18

235 20 0
                                    


   Sie erreichten das Königreich Lordaeron Tage später. Seit der Ansage ihrer Kommandantin, hatten die Männer die junge Priesterin mit viel Respekt und Freundlichkeit behandelt, außer Borigan, von dem immer wieder missmutige Blicke auf ihr ruhten. Marialle fragte sich stets, ob er allgemein ein wenig umgänglicher Mann war, oder ob er nur ihr so sehr misstraute.
So sind Männer halt wenn man sie bei ihrem Stolz packt, dachte sie schmunzelnd bei sich.

Ihr Blick huschte zu der anmutigen Elfe, die langsam neben ihr her ritt und sie erinnerte sich unwillkürlich an die Abende die sie am Lagerfeuer miteinander verbrachten. Sie lachten und erzählten. So hatte sie mittlerweile herausgefunden, dass die mächtige Paladin einst eine Magierin, wie so viele ihres Volkes, war. Doch die Gier nach Magie wurde für ihre Seele irgendwann zum Problem. Und anders als die meisten, suchte und fand sie für sich eine Lösung im Glauben an das heilige Licht und so wurde sie erst Klerikerin und später dann Paladin. Marialle hatte mit ihrer Einschätzung also recht, die Hochelfe hatte schon viele Winter auf Azeroth gesehen.

Ihrerseits erzählte sie von ihren Eltern, die hier aus Lordaeron stammten und sie sehr früh in die Obhut von Meister Yskopaiah übergaben, da sie Marialles Talent erkannten. Außerdem von ihrer Lehre, die sie an diesen Punkt geführt hatte. Da war ihr klar geworden, dass sie noch nicht allzu viel von der Welt gesehen hatte.
Die Kommandantin sah zu ihr rüber, als würde sie ihren Blick auf sich spüren. Sie lächelte.
"Der Hof eurer Eltern sollte hier ganz in der Nähe sein, oder Lady Lichtsprung?" Hitze stieg ihr ins Gesicht, als sie sich bei ihren Gedankengängen ertappt fühlte.

"Uhm, Ja richtig." Sie sah in die klaren, dunkelblauen Augen und spürte wie diese durch ihre unbedeutende menschliche Hülle direkt in ihre Seele zu blicken schienen.
"Verzeiht! Ich dachte nur es wäre eine gute Idee, auf dem Rückweg einen Abstecher dorthin zu machen."
Ihre bernsteinfarbenen Augen blickten warm in die der Paladin, um ihr zu zeigen, dass es nichts zu entschuldigen gab.
"Wisst ihr, ich bin so früh von zu Hause fort, immer wenn ich meine Familie besuchte, fühlte ich mich von mal zu mal fremder im Haus meiner Geburt." Dolette schluckte und nickte verstehend.

"Ich denke, dass das nicht ein Umstand ist, dem man sich ergeben sollte, Lady Lichtsprung. Vielleicht bräuchtet ihr ja auch nur jemanden als Begleitung, der euch etwas Sicherheit gibt." Wieder diese unverhohlene Neugierde im Gesicht der Elfe, der ihr einen so jugendlichen Ausdruck verlieh. Sie wartete gespannt, offenbar auf eine Antwort oder eine spitze Erwiderung. Marialle entschied sich für eine Mischung aus beidem.

"Denkt ihr da zufällig an einen bestimmten Schutzschild in meiner Nähe?", kicherte sie belustigt und fuhr dann ernster fort, "aber vielleicht habt ihr Recht. Ich sollte mich nicht aus Feigheit von meiner Familie abwenden. Und mit charmanter Begleitung wäre es unter Umständen vielleicht sogar spaßig!" Sie lächelte leicht verträumt in die Ferne und erwischte sich dabei wie sie es sich vorstellte.
"Also ist es abgemacht?", fragte Marialle nun unvermittelt und direkt.
"Was?", kam es überrascht von Dolette.
"Na, dass ihr mich nach unserer Mission zu meinen Eltern begleitet!"

Die junge Menschenfrau legte ein Lächeln auf, von dem sie hoffte, dass es unwiderstehlich war, worauf die Paladin ihr bemüht charmant wie eh und je antwortete. "Nun, Mylady, selbstverständlich wäre es mir eine Ehre euch zum Hofe eurer Eltern zu begleiten, aber ihr wisst..."
Unwirsch wurde sie von der Priesterin unterbrochen.
"Oh, jetzt kommt! Setzt mir nicht diesen Floh ins Ohr und lasst mich dann hängen?" Ein Seufzen war zu vernehmen, als die Elfe den Kopf leicht schüttelte.
"Nein, natürlich lasse ich euch nicht hängen. Ich würde euch sehr gern begleiten wenn wir hier fertig sind, Lady Lichtsprung."

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre sinnlichen Lippen bis hoch zu ihren dunklen Augen. Marialle verlor sich in diesem warmen Lächeln und so ritt sie die restliche Zeit schweigend neben der Kommandantin her, bis sie erneut das große Lager aufschlugen. Morgen würden sie das Internierungslager erreichen.
Alles ging seinen mittlerweile gewohnten Gang und der gesamte Trupp schien zeitig zu schlafen.
Marialle wachte auf, einem Gefühl folgend verließ sie ihr Zelt und der Mond sagte ihr, dass es schon mitten in der Nacht war. Sie trat aus dem Lager auf eine Lichtung auf der die schmalen Umrisse der Elfe beschienen wurden und sie wie eine Erscheinung wirken ließen.

Sie hatte ihre Rüstung abgelegt und war nur noch in das blaue Leinenhemd und eine weiße, halblange Hose gekleidet, die sie sonst darunter zu tragen pflegte. Die Kleider verbargen im Gegensatz zu der Rüstung, kein bisschen die wohlgeformte Figur der schönen Frau. Sie hielt die Augen geschlossen und schien den Kopf, dem Mond entgegen zu recken. Was machte sie denn da? 
Als hätte die Paladin den Gedanken gehört, öffnete sie ihre Augen und schaute ausdruckslos in die Richtung aus der die junge Priesterin kam. Da sie jetzt auch nicht mehr zurück gehen konnte, trat sie näher zu der Frau in das magisch anmutende Licht des Mondes. Unvermittelt begann Dolette zu sprechen.

"Wisst ihr, mein Paladin Meister hat mich gelehrt, dass Licht immer Licht ist egal ob es von der Sonne, oder vom Mond auf uns nieder scheint, oder aber auch einfach aus uns heraus. Manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, blicke ich zum Mond und eine tiefe Traurigkeit überkommt mich." Sie schaute wieder zu dem runden, silbern scheinendem Ball, hoch am dunklen Himmel und ein seichtes Lächeln umgab ihre Züge.
"Seit ich dem Licht so verbunden bin fühle ich mich manchmal viel machtloser, als ich es eigentlich bin. Ich versuche Gutes zu tun wo ich kann, aber es scheint nie zu reichen." Sie brach ab.

Marialle sah auf die Gestalt der Frau, die grade so zerbrechlich wirkte. Die Quel'dorei blickte zurück in das Gesicht der jungen Menschenfrau und lächelte nun ehrlich, als sie offenbar eine Erkenntnis anheim suchte.
Marialle ihrerseits konnte nur über das Wechselspiel, das sich auf dem Gesicht der Elfe abspielte, staunen.
"Ihr redet von euren Brüdern und Schwestern, die die Mondgottheit verehren? Es gibt sie wirklich?" Traurigkeit lag in ihren Augen, doch noch immer lächelte Dolette die Priesterin an, als sie ihr zustimmend zu nickte.

Sie wandte nun auch ihren Körper in die Richtung der jungen Frau und der Ausdruck auf ihrem Gesicht änderte sich wieder drastisch, von traurig, lächelnd zu interessiert und forschend.
"Was ist das nur an euch, Lady Lichtsprung?"
Überrascht sah sie auf in die tief dunklen Augen der Elfe, die sie durchbohrten.
"Wie meint ihr das, Lady Glutklinge?"
Der silberne Glanz des Mondes tanzte in den feuchten Augen der Paladin. Die suchte offenbar nach Worten, doch bleib eine Antwort lange aus, bis sie ihren Blick wieder gen Himmel richtete und leise, fast flüsternd anfing zu sprechen.

"Wisst ihr, wenn man so lange auf dieser Welt herum wandert wie ich, dann hat man die schlimmsten Dinge gesehen, erlebt und auch getan. Man reflektiert sich selbst, bereut Dinge getan und gelassen zu haben. Die alten Wesen dieser Welt gehen auf die unterschiedlichsten Arten damit um. Manche verdrängen oder vergessen, andere zerfallen daran und fallen in ein tiefes Loch und wieder andere Stellen sich. Und dann gibt es welche, so habe ich zumindest gehört, dessen Seelen einfach ein Stück weit heilen." Die glockenklare Stimme, die die Stille der Nacht so zärtlich durchbrach, endete jäh bevor sie beginnen konnte zu zittern.

Marialle trat noch etwas näher an die Elfe und legte ihr sachte eine Hand auf die Schulter, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Als die, mit Tränen gefüllten, sehnsüchtigen Augen in das Gesicht der Priesterin schauten, erstarrte diese für einige Herzschläge. Die traurige Elfe sah im fahlen Mondlicht einfach unglaublich schön aus und sie schalt sich für ihre Gedanken, die sie gerade als so unpassend empfand. Marialle rief sich zur Ordnung, versuchte ihrem schneller schlagen wollendem Herzen Einhalt zu gebieten, damit sie sprechen konnte.
"Wisst ihr auf welche Art sie heilen können?"

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt