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   Sie hatte alle Gefährten in ihr Zimmer gerufen, um ihnen zu erläutern, was mit Dolette geschehen war und mit welcher Botschaft sie sie zurück in den Sonnenzornturm geschickt hatte. "Das kann unmöglich ihr ernst sein!", presste Malek schockiert hervor. "Das heißt sie findet sich einfach damit ab, dass wir hier so zu sagen Geächtete sind?", fragte auch Bertak verwundert. Marialle nickte nur schwach, sie wusste einfach nicht was sie von alledem halten sollte.
"Was erwartet sie denn jetzt von uns? Dass wir still abziehen ohne einen Mucks? Nicht mal persönlich teilt sie uns das mit! Ich dachte wir sind nach all den Jahren, nach allem was wir miteinander erlebt haben sowas wie Freunde! " Es war Borigan, der sich wirklich lautstark über das Verhalten seiner Kommandantin aufregte und ihm stieg dabei die Zornesröte ins Gesicht. Verständlich, wie die Priesterin fand, er kannte Dolette von allen am längsten. "Als Erstes beruhigen wir uns jetzt alle mal", schlug Efendral vor. "Ich habe mich lange mit dem Wesen der Hochgeborenen beschäftigt. Mit ein Grund, warum ich euch in die östlichen Königreiche begleitet habe und ich frage jeden von euch, könnt ihr sie nicht in Teilen verstehen? Immer war sie bestrebt, Gutes in unserer Welt zu tun und sie hat lange gebraucht, bis sie einen Weg fand, wie sie das Bewerkstelligen konnte. Keiner von uns weiß, welche Willenskraft und Disziplin sie aufbringen musste, um dem Weg des Lichtes zu folgen und dann versagt es ihr auf einmal die Unterstützung", fuhr der Nachtelf ruhig und erhaben fort. Marialle war überrascht ausgerechnet von einem Kal'dorei diese Worte zu hören, aber er hatte recht, auch sie konnte die Beweggründe der Paladin nachvollziehen.
"Das ist, aber kein Grund sich plötzlich aus der Verantwortung und auch der Loyalität uns gegenüber zu entziehen", trug nun Odessa ihre Gedanken vor. "Aber auch keiner, dass wir sie in ihrer Abwesenheit verurteilen", entgegnete der Druide entschlossen. "Efendral hat recht. Wir sollten auf ihre Rückkehr warten und sie zur Rede stellen", schlug Borigan nun deutlich ruhiger vor. "Aber wir werden nicht ohne sie abreisen, das kann sie vergessen", lenkte nun auch Malek ein. "Gut, so machen wir es und wenn wir sie an einem Seil hinter Bumer aus Quel'Thalas schleifen müssen", scherzte Bertak. 
Nachdem alle anderen den Raum verlassen hatten, saß Berthold noch auf dem roten Samtsofa neben seiner Schwester. "Wie geht es dir, Mari?", fragte er und ehrliche Sorge lag in seinen bernsteinfarbenen Augen. "Wenn ich das so genau sagen könnte. Ich kann sie verstehen, weißt du? Und ich weiß wie schlecht es ihr ging, seit sie erkannt hat, dass das Licht sie zu verlassen schien. Ich kann es mir kaum ausmalen wie es ist, wenn mich das Licht verlassen würde. Auch ich würde händeringend nach einer Möglichkeit suchen, meiner Bestimmung weiter nachzukommen. Aber sie ist so anders, als würde sie etwas Unheilvolles umgeben. Andererseits war da auch viel von ihr selbst zurückgekehrt, was ich schon verloren glaubte." Sie stemmte ihre Ellbogen auf dem goldenen Tisch ab und legte das Gesicht in ihre Hände. Ihr Bruder legte mitfühlend einen Arm um sie, bevor er sprach: "Dann bleibt uns ja nichts anderes übrig, als das Gespräch mit ihr abzuwarten. Ich kann mir leider auch so überhaupt nicht vorstellen, was diese Blutelfen da genau mit diesem Naaru-Ding anstellen, aber sogar ich spüre, dass es nichts Gutes ist. Wie steht Lor'themar eigentlich dazu?", gab Berthold sanft zurück und strich ihr aufmunternd über den Rücken. "Da hast du recht, aber sie kennen es nun mal nicht anders, sie waren immer schon auf eine Macht angewiesen, aus der sie schöpfen konnten. Dem Lordregenten sind die Hände gebunden. Wie jeder Herrscher ist er auf das Wohlwollen seines Volkes angewiesen und wenn er keinen Putsch riskieren will, muss er dem Wunsch der Blutelfen nachkommen, bis er einen Weg findet sie von etwas besserem zu überzeugen."
"Dann wird er mit Doles Eintritt in den Orden der Blutritter ja eher unzufrieden sein", gab er zu bedenken. "Damit hast du sicherlich recht, ich denke er hat sich von ihr die meiste Hilfe erwartet, was die Überzeugungsarbeit angeht, aber ich denke nicht, dass er das mit ihr zu diesem Zeitpunkt austragen wird. Er kann uns gerade nicht helfen", überlegte sie laut. "Aber sie hat ja zumindest vor eines Tages auf den Weg des Lichts zurückzukehren."
"Ja schon, aber besonders gut überlegt war das alles nicht. Sie wird hier doch nicht zwingend gebraucht im Kampf gegen die Geißel oder Trolle. Sie sollte Quel'Thalas verlassen und versuchen wieder zum Licht zurückzufinden. Wenn sie bleibt, befürchte ich, dass sie es nicht einmal angehen wird, sich ihrer Sucht wieder zu entziehen." Die Priesterin schaute gedankenverloren und resignierend hinaus zum Fenster und Berthold musste hart bei dieser Vermutung schlucken, die seine Schwester gerade vorgetragen hatte. "Dann hat der Zwerg recht. Wir müssen sie aus Quel'Thalas bringen, ob sie will oder nicht." Ein bitteres Schmunzeln entglitt der jungen Frau, doch sie vermochte nichts weiter zu sagen. Der Gedanke, gegen den Willen ihrer Liebsten handeln zu müssen, schnürte ihr die Brust zu und so versank sie in ihre düsteren Ängste.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt