"Was hast du, Liebes?", fragte Magareth ohne Umschweife mit besorgter Miene.
"Na, man wird doch mal, vor lauter Familienglück, ein oder zwei Tränchen verdrücken dürfen, oder nicht Mutter?" Die Ältere sah ihre Tochter prüfend an.
"Selbstverständlich, aber ich kenne dich gut genug um zu wissen, dass das nicht alles ist." Sie nahm ihre Mutter liebevoll in die Arme. Wohl wissend, dass sie ihr nichts vorzumachen vermochte.
"Ach Mama..." Mehr brachte sie nicht heraus. Sie wollte sich ihrer Mutter nicht anvertrauen. Zu groß erschien ihr die Gefahr, sie mit ihren Gefühlen, für die Paladin zu verletzten, oder gar Schlimmeres."Meine Tochter, eine Mutter sieht wenn ihr Kind verliebt ist und erst recht wenn noch dazu unglücklich." Verdammt! Sie hätte es besser wissen müssen. Natürlich konnte sie nichts vor ihrer Mutter verbergen, mal abgesehen davon, dass sie ihr Herz schon immer auf der Zunge trug. Mehr als ein Nicken brachte Marialle nicht zu Stande.
"Es ist Dolette. Habe ich recht, meine Tochter?" Die Angesprochene erschrak und alle Gesichtszüge drohten ihr zu entgleisen. Magereth wartete indes keine Reaktion ab und beantwortete direkt die unausgesprochene Frage ihrer Tochter.
"Deine Blicke sprechen Bände. Ihre allerdings auch. Wisst ihr es voneinander?"Wieder folgte nur ein stummes Nicken. Marialle war ergriffen von dem ehrlichen Verständnis und dem Wissen, was in den Augen ihrer Mutter lag. "Verstehe. Also rührt dein Kummer von den Problemen die da auf euch zu kommen würden?" Die Klarsicht der älteren Frau verblüffte sie immer mehr.
"Ja, zwei Frauen, unterschiedliche Völker, mal ganz abgesehen von der unterschiedlichen Lebensspanne. Ich sagte ihr, dass mir das alles egal sei, aber ich bin da wohl zu naiv." Magereth strich der jungen Priesterin sanft über die feuchten Wangen."Da ist was dran, Mari", gab sie sanft zu, bevor sie fort fuhr, "Dennoch denke ich, dass wenn man sich liebt, jeder Weg lohnt, egal wie steinig er sein mag. Ich könnte mir vorstellen, dass ihr größtes Problem darin besteht, mit der Gewissheit leben zu müssen, dich irgendwann unausweichlich zu verlieren. Unwissenheit ist nun mal oft ein Segen, Kleines." So viel Wärme lag in diesen Worten und eine Geborgenheit breitete sich in ihr aus, wie Marialle sie nur bei ihrer Mutter fand. Sie lehnte sich zurück in die Umarmung und ließ ihren Tränen freien Lauf.
"Ich nahm sie mit hier her, um noch einmal mit ihr darüber reden zu können. In der Hoffnung, dass ein wenig von dem Glück was ich hier mit ihr zusammen empfinde, auf sie überspringt, aber nun weiß ich nicht was ich ihr sagen soll."Magereth schmunzelte, während sie ihrer Tochter liebevoll über das weiche, braune Haar strich.
"Ein zauberhafter Gedanke und er verfehlt seinen Effekt auch nicht. Nur denke ich nicht, dass du es nötig hast ihre Gefühle für dich noch weiter anzuheizen. Ihr Blick wenn sie dich ansieht sagt alles, aber ohne die passenden Worte wirst du sie nicht von ihrer Angst befreien können, Mari. Und da hört mein Rat leider auch schon auf. Versuch ihr die Angst zu nehmen, dann hast du eine Chance." Die junge Frau hatte sich wieder etwas gefasst und das Gesagte machte ihr tatsächlich etwas Mut, bis sie zur Tür hinaus, auf das traute Treiben ihrer Familie schaute."Was wird Vater nur sagen?" Und schon ließ sie den Kopf wieder hängen.
"Da machst du dir wirklich zu viele Gedanken, Kind! Auch wenn er ein Mann ist, so kennt dein Vater seine Kinder ebenso gut wie ich." Marialle blickte erschrocken in die braunen Augen ihrer Mutter und die Erkenntnis gab ihr noch mehr Mut. Ihr Vater hatte es erkannt und die Paladin trotzdem bereitwillig in seiner Familie willkommen geheißen. Ein erleichtertes Lächeln glitt über ihre Lippen.
"Und über alle anderen brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Was wir akzeptieren ist auch für sie alle absolut in Ordnung."Magereth hatte recht, vielleicht musste man einfach nicht alles so schwer nehmen und mal auf eine Karte setzen. Sie drückte diese weise Frau noch einmal fest an sich bevor sie sie fragte: "Wollen wir zurück?" Diese nickte lächelnd.
"Sicher, du wirst bestimmt schon sehnlichst vermisst." Und lächelnd kehrten sie zurück auf die Veranda wo sich alle miteinander unterhielten. Gustav der Ältere hatte sich auf Marialles Platz neben der Hochelfe niedergelassen und ließ sich Geschichten ihres Volkes erzählen. Sie lachten beide Herzhaft und erneut stieg eine Woge des Glücks in der jungen Priesterin auf, die alles Vorangegangene in den Schatten stellte.Er sah wie seine Tochter auf die Veranda trat und machte ihr einige Momente später platz. Rief quer über den Tisch zu seinem Jüngsten: "Jazper, würdest du uns die Ehre erweisen und uns mit deinem Flötenspiel beglücken?" Der junge Mann sah auf. "Natürlich. Gern, Vater." Er stellte sich ein klein wenig Abseits, holte seine Panflöte aus der geräumigen Hosentasche und begann eine seichte Melodie anzustimmen die hie und da immer mal wieder flottere Töne aufwies.
"Berthold, sei so gut und tanz an meiner Statt mit deiner lieben Frau Mutter." Er nickte ihm sanft lächelnd zu.Es ist immer dasselbe und immer wieder schön, dachte Marialle bei sich. Er klatschte fröhlich in die Hände, als sein Sohn begann seine Frau über die Veranda zu führen.
"Na los! Ihr anderen auch alle. Macht eurem alten Herrn die Freude!" Und alle taten wie ihnen geheißen. Die Eheleute fanden zu Paaren zueinander und Daria tanzte im Kreis mit den Kindern, nur Marialle und Dolette blieben über. Mit Erstaunen vernahm sie die leisen Worte der Paladin. "Darf ich bitten, Mylady?", fragte sie und hielt der Priesterin galant eine Hand entgegen. Zögerlich ergriff sie die ihr gebotene Hand und das vertraute Leuchten aus Silber und Gold erschien augenblicklich.Die Zwillinge applaudierten wild und riefen wie aus einem Munde: "Was für ein schöner Zauber, schaut doch nur!" Und auch alle anderen ließen sich kurzzeitig von dem schönen Schauspiel bezaubern, ehe sie wieder ihren Tanz aufnahmen. Die beiden sahen sich in die schimmernden Augen und beließen es dabei. Marialle zuckte mit den Schultern und wurde so gleich zu den anderen auf den freien Platz der Veranda gezogen, wo auch sie ungezwungen zu tanzen begannen.
"Führst du etwa öfter?", fragte die Priesterin interessiert. Ein glockenklares Lachen erklang.
"Nun, ich kann ein und für sich gar nicht tanzen, aber führen liegt mir wohl im Blut."Sie lächelten sich einvernehmlich an und tanzten so eine ganze Weile mit den anderen. Die Paladin wurde zwischenzeitlich von den Zwillingen in Beschlag genommen, die offensichtlich einen richtigen Narren, an der Elfe gefressen zu haben schienen und Marialle musste mit jedem ihrer Brüder einmal tanzen.
Als der Mond schon hoch am Himmel stand waren Grubert und Meredith die ersten, die ihre Zwillinge zu Bett brachten und es dauert noch eine ganze Weile bis die älteren drei ihnen folgten. Und so löste die Gesellschaft sich Stück für Stück auf, bis nur noch Gustav der Ältere und der Jüngere, mit samt Gattininnen und Dolette und Marialle übrig waren.Sie hatten den Tisch gemeinsam abgeräumt und saßen jetzt noch bei einem weiteren Krug Met zu sechst und ließen die Nacht ausklingen.
"Katrice wollen wir uns auch langsam verabschieden?" Die Angesprochene unterdrückte ein Gähnen und nickte nur.
"Na dann komm! Gute Nacht, ihr Lieben. Bis morgen Früh", hallte seine brummige Stimme noch ein paar Augenblicke nach.
"Gut, Mutter. Dann lass uns auch zu Bett gehen. Ich kann diese langen Feiern auch kaum noch durchstehen", scherzte Marialles Vater zu seiner Frau gewandt.
"Gute Nacht, ihr zwei. Macht auch nicht mehr so lange!" Margereth zwinkerte ihrer Tochter aufmunternd zu und Gustav klopfte Dolette sachte auf die Schulter.
"Gute Nacht auch von uns", erwiderte die Elfe lächelnd."Sag mal, wann hast du deine Rüstung eigentlich abgelegt?" Fragte Marialle die Paladin verwundert darüber, dass es ihr erst jetzt auffiel. Waren das etwa die Auswirkungen des Mets? Sie hatte heute zum ersten Mal mit trinken dürfen und so schien die Hitze gar nicht mehr von ihren Wangen zu schwinden.
"Ähm." Die Hochelfe blickte an sich herab.
"Ach so, ja. Nach dem ausgiebigen Essen natürlich! Sie wurde doch reichlich unbequem. Aber wann bekommt man schon mal ein so schmackhaftes Mahl gereicht." Sie lachten beide herzhaft und gelöst, bis das Lachen in ein sanftes Lächeln ebbte, das beide Münder der Frauen zierte.
"Hast du vielleicht noch Lust auf einen kleinen Verdauungsspaziergang? Es gibt da noch einen See den ich dir heute Nachmittag noch nicht gezeigt habe."
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Die dunkle Ritterin
FantasyDie Geschichte einer Todesritterin, die durch einen Auftrag für Sylvanas Windläufer, an ihrem vergessenem Leben rührt. Wer war sie einst? Wer ist sie heute? Und was wird aus ihr werden? Liebe, Freundschaft, Leid und Tod begegnen Dole auf ihren Rei...