doch sie gingen nicht.
Warum gingen sie nicht?
Wo war Raelynn?
War ihm was passiert?
Wer war dieser Mann in dem hohen Raum?
Hatte er Raelynn verletzt?

Tränen stiegen in meine Augen. Was war mit Thea, war der Mann schon weg gewesen als sie nach Hause gekommen war? Meine Wangen wurden Nass, die fremden drückten mich weiter in die harte Matratze. "Lass mich los!", ich schrie die Männer an, konnte diese fremden Hände auf meinem Körper nicht mehr ertragen. Sie sollten mich in Ruhe lassen, mir sagen wo die anderen waren.

"Beruhigungsmittel!", jemand stieß mir eine längliche Nadel in den Arm, erschrocken zuckte ich weg. "Lasst mich..!", meine Verzweiflung stieg ins Unermessliche, dann ein Knurren und plötzliche Stille. Das Blut rauschte in meinen Ohren, mein Kopf hämmerte viel zu schnell vor sich hin. Die Hände entfernten sich von mir, die Spritze wurde aus meinem Arm entfernt.

Das Licht aus dem Flur blendete meine nassen Augen. Eine merkwürdige Müdigkeit überkam mich, drohte mich aufs Neue zu übermannen. "Fasst sie noch ein mal an und ich schwöre euch, ihr endet sie mein Vater.", unermessliche Wut schwang in der kalten, rauen Stimme mit. Trotz dem Beruhigungsmittel schlug mein Herz erneut schneller, gab sein bestes mich wach zu halten. Die sterilen Kittel traten von mir zurück, verließen schnell und unterwürfig das Zimmer. Die Tür schloss sich, während die Matratze neben mir sich langsam senkte. Ich spürte die vertraute Wärme Raelynns neben mir, welcher mich durchdringend musterte.

Er scannte mich nach neuen Wunden ab, versuchte zu sehen ob mich aufs Neue jemand verletzt hatte.

Er legte sich neben mich und schlang vorsichtig seinen Arm um meine schmale Taille. Langsam zog er mich näher an sich heran, strich über meinen Rücken. "Schlaf weiter, Lia. Ich gehe nicht noch mal weg.. versprochen..", eine Gänsehaut machte sich auf meinem Körper breit, welcher sich kurz darauf entspannte. Krampfhaft versuchte ich meine Lider vor dem runterklappen zu bewahren, musste es allerdings nach ein paar wenigen Sekunden aufgeben.

Ich wollte nach Hause, weg von hier.
Dieses unablässige Piepsen raubte mir den Verstand, das Wissen, dass ich keine Macht darüber hatte wann ich hier raus kam, machte das ganze nicht besser.
Natürlich könnte Raelynn darum bitten die Papiere zu unterschreiben, welche mich früher gehen lassen würden, doch das würde er vermutlich niemals zu lassen.
Und ich hatte die Volljährigkeit noch nicht erreicht, na super.

Fertig verlagerte ich meinen dröhnenden Kopf von dem platten Kissen, zu der warmen Schulter meines Nachbars. Die Tränen, welche mir noch immer entflohen, vergaß ich komplett. Die Panikattacke schien mir die gesamte Kraft geraubt zu haben, aufs Neue fühlte ich mich müde und unfähig. Das Piepen wurde in meinem Kopf immer leiser.

Ich spürte wie angespannt er war, mal wieder ließ es mich unruhig werden. Seine Hand begann über meine Taille zu wandern, bereitete mir eine angenehme Gänsehaut. Das erste mal in meinem Leben, genoss ich das Kribbeln, welches er durch meine Haut jagte. Langsam fühl meine Hand über seine Brust herunter zu seinem Bauch, versuchte ihn irgend wie zu entspannen bevor ich wieder in die Tiefen des künstlichen Schlaf abdriften würde, welchen mir die Ärzte in meine Venen gezwungen hatten.

"Schlaf, Lia.", wieder dieses Fremde in seiner, sonnst so kalten und autoritären Stimme. Unwillig sah ich zu ihm. Ich wollte nicht schlafen, nicht schon wieder. Der letzte Tag hatte mir gezeigt wie schnell alles vorbei sein konnte, wie einfach ein dummer Zufall einem das Licht der Welt verwehren konnte.

Ich wollte raus, durch den Wald rennen, das Leben genießen. Raelynns weicher Blick traf auf meinen, ein bittender Schimmer zierte das dunkle Grün seiner Augen und ließ mich unwillig nachgeben. Mein Kopf legte sich wie von selber wieder ab, mein Arm legte sich über seinen Bauch. Eine Weile starrte ich die dunkle Wolkenschicht an, stellte mir vor wie fröhlich und hell die kleinen Sterne hinter ihr tanzen mussten.

"Wo warst du eben..?", meine Gedanken hingen einen Moment an dem geschehen von eben, das schnelle piepsen, die Worte die hin und her geschrien wurden, die Panik die sich in mir breit gemacht hatte als ich bemerkt hatte, dass ich alleine war. Ich spürte wie seine Hand an auf meiner Haut stoppte, sein Brustkorb zu Beben begann. Seine Finger krallten sich in meine Taille, ein Knurren wütete in seiner Brust. In diesem Moment war er nicht im hier und jetzt, vermutlich sah er das umstellte Bett vor sich, hörte meine panischen Rufe.

Ein schlechtes Gewissen keimte in mir auf, mein Brustkorb zog sich zusammen. Er hatte doch schon genug um die Ohren und dann kam ich so um die Ecke. "Denk nicht so eine Scheiße!", seine Stimme bestand aus einem harschen Zischen, ich verspannte mich. "Aber es ist doch so...", nun knurrte er mich an, meine Nackenhaare stellten sich auf. "Nein ist es nicht, Lia! Verdammt...", zittrig versuchte er sich zu beruhigen. Mein Blick glitt unsicher zu ihm auf, erhaschte einen Blick auf den goldenen Schimmer in seinen Augen, bevor dieser verebbte.

Meine Unsicherheit stieg in die Höhe, vorsichtig wollte ich mich von ihm herunter bewegen, wurde allerdings sofort von ihm aufgehalten. Sein Arm drückte mich sanft zurück an sich, die Linie am EKG malte schneller ihre Berge und ließ mich peinlich berührt den Blick senken.

Ich wollte nicht ein mal, dass mein Körper so auf ihn reagierte. Er konnte mich beruhigen, ohne, dass ich ihm wirklich vertrauen schenkte. Ich hasste dieses Gefühl der Sicherheit, welches ich nur durch diese Verbindung spüren konnte, doch was sollte ich da gegen tuen? "Ich war mir einen Kaffee holen... Hätte ich gewusst, dass du die Nacht nicht durchschläfst wäre ich da geblieben..", seine Hand wanderte durch die Längen meiner Haare. Etwas nickend schloss ich die müden Augen, gab den Kampf gegen das starke Mittel auf. Unbemerkt verlor ich den Draht zu der Realität wieder, entglitt der Kontrolle über meinen eigenen Körper.

Ich schlief tief und traumlos, würde noch lang in den nächsten Tag hinein dösen. Doch was sollte man auch sonnst hier machen? Die Löcher in der Decke zählen? Meine angespannten Muskeln entspannten sich, gaben sich der tiefen Schwärze hin.

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1140 Wörter

Danke für 10k reads! Ihr seid der Wahnsinn :D

Nightmare - please Trust meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt