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   Marialle ..., hallte es in ihrem Geist unerbittlich wieder.
Der Käfig um sie herum zerbrach und die Gitterstäbe flogen in alle Richtungen. Trafen unvermittelt drei Wachleute, die sofort leblos zu Boden sackten. Dolette stieß einen lauten Schrei aus und eine weitere Welle goldener Energie ließ den Boden des Labors erzittern.
"Putress! Nehmt die Seuche und vollendet unseren Plan!", schrie Varimathras gegen den Lärm der Zerstörung an, der in dem Labor herrschte. Der Apotheker nickte, nahm den Flacon an sich und eilte an den Käfigen und Wachen vorbei.

Die dunkle Ritterin schritt langsam aus dem, was von ihrem Gefängnis übrig geblieben war, auf das von Marialle zu. Die Gitterstäbe verzogen sich wie von selbst und sie kniete sich zu der Menschenfrau nieder, schloss den leblos wirkenden Körper in ihre Arme und die Vorrichtung die mittlerweile nur noch einen schmalen Strom Energie aus ihr heraus zog, zersprang in tausend Teile. Sie hatte noch nie einen solchen Schmerz gespürt und die Trauer über die sterbende Frau in ihren Armen brach sich ungehindert bahn. Golden schimmernde Tränen liefen über das ausdruckslose Gesicht der Todesritterin. 

Marialle ...!
Erneut strömten Massen goldener Macht im Labor umher, rissen Käfige, Körbe und diverse Forschungsutensilien mit sich. Einer der Käfige flog ungehindert auf Varimathras zu, der das Schauspiel bisher gebannt verfolgte. Er duckte sich grade noch rechtzeitig, als der Käfig über ihn hinweg, direkt durch eine Wand flog und ein gewaltiges Loch hinterließ, den Blick auf einen tiefen Abgrund freigebend.
Die goldene Energie von Dolette schien sich mit dem abgetrennten, silbrig leuchtenden Faden von Marialles zu verbinden, um ihre Körper schließlich beide in einem Farbenspiel aus Gold und Silber zu hüllen. 

Als sie wieder zu sich kam und die Brust der Priesterin sich wieder kräftig hob und senkte, wusste Dolette gar nicht wie ihr geschah. Verwirrt und ungläubig schüttelte sie die platinblonden Wellen.
"Wie ...?" Sie drückte die Priesterin mit sanfter Gewalt, ein Stück von sich weg, um ihr in die Augen zu schauen und war noch überraschter in ihren wachen, traurigen Augen einen satten Goldton zu erblicken.
"Beim Licht was ist nur ... Dolette? Wie konntet ihr euch befreien?"
"Ich ... ich habe keine Ahnung. Das ist jetzt aber auch nicht wichtig. Marialle, könnt ihr aufstehen?" Sie prüfte sich selbst und war überrascht. 

"Ja, es...es geht mir ausgezeichnet!" Gemeinsam erhoben sich die Frauen und das Leuchten ebbte schlagartig ab, ohne dass es eine der beiden registrieren konnte. Dolette schien erst jetzt wieder gänzlich Herrin ihrer Sinne geworden zu sein. Schaute kurz auf den leblosen Körper der jungen Schülerin ehe sie ihre Statur straffte und ernst zu der noch lebenden Priesterin auf sah.
"Dann lasst uns hier jetzt erstmal aufräumen." Marialle nickte ihr entschlossen zu. Die dunkle Ritterin zog ihr Schwert, dessen Runen blutrot und nach Tod dürstend aufleuchteten und stellte sich, Rücken an Rücken mit der Hohepriesterin, in Kampfposition.

"Tötet sie, verdammt noch mal!", fand Varimathras seine Stimme wieder, sprang aus dem riesigen Loch in der Wand und wurde von seinen Schwingen davon getragen. Die Wachen sahen sich unschlüssig an, kamen letztendlich jedoch langsam näher. Silberne pfeilähnliche Geschosse flogen auf sie zu und streckten den ersten erbarmungslos nieder, dann noch zwei weitere. Dolette vollführte einen mächtigen Streich und enthauptete gleich zwei der Wachleute auf einmal. Der nächste wurde abgewehrt und sie musste einige Hiebe, anscheinend vom Hauptmann der Wachleute, parieren. Er drängte sie auf das Loch in der Wand und den dahinter liegenden Abgrund, zu.

Hieb um Hieb wurde der Abstand immer geringer und sie konnte sehen, dass da unten nur Schwärze herrschte, anscheinend eine Höhle die neben der Unterstadt ragte.
Hinter dem Hauptmann sah sie Marialle, wie sie unter geschicktem Einsatz ihrer Macht, den letzten untoten Wachmann ausschaltete und sich jetzt auf leisen Sohlen in ihre Richtung begab. Dolette bedeutete der Priesterin mit den Augen, ihm einen Stoß zugeben und bückte sich zu Boden. Die Frau tat wie ihr geheißen und gab dem Hauptman einen kräftigen Schubs unter Einsatz ihres ganzen zierlichen Körpers.

Der Mann stolperte über die am Boden kauernde Elfe und fiel auf den Abgrund zu.
Im Fallen schaffte er es jedoch, einen Zipfel von Dolettes Umhang zu packen und riss sie mit sich. Sie wurde von der Last auf die Kante zu gezogen und schaffte es grade so die Hand der Hohepriesterin zu ergreifen.

Als sie sich berührten, fingen ihre Hände augenblicklich an, sanft gold und silber zu leuchten. Verwirrt blickte die Todesritterin auf ihre ineinander verschränkten Hände und in die silbern scheinenden Augen der Hohepriesterin, die sie verzweifelt fest hielt. Überraschung suchte sie in Marialles Gesicht allerdings vergebens.
"Lasst mich los ihr stinkender Haufen Gedärmeüberreste!" Sie trat nach dem baumelnden Haufen untoten Fleisches, der sich an ihrem Umhang festkrallte, doch erreichte ihn nicht, was ihr ein bitteres Grinsen übers Gesicht huschen ließ. "Ich wusste immer, dass dieser Umhang zu lang ist!"

Marialle sandte ein Stoßgebet zum Licht das augenblicklich erhört wurde. Das Schimmern um ihre sich aneinander klammernden Hände breitete sich über den Körper von Dolette aus und ließ den Umhang an der Stelle wo er festgehalten wurde entzünden. Der Hauptmann ließ vor Schreck los und fiel mit einem lauten Schrei in den Abgrund.
Die Priesterin half der Elfe sich wieder hoch zu ziehen und zog sich zusammen mit ihr etwas von der Kante zurück.
"Was war das denn, Marialle?", fragte Dolette schwer atmend.
"Hm, was denn?" Auch ihr Brustkorb senkte und hob sich heftig und ihre Miene zeugte von der niederschmetternden Trauer die sie erfasste sobald Marialle ihre Fixierung loslassen konnte. 

Therez.
"Na, dieses Geglitzer an unseren Händen eben. Schaut doch mal!" Die dunkle Ritterin hielt ihr ihre Hand hin, die zwar nicht mehr leuchtete, aber dafür einen gesunden rosa Farbton angenommen hatte. Das überraschte Marialle jetzt doch, aber der Schmerz des Verlusstes zog ihr noch immer die Brust schmerzhaft zusammen. "Habt ihr von sowas schon mal gehört?", drängte Dolette weiter auf eine Reaktion seitens der Heiligen.
"Nein davon das sich die Hautfarbe einer Todesritterin wieder lebendigem Fleisch angleicht nicht, nein", erwiderte die Priesterin wahrheitsgemäß, aber leicht abwesend.

Sie machte Anstalten aufzustehen. Dolette griff nach ihrem Handgelenk und sofort begann die Hand der Elfe wieder zu leuchten.
"Ach, dass Zwei anfangen zu glitzern wie eine Bordeltür in Silbermond, sobald sie sich berühren, aber schon?", erklang Dolettes Stimme leicht gereizt. Marialle schaute beschämt und zugleich wütend zu Boden.
Sie war tot. Therez.
"Ja! Natürlich! Stellst du dich eigentlich mit Absicht so blöde an, Dole? Dass unsere Leben miteinander verwoben waren, als du noch eins hattest, ist dir doch mittlerweile schon klar geworden oder nicht? Meinst du nicht, dass dann auch die Möglichkeit besteht, dass diese Verbindung zwischen uns schon länger besteht, ich aber vielleicht nach dem Tod meiner Schülerin, die ich wie eine Tochter geliebt habe, nicht über so etwas reden will?"

Es sprudelte förmlich aus ihr raus. Die Wut war ein willkommenes Ventil für die schmerzlichen Gefühle, die in der Hohepriesterin tobten. Ihre Stimme hob sich immer weiter an, während sie sich gereizt in Rage redete, bis sie zum Ende anfing zu schreien. 
"Verzeiht Marialle, aber ich dachte über ein Thema zu reden was euren Verstand fordert, würde euch die Gedanken des Verlustes für den Moment vergessen lassen, oder zumindest davon ablenken. Ich habe nicht nachgedacht." Die Elfe schien ehrlich betrübt zu sein und so veränderte sich die Miene der Priesterin schlagartig von kalter Wut, zu tiefer Trauer.

"Dieses Thema fordert ganz sicher nicht nur meinen Verstand, Dolette! Vielmehr rührt es an Emotionen die ich bis gestern in die entlegensten Winkel meiner Seele zu verbannen vermochte! Und Therez sie..." Sie sprach nun wieder ganz leise, mit zitternder Stimme und musste sich unterbrechen als die Trauer sie zu übermannen drohte. Tränen begannen stumm über ihre Wangen zu laufen.
"Bitte vergebt mir, Marialle. Ich ...." Im Gesicht der Todesritterin lag Scham und Mitleid, was Marialle dazu veranlasste sich wieder zu fassen. 
"Lasst uns lieber schauen, ob Plagg wenigstens in Ordnung ist und dann von diesem verfluchten Ort verschwinden!"

Dolette nickte stumm, senkte den Blick und half der Priesterin auf. Gemeinsam gingen sie zu dem aufgebrochenen Käfig rüber in dem der Untote immer noch ohne Bewusstsein lag. Prüfend ließ die Priesterin ihre Hände über ihn gleiten und dann breitete sich der silberne Schimmer über seinem Kopf aus und langsam begannen seine Augen unter seinen Lidern zu zucken.
"Keine Zeit für Erklärungen, Kinnab. Lasst uns erstmal hier raus." Ohne zu verstehen nickte er und stand langsam auf. Marialle sah Dolette zu, wie sie den leblosen Körper ihrer Schülerin auf ihre Arme hob und gemeinsam verließen sie diesen Ort des Schreckens.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt