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   Der Wind wehte stark und wirbelte das hellbraune Haar der Priesterin auf, so dass es wild Abstand. Die Sonne war vor wenigen Augenblicken aufgegangen und der strahlend blaue Himmel verriet, dass sie auch heute weiter gut voran kommen würden. Die junge Frau lehnte allein an der Reling und starrte auf den weiten, leeren Horizont. Die Reise war lang. Dabei kam es ihr deutlich länger vor als der Hinweg, auch wenn der Kalender etwas anderes verriet. Der Wind stand bisher die ganze Zeit in ihren Diensten und jeden Tag waren die Segel des Dreimasters dick aufgebläht gewesen. Aber die Reise war unspektakulär an ihr vorbeigezogen, hier und da langweilte Marialle sich.
Sie spürte wie sich zwei Hände zärtlich auf ihre Hüften legten und sich ein warmer Körper sanft von hinten an sie schmiegte. Sie lehnte sich etwas zurück und neigte ihren Kopf hoch zum Himmel, was ihren langen, schmalen Hals frei gab. Einige Küsse wurden sanft auf den dargebotenen Puls gelegt, was die junge Frau dazu brachte, genießend ihre Augen zu schließen.
"Wieso stehst du immer vor mir auf, Mari?" Erklang die glockenklare Stimme von Dolette dicht hinter ihr. Marialle schmunzelte. "Na weil ich es kann. ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen ich dich nie schlafend erwischen konnte. Weißt du, ich habe auf dieser Reise erkannt, dass ich diese Zeit ein mal am Tag für mich brauche, damit ich nicht in ein Loch falle. Außerdem, wenn du mich auf diese Weise aus meinen trüben Gedanken holst, lohnt es sich doch, sich jeden Morgen aus unserem Bett zu stehlen." Ein Hauch Verzückung lag in ihrer Stimme und auch auf ihrem Gesicht, mit den noch immer geschlossenen Augen, spiegelte sich dieser Ausdruck. Sie ließ eine ihrer Hände nach hinten gleiten und wühlte sich durch die blonden Wellen, zum Nacken ihrer Liebsten und zog sie so noch näher an sich, spürte die Rundungen an ihrem Rücken und lächelte seicht und verträumt.
"Na wenn das so ist. Aber Pass auf! Wenn du nicht leise genug bist, zieh ich dich sonst einfach wieder zurück zu mir", kam es schmunzelnd an ihr Ohr. Sie hatte der Paladin kurz nach der Abreise erklärt, was in ihr vorging. So war sie zwar endlich wieder glücklich, doch belastete sie ihre Schuld noch immer und während der Reise hatte sich dieses Ritual als irgendwie heilsam erwiesen.
"Das will ich doch hoffen, Dole", flüsterte sie nun fast und legte ihre andere Hand auf die beiden der Elfe, die mittlerweile um ihren Körper auf den Bauch gewandert waren. Die vollen Lippen der Paladin berührten nun beinah ihr Ohr, als sie wieder sprach: "Aber wenn ich dich morgens erst mal erwische, lass ich dich nicht so schnell wieder aus dem Bett. Das ist dir klar, oder?", fragte sie verführerisch und der Hauch an ihrem Ohr, ließ die Nackenhaare, der jungen Frau aufstehen.
"Hmm, also das sollten wir vielleicht jetzt mal ausprobieren?" War die verspielte Antwort, doch der Schrei einer Möwe riss sie unbarmherzig aus ihrer Zweisamkeit.
"Land in Sicht!", schrie der Ausguck direkt darauf.
Marialle hörte es leise hinter sich grummeln, als die Arme zurückgezogen wurden. Schon strömten haufenweise Menschen an Deck und scharten sich um die beiden Frauen.
"Endlich!", sprach eine hinzugetretene Jaina Prachtmeer fast ehrfürchtig, neben der Priesterin. Marialle sah in das Gesicht ihrer Geliebten, die ihr zu zwinkerte und glücklich lächelte. Ihr war es grade völlig egal, die Elfe sah so atemberaubend schön aus in ihrer hellen Leinenhose und dem weiten Hemd, dass sie zum Schlafen trug. Ihre blonde Mähne umspielte wild das makellose Gesicht und die grünen Augen funkelten im Licht der aufgehenden Sonne.

Es dauerte noch eine Weile, bis sie den Hafen Sturmwinds erreichten. Noch bevor sie anlegten, wurden lauthals Befehle hin und her geschrien und als sie endlich festen Boden unter den Füßen hatten, wurden sie von Varian Wrynn, dem König Sturmwinds, strahlend in Empfang genommen.
"Ich kümmer mich darum. Sucht eure Familie, Lady Lichtsprung", sagte Jaina leise, so dass nur Dolette und Marialle sie hören konnten. Die Priesterin nickte dankbar und nahm die Paladin an die Hand, um schnell am König und seinem Gefolge vorbei zu huschen. Die Elfe nickte ihren Gefährten zu, sie hatten jetzt ihren wohlverdienten Urlaub, Absprachen waren vor der Landung getroffen worden.
Die beiden Frauen eilten, rannten fast.
"Wo sollen wir denn suchen?", fragte Dolette, als sie sich in der Stadt umsah.
"Wir gehen erstmal auf den Markt, wenn sie einen Hof in der Nähe gefunden haben, werden sie da irgendwas verkaufen oder irgendeiner kennt sie."

So schickten sich die beiden Frauen an, den Markt so schnell wie möglich zu erreichen. Wenig später traten sie auf den Platz vor der riesigen Kathedrale, dort herrschte reges Treiben. Die Stände der Bauern und Handwerker reihten sich aneinander und die Verkäufer brüllten und versuchten einander zu übertönen. Marialle klingelten die Ohren. Die Wochen auf dem Schiff, die monatelange Ruhe in Theramore hatten sie empfindlich gemacht gegenüber einer solch lauten Geräuschkulisse.
Die beiden Frauen sahen sich aufmerksam in dem Trubel um, einen von Marialles Familienmitgliedern zu entdecken, aber der Markt war riesig. Die Sonne stand schon leicht schief, als sie an einen Stand kamen, an dem sie Marialles Schwägerinnen erkannten.
"Beim Licht. Meredith, Charlotte, Daria!", rief Marialle und schob sich winkend durch das Gedränge. Die drei sahen gleichzeitig auf.
"Mari!", schrie eine überrascht. "Dolette!", die nächste. "Ihr lebt! Welch ein Glück", dann die dritte. Dabei machten sie erst eine Weile große Augen, bevor sie in der Lage waren zu lächeln und um den Stand herum zu treten, um die beiden Frauen herzlich zu umarmen.
"Wie war eure Reise?", fragte irgendwann Charlotte, noch immer ungläubig. "Später, Charlotte. Bitte erzählt zuerst, wie es euch ergangen ist", bat Marialle.
"Ja, ja natürlich. Helft ihr uns den Stand abzubauen? Dann erzählen wir euch alles auf dem Weg nach Hause", antwortete Charlotte ruhig, aber ein Schatten glitt kurz über das Gesicht der Frau.
Dolette und Marialle halfen den drei Frauen und so war der Stand in wenigen Momenten abgebaut. Als die fünf Frauen vom Markt traten und die Geräuschkulisse hinter sich ließen, begann Charlotte zu erzählen: "Wir waren einige Tage mit unseren Karren unterwegs, bis wir endlich den Turm erreichten. Meister Yskopaiah übergab uns dein Erspartes und war auch ansonsten überaus hilfsbereit. Wir blieben einige Tage im Turm und er half uns einen geeigneten Hof zu finden. Es dauerte eine ganze Weile, aber wir haben mittlerweile alles eingerichtet, uns eingelebt und alles in Gang gebracht. Wir haben wieder mehr Tiere und das was wir nicht selbst brauchen, verkaufen wir auf dem Markt", schloss Marialles Schwägerin ihre Ausführung ab.
"Und geht es allen gut?", fragte nun Dolette, die ebenso wie ihre Liebste gespannt gelauscht hatte. Der Blick von Charlotte verfinsterte sich etwas. "Mari es tut mir leid, aber euer Vater ist letzten Winter verstorben. Ich denke, es war alles zu viel für ihn. Er ist gestorben, als sicher war, dass wir den Winter gut überstehen konnten und der Betrieb gut laufen würde." Nachdem Tränen den Schock in Marialles Augen abgelöst hatten, lächelte sie leicht. "Das sieht ihm ähnlich, erst abtreten wenn alles geklärt ist." Marialle war das jüngste Kind ihrer Familie und ihre Eltern hatten ihren Zynit eben schon erreicht. Sie war selbst darüber verwundert, wie gefasst sie diese Nachricht aufnahm, doch als sie die Hand der Paladin auf ihrer Schulter spürte, brachen sich die Tränen doch ungehindert Bahn und sie vergrub schluchzend ihr Gesicht an der Schulter der schönen Elfe.
"Ist gut, Mari. Er hatte ein erfülltes Leben", sprach Dolette ruhig auf sie ein und schien genau zu wissen, was in der Priesterin vorging und fand wie so oft die richtigen Worte.
"Ja, ich weiß. Lasst uns nach Hause, ich möchte die anderen sehen." Die Paladin nickte entschlossen und so kam der Karren, mit den Standutensilien, der von einem Ochsen gezogen wurde, wieder in Bewegung.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt