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   Sie hatten die restliche Strecke dann doch recht schnell zurück gelegt, als sie kurz vor Einbruch der Dämmerung die Ruinen Lordaerons erreichten.
"Es hat wirklich nichts mehr mit dem prunkvollen Reich gemein, das Lordaeron einst war", erklang die erstaunte und gedämpfte Stimme der Priesterin.
"Wer weiß, ob Sylvanas die Stadt wieder aufbauen lässt. Momentan hat wohl keiner hier einen Sinn dafür. Außerdem scheinen sich die Verlassenen in der Unterstadt recht wohl zu fühlen, oder Kinnab?", erklärte Dolette und wandte sich dem Untoten zu.

"Das kann man so sagen, aber ich habe keine Ahnung was in Zukunft hier geschehen wird. Sylvanas vorrangiges Ziel, neben dem Sturz Arthas', ist es erstmal ihr Gebiet auszuweiten. Die Verlassenen sind schon fast bis Süderstade vorgedrungen und wenn das Bündnis mit der Allianz nicht hält werden sie die Stadt einnehmen. Dann hat sie noch ein Auge auf das Königreich Gilneas geworfen, was auch immer uns dort erwarten mag."
Marialle und Therez machten beide eine besorgte Miene, doch es war jetzt nicht die Zeit um über derlei Konflikte zu diskutieren, passend dazu sagte die Hohepriesterin nur: "Hoffen wir, dass ihr das Bündnis so viel Wert ist, wie eurem Kriegshäuptling."

Alle nickten zustimmend, lediglich Susanne starrte verträumt ins Leere, bis sie den Eingang zur Unterstadt erreichten.
"Nach euch, Myladys", sagte Plagg so charmant es ihm mìglich war und deutete eine Verbeugung an, als er die Frauen vorbei ließ.
"Uhm, hier stinkt es ja wirklich erbärmlich!", ließ sich Therez die Nase rümpfend vernehmen und fand Zustimmung im angeekeltem Gesicht ihrer Meisterin.
"Ich würde ja sagen, man gewöhnt sich dran ...", pflichtete die untote Elfe bei, worauf sie die Frequenz ihrer Schritte erhöhte, als wäre zu erwarten, dass es hier irgendwo auch nur einen Deut angenehmer riechen würde.

Eine große Gestalt baute sich vor ihnen auf, als sie in den nächsten Korridor abbogen. Dolette stoppte sofort und kurz darauf auch die anderen, nur Susanne stieß gegen ihren Meister. Ihrem Laut der Klage gebot die Todesritterin mit einem kurzen Blick augenblicklich Einhalt.
"Lady Glutklinge, schön, dass ihr es auch endlich geschafft habt! Man wartet schon sehnlichst auf..." Die Gestalt unterbrach sich als sie mit Missfallen erkannte, dass die beiden Menschenfrauen nicht gefesselt waren.
"Varimathras", sie nickte ihn kaum merklich zu, "es gab eine kleine Verzögerung auf See. Deshalb hat sich die Rückreise etwas verlängert."

"Und deshalb bringt ihr diese Menschenweiber her, als wären sie Sylvanas Privatkonkubinen?" Dolette knurrte unterdrückt und bemerkte mit einem verachtendem Blick, dass ihn das lediglich zu amüsieren schien.
"Was? Sie sind freiwillig mit uns gekommen! Auf ganz Azeroth wünscht man den Tod des Lich Königs!" Der Schreckenslord nickte und seine Augen funkelten gefährlich. Dolette konnte diesem verräterischem Dämonen nicht das geringste abgewinnen und fragte sich immer noch wie Sylvanas ausgerechnet ihn an ihrer Seite dulden konnte, als Majordomus, die Gesetze und Bücher der Stadt verwaltend.

"Ihr da! Begleitet Lady Glutklinge ins Hauptlabor des Großapothekers!", befahl er zwei Wachen, die am Eingang eines weiteren Ganges standen. Sie eilten augenblicklich an die Seite der Elfe und bedeuteten ihr loszugehen. Die drehte sich noch einmal um, als Varimathras gebieterische Stimme erneut erklang: "Ach, Glutklinge? Richtet Putress aus, dass ich bald nachkomme und Ergebnisse erwarte!"
Sie nickte nur und setzte ihren weg missmutig die Stirn runzelnd fort.

Im Labor angekommen, wurde die Gruppe hocherfreut in Empfang genommen und der untote Herr über die Laboratorien stürmte ihnen strahlend entgegen. Die beiden Wachen gesellten sich zu den Vieren, die am Eingang des Labors standen und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen.
"Mylady Glutklinge, ihr habt es geschafft, wie überaus erfreulich", sprach er mit überschwänglichem Gehabe auf die Todesritterin ein. Ihr Gesichtsausdruck wurde daraufhin kalt und reglos.
"Selbstverständlich, Großapotheker", entgegnete sie knapp, mit dem Respekt, den sie grade so aufbringen konnte.

Er schickte sich schon wieder an, zu seinen Instrumenten zurückzukehren und ließ beiläufig, "die Hohepriesterin hier hinein!", verlauten und wies auf einen Käfig, der mitten im Raum stand.
"Die andere steckt irgendwo zu denen da und zieht den Käfig dann neben den der Priesterin!", fügte er hinzu und zeigte in eine Ecke des großen Raumes, in der über ein Dutzend weiterer mannshoher Käfige standen. Ein Laut der Entrüstung entwich den zarten Lippen von Marialles Schülerin.
"Das ist nicht nötig Putress, sie sind freiwillig hier", unterbrach Dolette das Treiben der Wachen, die die beiden Menschenfrauen schon an den Armen packten.

Die Augen des Apothekers funkelten, als er gefährlich leise und zischend erwiderte: "In meinem Labor gebe ich die Befehle, Lady Glutklinge." Und als die Frauen eingesperrt waren fügte er boshaft grinsend hinzu: "Außerdem würde ihre Mitarbeit sicher ein jähes Ende nehmen, wenn sie wüssten, was ich mit ihnen vorhabe." Er lachte widerwärtig und laut auf, was die vier ungleichen Gefährten besorgte Blicke tauschen ließ.
Dolette fasste sich als erste und nun flackerten ihre Augen bedrohlich auf. Feine Rauchschwaden stiegen aus dem kalten Blau ihrer Augen auf und verliehen der Todesritterin einen angsteinflößenden Anblick.

"Ihr überschreitet eure Kompetenzen bei weitem, Putress, wenn ihr meint, das Bündnis zwischen Horde und Allianz, ungehindert so mit Füßen treten zu können!" Sie schob ihren Umhang bei Seite und ließ ihre Hand zum Heft ihres am Rücken ruhendem Runenschwerts wandern.
Sie sah den Großapotheker nur verhöhnend grinsen, als sich ein stechender Schmerz auf ihrem Hinterkopf ausbreitete und sie in eine unruhige Ohnmacht riss.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt