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   Die Sonne stand kurz vor ihrem Untergang, als sie die Festung der Nachtelfen erreichten. Sie wurden überschwänglich von Odessa empfangen, die einen Moment innehalten musste, während sie die Beiden musterte. "Beim Licht, da seid ihr ja endlich wieder. Die zweite Schlacht war noch so viel schlimmer als die Vorangegangene.” Die junge Magierin machte eine Pause und fuhr dann deutlich ruhiger fort: “Wir haben Orphan verloren. Er wurde von einem Pfeil erfasst, während wir den Teleportationszauber gewirkt haben. Insgesamt halten die Verluste sich aber wohl in Grenzen. Heute Abend ist die Trauerfeier.” Das war also der neuste Stand, der Beide schwer schlucken ließ. Alles in Allem nahmen sie es sehr gefasst hin, fast zu gefasst. Das mochte auch an der Veränderungen liegen, die die beiden Frauen in der Höhle durchlaufen hatten. "Verstehe, Odi. Sei so gut und gib den Anführern Bescheid, dass wir zurückgekehrt sind. Wir werden im Audienzsaal auf sie warten", bat die Priesterin leise und Odessa gehorchte.

Als sie in dem Konferenzzimmer ankamen, warteten dort schon die beiden Nachtelfen und Jaina Prachtmeer. "Willkommen zurück, Myladys. Thrall und Meister Bluthuf erholen sich noch von der vorangegangenen Schlacht", erklärte der Druide nüchtern. "Natürlich, Meister Sturmgrimm. Sagt, wie ist die Schlacht gelaufen?", erkundigte sich die Paladin. Malfurion huschte ein Lächeln über das Gesicht, das ihm ungewohnte Züge verlieh. "Sehr gut, Lady Glutklinge. Die Scharen Archimondes haben mit unseren Katapulten nicht gerechnet. Ganze drei Tage dauerte die Schlacht. Der Entweiher hat erhebliche Verluste erlitten. Er und seine Schergen werden viel Zeit brauchen, um sich zu regenerieren und ihr neues Lager auf der Festung der neuen Horde aufzuschlagen", berichtete der Nachtelf wieder ruhig. Er schien tatsächlich äußerst zufrieden mit dem Verlauf der Schlacht.

"Und Verluste auf unserer Seite?", fragte Marialle nun weiter. "Erfreulicherweise sind sie relativ gering geblieben. Es war die Erschöpfung, die uns nach drei Tagen zwang, unsere Leute aus der Gefahrenzone zu teleportieren”, antwortete nun Jaina. "Aber nun erzählt! Wie ist es bei euch gelaufen, Myladys?", stieß Tyrande neugierig hervor. Offenbar hatte sie sich bemühen müssen, die Frage nicht schon viel früher zu stellen. Die unverhohlene Neugierde der anmutigen Nachtelfe ließ die beiden Frauen schmunzeln. Dolette fixierte sie mit ihren goldenen Augen. Die Hochpriesterin schien die Veränderung erst jetzt wirklich zu registrieren. "Erstaunlich!", presste sie hervor. Malfurions Lächeln wurde hingegen nur noch breiter und der zufriedene Gesichtsausdruck verstärkte sich enorm.

"Allerdings. Eine Verbundenheit wie die eure mit der Natur und allem, was euch umgibt, habe ich noch nie zuvor bei einem sterblichen Wesen gesehen. Wie hat die Schamanin das gemacht?" Nun spürten Dolette und Marialle auch die forschenden Blicke des Druide auf sich ruhen. "Sie hat die Ahnen und Naturgeister angerufen und die sind dann irgendwie in uns gefahren. Wir sind dann in einen langen Traum verfallen, in dem wir uns, denke ich, als würdig erweisen mussten”, erklärte die Hochelfe knapp. "Faszinierend! Dürfen wir erfahren, was in diesem Traum geschehen ist, Myladys?", fragte Malfurion höflich.

"Ich hatte gedacht, dass der Druide, der jahrelang mit seinem Gefolge durch den smaragdgrünen Traum gewandelt ist, sich noch am ehesten vorstellen kann, was uns dort widerfuhr", schmunzelte Marialle. "Aber das, was wir erlebten, hat mit dem Schöpfungstraum nur wenig gemein", fuhr Dolette fort. "Es war ein verzerrtes Bild von dem, was wir als Wirklichkeit empfinden. Die Farben waren verdreht und wir schienen am Firmament zu wandeln. Die Naturgeister bedrohten uns. Erst als wir erkannten, dass wir aus der Umgebung Kraft schöpfen und sie nach unserer Vorstellung umformen konnten, hatten wir die Prüfung bestanden", beendete die Paladin ihre Ausführungen und erntete verblüffte Blicke.

"Moment, ihr wisst, dass der smaragdgrüne Traum nicht so aussieht?" Marialle lächelte milde. Sie empfand sich gerade als ungemein erhaben gegenüber dieser weisen und alten Wesen, die die beiden Nachtelfen doch eigentlich waren. "Ja, wir sehen ihn", antwortete sie schlicht. "Ihr seht ihn? Jetzt grade?", schaltete sich Tyrande ein. Jaina verfolgte das Gespräch gebannt und schweigsam. Offenbar war sie sich darüber im Klaren, dass das Thema ihr Wissen bei Weitem überstieg. "Wir sehen ihn als eine Art Überlappung über der realen Welt. Hier an dieser Stelle steht zum Beispiel ein Busch, in dem einige Spatzen sitzen und sich an seinen Beeren laben.” Marialle deutete auf das Regal zu ihrer Linken.  

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt