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   "Ahhh diese Ruhe!", ließ sich die Priesterin vernehmen. Dolette lachte.
"Ihr habt wahrhaftig eine große Familie, Mylady Lichtsprung", erwiderte sie gespielt hochtrabend.
"Ich kann dir sagen, es ist ein Segen die meiste Zeit nicht hier zu sein."
"Das glaube ich dir nur halb, ich habe in deinen Augen genau den ehrlichen Schimmer, tiefempfundener Freude gesehen", gab die Paladin siegessicher lächelnd zu bedenken.
"Jaja, du beobachtest immer ganz genau, was?", neckte Marialle zurück.
"Dich? Aber immer doch!" Sie zwinkerte, was Marialle bei den ehrlichen wenn auch im Scherz gesprochenen Worten die Röte ins Gesicht schießen ließ.

"Was hältst du davon wenn ich dir ein wenig die Ländereien zeige bevor die Sause los geht? Oder willst du dich lieber ausruhen?", wechselte sie rasch das Thema.
"Ruhen können wir wenn wir Tod sind. Zeig mir alles was es hier zu sehen gibt!"
Und so schickten sich die zwei an den riesigen Hof zu erkunden. Marialle führte die Paladin, durch die Häuser, an ihren Familienmitgliedern vorbei, durch die Scheune bis hinaus auf die weiten Koppeln und Felder. Sie hatte zu jedem Ort eine Geschichte zu erzählen und die Zeit verging im Nu.

Als sie ihren ausgiebigen Rundgang beendeten, stand die Sonne schon tief am Firmament und sie wurden sehnlichst im großzügigen Garten hinter dem Haupthaus erwartet. Ein riesiger Tisch stand in der Mitte der Veranda, der für alle genügend Platz bot. Das Spanferkel drehte sich schon eine Weile über dem Feuer und die Frauen wuselten von Küche zur Veranda und zurück, während die Männer schon, laut lachend mit Metkrügen, anstießen.
"Da sind ja endlich unsere Ehrengäste! Hast wohl keinen Winkel auf eurem Rundgang ausgelassen, was Kicki?", erklang die brummige Stimme von Gustav dem Jüngeren.

"Es wäre ja kein richtiger Rundgang wenn ich Dinge auslassen würde, Gus!" Marialle bot der Elfe den Platz neben sich an, diese fragte mit dem gewohnt forschendem Blick: "Wieso nennen sie dich eigentlich Kicki?" Marialle verzog beschämt das Gesicht.
"Ach da ich ja die Jüngste bin nennen sie mich seit meiner Geburt Kicki das Küken. Nicht wahr ihr Halunken?"
Jazper war am schnellsten.
"Halunken? Wir? Ich glaube du vergisst noch immer, dass wir in überragender Überzahl sind, Schwesterherz!" Alle sechs Männer lachten aus voller Kehle.

"Heute ist ein Familienfest und ich bin nicht eingeladen?", erklang später eine angenehm helle Stimme aus Richtung der Küchentür, die Marialle nicht einordnen konnte.
"Daria, Liebste! Komm her! Heute ist endlich das Familienmitglied erschienen, das du noch nicht kennst!" Eine junge, schwarzhaarige Frau trat näher an die Gesellschaft.
"Marialle ist da?", fragte sie erfreut. 
"Ja, komm! Mari, schau was ich mir für ein Prachtweib geangelt habe! Darf ich vorstellen, das ist Daria, meine Verlobte." Die Priesterin erhob sich lächelnd und schloss den Neuankömmling sogleich in die Arme.

"Wie schön dich kennen zu lernen, Daria. Willkommen in der Familie! Na Berti, jetzt wirds aber langsam Zeit für dich, wenn sogar Jazper dich überholt", fügte sie noch neckend an ihren Bruder Berthold hinzu.
"Du musst gerade Töne spucken Kicki! Ein Weib in deinem Alter sollte selbst schon längst unter der Haube sein!", gab er zurück und zog sie aus der Umarmung mit Daria, um ihr die langen Haare zu zerzausen. Scham breitete sich hochrot auf ihren Wangen aus, wurde aber schnell von Zorn abgelöst.
"Eh lass das, du Grobian! Weißt du wie lange es jeden Morgen dauert dieses endlos lange Wirrwarr zu einem Zopf zu flechten?"

Aus den Augenwinkeln sah sie wie die Elfe mit einem breiten Grinsen das Geschehen amüsiert verfolgte. "Ach Daria, das ist übrigens Dolette."
Diese deutete eine kleine Verbeugung an.
"Ich bin erfreut nun die gesamte Familie Lichtsprung kennen gelernt zu haben", sagte sie zu der leicht eingeschüchterte, Schwarzhaarigen.
"Ich auch, Dolette", gab sie mit gesenktem blick zurück.
In diesem Moment wurde die junge Frau von zwei quietschenden Mädchen davon gezogen.
"Daria, stell dir vor, sie ist eine Paladin Meisterin und eine Hochelfe noch dazu! Sie hat bestimmt schon unglaublich viel erlebt!" Und die drei entfernten sich etwas von der Veranda.

"Die beiden scheinen deine Verlobte ja sehr zu mögen Jazper", stellte Marialle, an ihren jüngsten Bruder gewandt, fest.
"Das kannst du laut sagen, Mari! Ich kriege sie kaum zu Gesicht sobald sie hier ist", antwortete er gespielt theatralisch.
"Warte nur bis du eigene Kinder hast, Jaz. Dann bekommst du sie gar nicht mehr zu sehen!", ließ sich das Familienoberhaupt vernehmen.
"Da hat der alte Mann recht!", erklang die Stimme von Gustav dem Jüngeren.
"Wie war das mein Sohn?", stieß der Ältere lachend hervor.
"Da lässt sich doch nichts beschönigen, Vater!", stimmten Gunter und Grubert wie aus einem Munde mit ein. Typisch Zwillinge, schmunzelte Marialle.

"Ah endlich die Damen des Hauses. Sind die Vorbereitungen beendet? Kann ich das Spanferkel anschneiden, liebe Frau?", fragte Gustav der Ältere Magareth, Marialles Mutter.
"Ja ja, Vater! Ungeduldig wie immer!", erwiderte diese milde schmunzelnd.
Und als sich alle an den gutbürgerlichen Köstlichkeite des Hauses Lichtsprung satt gegessen hatten, erhob er das Wort und wandte sich an die Paladin und die Priesterin.
"Lady Dolette, Marialle, wie sieht es aus? Stoßt ihr mit einem Krug Met mit eurer Familie an? Eine Freundin meiner kleinen Tochter gehört natürlich zur Familie. Auf ein weiteres Mitglied in unserem wilden Haufen!"

Die Elfe lief rot an, was Marialle mit einem Grinsen registrierte, dann antwortete sie für sie beide: "Aber gern, Vater." Und sie schenkte ihm das Lächeln, das er so an seiner kleinen Tochter liebte.
Sie bekamen von Meredith eingeschenkt und als die sich wieder hinsetzte, ließ die Paladin sich räuspernd vernehmen. "Wenn ich etwas sagen darf?" Marialles Vater nickte ihr aufmunternd und lächelnd zu.
"Ich möchte mich bei euch allen, für den Empfang in eurer Mitte und eurer überaus herzlichen Gastfreundschaft bedanken. Ich habe in den vielen Jahren, die ich bereits lebe schon viel erlebt, aber noch nie habe ich mich bei Fremden so zu Hause gefühlt. Also danke, danke euch allen!"

In den dunkelblauen Augen war kurz ein feuchter Schimmer zu erblicken, der die Aufrichtigkeit unterstrich, die aus den Worten der Hochelfe an ihre Zuhörer drang. Einen Herzschlag schwiegen alle gerührt und dann erklang die donnernde Stimme von Gustav dem Jüngeren. "Hört, hört! Wenn wir unsere Familie weiter so ausweiten, wird der Name Lichtsprung noch auf ganz Azeroth in aller Munde sein!" Alle brachen in schallendes Gelächter aus und klopften anerkennend auf den Tisch.
"Fabelhafte Worte, Dolette! Wahrlich fabelhaft!"

Zufrieden lehnte er sich zurück an seine Lehne und Marialle konnte den Stolz und das Glück in den Augen des Familienoberhauptes sehen, als sein Blick über die lachenden Gesichter seiner großen Familie wanderte.
Und das Gefühl, was den ganzen Tag schon in ihr empor stieg, steigerte sich ins Unermessliche. Sie bemerkte gar nicht wie ihr links und rechts je eine Träne über die Wangen kullerten, aber ihrer Mutter entging es nicht. 
Diese zog sie so gleich von dem Stuhl und führte sie in die Küche. Von draußen drang weiterhin lautes Gelächter in den Raum.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt