Die Luft roch salzig als sie erwachte und es war dunkel. Leise Stimmen drangen an ihr Ohr, doch sie vermochte nicht sie zu verstehen.
"Beim Licht, wo bin ich?"
Was war geschehen?
Die Hohepriesterin versuchte sich zu setzen, erst da bemerkte sie, dass sie gefesselt war. Sie lag auf dem Bauch, die Arme hinter dem Rücken, an den Handgelenken zusammen gebunden und versuchte sich umzusehen. Alles um sie herum war aus Holz.
War sie in einer Hütte?
Eine Kerze in einem Glas war die einzige Lichtquelle.Um sie saßen zwei vermummte Gestalten, eine von ihnen machte sich bedachten Schrittes zu ihr auf und sprach mit gedämpfter Stimme: "Wenn ihr nicht leise seid müssen wir euch knebeln, also tut uns allen einen Gefallen und senkt eure Stimme." Als ihr die Gestalt half sich in eine sitzende Position zu begeben, versuchte sie das Gesicht zu der kühlen, klaren Stimme über ihr zu erkennen, doch die abgewandte Haltung, des offensichtlich weiblichen Wesens, machten ihr dies unmöglich.
"Wasser?", kam es knapp und Marialle nickte nur.Wo bleibt die Angst?, fragte sie sich.
Wieso gerate ich nicht in Panik? Als die Frau, der Priesterin den Wasserschlauch an den Mund führte, erschrak sie.
Im Inneren der Kapuze glomm ein sanftes, blaues Licht von den Augen ausgehend, anscheinend die einer Todesritterin. Augen wie diese sah man in jüngster Zeit immer öfter und auch die Priesterin hat schon einige dieser Wesen gesehen und zum Teil bekämpft.Jedoch in Form und Ausdruck war dieses spezielle Augenpaar unfassbar vertraut und dasselbe Gefühl, wie am Nachmittag vor der Kathedrale, als sie weit hinter den Massen, Umrisse einer verhüllten Gestalt ausmachte, stieg unerbittlich in ihr hoch.
Es dauerte höchstens den Bruchteil eines Herzschlags bis sie wusste wen sie vor sich hatte.♡
"Eure Gefährtin schläft noch, sie scheint euren Fähigkeiten um einiges nachzustehen, aber dass ihr so schnell erwacht, hätte auch ich nicht erwartet. Seid unbesorgt es waren nur ein paar Kräuter, die euch schlafen ließen. Es geht ihr gut."
Dolette zog den Schlauch wieder zu sich und folgte dem besorgten Ausdruck in den bernsteinfarbenen Augen der Hohepriesterin, bis zu der jungen Frau die ruhig atmend auf der Seite neben ihr lag. Weder Angst noch Panik lagen im Antlitz der schönen Priesterin, was die Elfe nur noch mehr, als eh schon, irritierte. Sie sah dieses Menschenweib heute Nachmittag definitiv zum ersten Mal und dennoch viel es ihr schwer ihren Blick von ihr abzuwenden, da doch jede Einzelheit an ihr so vertraut auf die Todesritterin wirkten."Wo sind wir?", fragte die Priesterin erneut. "Auf einem Kutter Richtung Süderstade, Mylady", erwiderte sie knapp und wandte sich um, zur Kerze zurück zu kehrend und sich wieder zu Plagg zu setzen.
"Und dann?", bohrte die Priesterin weiter und die bernsteinfarbenen, wachen Augen schienen sie regelrecht zu durchbohren. Dolette fühlte sich nackt, als könnte dieser Mensch, den sie vorhin so grob gefangen genomen hatte, wissend in die tiefsten Abgründe ihrer verstümmelte Seele sehen, frei von Angst und Abscheu noch dazu. Die Stimme in ihr rief sie unvermittelt zur Ordnung.Sie ist verdammt noch mal eine Priesterin, sie hat höchstens Mitleid. Vielleicht bildet sie sich sogar ein, dich auf irgendeine Weise läutern zu können. Lachhaft, dummes Menschenweib! Am Ende will sie dich eh nur aufs Kreuz legen um sich zu befreien! Und so ließ sie ihre Augen gefährlich lange auf dem perfekt geformten Körper der Priestrin ruhen, bis sie endlich zu einer Antwort fähig war. Als aber noch einige Momente mehr vergingen, schaltete sich Plagg ein und sagte: "Danach geht es weiter nach Unterstadt, Mylady Hohepriesterin. Wir brauchen euch um der Geißel einen vernichtenden Streich zu spielen." Seine mühsam, durch den zerfallenen Kiefer, gepressten Worte zeugte von Missgunst, aber offenbar kam auch der Hexenmeister nicht umhin diesem heiligen Geschöpf mit Respekt und Ehrlichkeit gegenüber zu treten.
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Die dunkle Ritterin
FantasyDie Geschichte einer Todesritterin, die durch einen Auftrag für Sylvanas Windläufer, an ihrem vergessenem Leben rührt. Wer war sie einst? Wer ist sie heute? Und was wird aus ihr werden? Liebe, Freundschaft, Leid und Tod begegnen Dole auf ihren Rei...