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   Eine Weile standen Diener und Herrin schweigend nebeneinander, bis die Stille jäh von einem heran brausenden Sukkubus unterbrochen wurde. 
"Juhuuuu, Herrin Dolliiiiiii! Her am gucken! Susanne ganz von selbst auf Deck rum am laufen!", quietschte die Dämonin fröhlich und stürzte zwischen die beiden.
"Guck, Herrchen, am gucken! Susanne keine Angst mehr am!" Plagg sah sie verwirrt an.  "Nanu, Susi. Wie hast du das denn geschafft?", fragte er lächelnd.
"Meisterin Marialle geholfen am haben. Angst überwunden am haben!" Sie strahlte und zog sein Gesicht fest zwischen ihren üppigen Busen, er keuchte auf.

"Ist ja gut, Susi. Das freut mich für dich. Wie habt ihr das denn geschafft, Mylady Hohepriesterin?", sprach er erfreut die Hinzugetretene an und befreite sich ein wenig aus der Umarmung der Sukkubus.
Marialle sah unheimlich schön aus im hellen Sonnenlicht. Der sanfte Goldton glizerte verspielt in den bernsteinfarbenen Augen. Dolette schluckte merklich bei diesem Anblick, hing noch immer ihrer Verwirrung nach, die einzig von kalter Wut verdrängt werden konnte. Die Strapazen hatten zwar ein paar Blessuren und dicke Augenringe hinterlassen, aber ein warmes Lächeln umspielte ihre Lippen, auch wenn es nicht über die traurigen Augen hinweg zu täuschen vermochte.

Die Todesritterin rief sich zur Ordnung und blickte wieder auf den endlosen Horizont, als die Priesterin begann zu sprechen. "Ach, das war ganz einfach, Meister Kinabb. Ich habe ihr nur klar gemacht, dass es egal ist wie hoch das Luftschiff fliegt, ihr kann es egal sein, schließlich kann sie selber fliegen." Susanne nickte eifrig und der Verlassene legte ihr freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. Seine grauen Augen standen leicht hervor, was ihm einen widerwärtigen Anblick verlieh, aber seine freundliche Miene halt darüber hinweg.
"So einfach und doch so effektiv! Mein Dank ist erneut der eure, Mylady!" Er musste ein wenig lachen, doch schien er ehrlich dankbar.

Die Dämonin war augenblicklich, als das Schiff sich in die Höhe erhob, unter Deck geflüchtet und hat dort bitterlich geweint.
Wegen so etwas weint dieses irre Wesen, dachte Dolette bei sich. Ein Schmunzeln wollte sich auf ihre blutleeren Lippen stehlen, doch Bilder der sterbenden und toten Therez stiegen in ihr auf und ließen es sofort im Ansatz schon wieder ersterben. Ihre Brust zog sich zusammen und ein dicker Kloß bildete sich in ihrer Kehle. Sie wandte sich etwas ab von der Gruppe und rang um ihre Beherrschung.  Wie jedes Gefühl, das sie jüngst empfand, wollte es sofort von gleißender Wut niedergerungen werden.

Währenddessen zog Susanne den Untoten über das Deck, um ihm zu zeigen wie frei von Angst sie sich hier mittlerweile bewegen konnte. Die Todesritterin drehte sich noch etwas weiter, bis sie bemerkte, dass die Priesterin an ihre Seite trat.
"Dolette? Darf ich?", fragte sie sachte, aber auch mit einer von Schwäche gezeichneten Stimme. Eine gewisse Distanz und Vorsicht lag in ihrem Ton. Sie hatte ihre Fähigkeit in der Elfe zu lesen offenbar nicht eingebußt. Diese machte allerdings keine Anstalten zu antworten.
"Also ich wollte mich nochmal für heute Morgen entschuldigen und naja..." 

Der ach so tollen Hohepriesterin fehlten die Worte, wie amüsant, dachte sie bei sich. Aber sie riss sich zusammen, wollte ihre Gefühle nicht Preis geben, darum antwortete sie betont gleichgültig. "Wieso seid ihr der Meinung, ihr müsstet euch für irgendwas entschuldigen, Mylady?" Leichte verwirrung umspielte die Gesichtzüge der heiligen Frau, als sie in die blauen Augen der dunklen Ritterin schauten, die schlichte Unerreichbarkeit ausstrahlten.
"Ich war heute Morgen nicht ganz Herr meiner Sinne, Dolette. Ich war noch aufgewühlt von der voran gegangenen Nacht, da wird man ...", begann sie sich distanziert zu erklären, doch sie wurde unerwartet von Dolette unterbrochen.

"Ach und da ihr nicht ganz bei Sinnen gewesen sein konntet, seid ihr der Meinung, so ein Unding wie mich, unverkennbar eine Todesritterin, zu küssen, müsse unbedingt entschuldigt werden? Nicht dass sie sich noch etwas darauf einbildet?" Eiskalte Verachtung lag in den Augen der Elfe und sie drehte sich um, wütend davon zu schreiten, aber die Priesterin ließ sie nicht.
"Dolette! Nein, ihr missversteht! Ich würde mich nie dafür entschuldigen, euch geküsst zu haben, aber meine Gefühle heute Nacht und auch die am Morgen, das..." Marialle unterbrach sich, nach Worten ringend. Dolette stand steif im Griff der Hohepriesterin und es vergingen einige Herzschläge ehe sie ihre Sprache wiederfand. 

"So versteht doch, ich habe heute Morgen nicht euch geküsst, was nicht heißt, dass ich das nicht wollen würde, aber heute Morgen da sah ich euer altes Ich vor mir und so entstand die Situation aus einem falschen Impuls heraus." Dolette ließ etwas locker und sie drehte sich mit einem verwirrten Ausdruck auf dem aschfahlen Gesicht zu der Menschenfrau um, die unbeirrt fort fuhr. "Ihr seid immer noch ihr, versteht ihr? Auch wenn ihr jetzt die dunkle Todesritterin seid, so ist noch so viel von eurem einstigen Ich in euch. Und als ich erkannte, wen ich vor mir hatte, erschrak ich und brach ab. Schließlich erinnert ihr euch ja nicht an mich und ich ..."

Wieder musste Marialle aufhören zu reden, doch diesmal erschien ein feuchter Glanz in ihren Augen und sie schien einige Augenblicke mit sich zu kämpfen. Aber Dolette verstand nun. Und so antwortete sie in ihrer schlichten Art. "Vielleicht solltet ihr die Zeit, die wir auf diesem Zeppelin festsitzen nutzen und mir endlich mal zu verstehen geben, was das zwischen uns ist. Als ich euch heute Morgen weckte, war da schon wieder dieses goldene Leuchten auf meiner Haut, als ich euch kurz berührte." Marialle erbleichte bei diesen Worten kurz und die Reaktion blieb sehr zum Missfallen der Elfe aus.
"Was ist das nur das euch zögern lässt? Ihr sagt doch selbst, dass ich irgendwo noch immer die Selbe bin!"

Wieder stieg Verachtung in ihr auf und sprach aus ihren Worten. Woher kam nur diese unbändige Wut? Sie wandte den Blick erneut ab, richtete ihn auf den Horizont und war bemüht sie selbst zu bleiben. Die Worte der Priesterin die nun folgten waren nicht mehr als ein Flüstern. "Wenn ich euch alles erkläre, alle alten Gefühle wieder zu Tage trage und ich euch dann vor der Pforte ein weiteres mal verliere dann...dann würde ich ..." Leises Schluchzen erstickte ihre Stimme.
Der goldene Funke, der wohl verschlossen im tiefsten Dunkel zu ruhen schien, breitete sich im Inneren der Todesritterin wieder aus und stimmte sie ruhig und verständnisvoll, aber dennoch wollte sie nicht mehr unwissend im Meer ihrer Gefühle umher treiben.

Wenn es das ist was euch so bewegt, dann brechen wir hier alles ab, dann ist es mir egal was an der Pforte geschieht, dann gehen wir einfach irgendwo hin, weit weg von hier!, wollte sie sagen, aber sie wusste genau, dass weder die Priesterin noch sie selbst jemals mit dieser Schuld, in ihrem Fall Stolz,  leben könnten. Darum legte sie stattdessen eine Hand auf Marialles Schulter und wischte mit der anderen die Tränen aus dem Gesicht der schönen Frau. Ihre Hand begann wieder golden zu schimmern, wodurch Marialles Augen sich weiteten und ihre Hand leicht zurück zuckte. Als sie sich einige Herzschläge später wieder konzentrieren konnte sprach sie so sanft es ihr möglich war.

"Ich kann euch nicht zwingen, doch glaubt mir, wie gern ich mich erinnern würde, wie gern ich wüsste wo diese Gefühle herkommen, die mein Handeln bestimmen seit wir uns trafen und vorallem ..." Sie unterbrach sich. Das war doch alles lächerlich. Egal was zu ihren Lebzeiten zwischen ihnen war, das war etwas zwischen der Priesterin und ihrem lebendigem Ich von einst. Wie konnte sie sich einbilden, dass sie mehr als ein Schatten von der sein konnte, die sie einmal war. 
"Ach vergesst das! Das ist doch alles ein einziger Witz." Marialles Augen wurden immer größer, als sie die freie Hand der Elfe ergriff und sie mit einer Mischung aus Verblüffung, Erkenntnis und aufkeimender Hoffnung an sah.
"Sag das nicht! Du hast Gefühle für mich ...? Obwohl du dich nicht an mich erinnern kannst?"

Die blau leuchtenden Augen schienen Marialle zu erforschen. Unglaube und Überraschung lagen in ihnen. Sie war offenbar allein schon von der Frage erschüttert. Aber was sollte sie sagen? Ihr selbst erging es keinen Deut besser. Wie stark musste das Band zwischen ihnen sein, wenn es über den Tod hinaus weiter bestehen konnte? Die Hoffnung in ihr wuchs mit jedem Gedanken der hinzu kam.  
"Ich ... Marialle, ich weiß es doch nicht! Todesritter kennen keine Gefühle. Aber in mir tobt ein Sturm und ich verstehe weder warum es in mir wütet, noch was das bedeutet. Das einzige was ich weiß, ist dass ihr die einzige seid, die mir Klarheit bringen kann. Und mittlerweile weiß ich auch, dass ich unbewusst schon lange auf der Suche nach euch war!"

Dolette atmete schwer, es schien sie sichtlich Überwindung zu kosten ihr Innerstes offen zu legen.
In ihr selbst ratterte es, auch wenn sie nun die Hoffnung hegte etwas neu aufleben lassen zu können, was sie irgendwo in ihrer Seele schon tief vergraben glaubte und vorallem verloren. So tat das ihrer Angst, die schöne Elfe gleich wieder verlieren zu können, aber keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, die Angst stieg eiskalt in ihr hoch und ihr Griff um die Hand der Todesritterin verstärkte sich.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt