Noch immer hallten die Worte der beiden Nachtelfen in ihr wieder. Sie fand den Gedanken, dass das Schicksal sie und die Paladin zusammengeführt hatte, immer überaus tröstend. Nachdem sie aber nun die ganze Geschichte um das göttliche Leuchten gehört hatten, schien das Geheimnis gelüftet zu sein. Marialle spürte die Last, die es mit sich brachte nun noch deutlicher.
Sie saßen noch immer an dem kleinen, weißen Tisch am Teich und die Priesterin konnte in den Augen der Hochelfe sehen, dass auch sie diese Eröffnung bedrückte. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich die sein möchte, auf die man wartet, wenn die Welt vor dem Untergang steht, Dole", sprach sie leise über den Tisch und die Gläser Wein hinweg zu ihrer Liebsten.
"Wärst du enttäuscht von mir, wenn ich dir sage, dass es mir nicht anders geht?" Dolette sah ihr in die silbern schimmernden Augen. Sie war unsicher. Ein Blick, den die Priesterin nicht mehr bei ihr gesehen hatte, seit sie sich so schwer getan hatte, ihre Gefühle zu der jungen Menschenfrau einzugestehen. Ein Anflug von Panik stieg in ihr auf. Sie war versucht, vor der Elfe nieder zu knien, ihr ihr Innerstes vor die Füße zu werfen und sie anzuflehen, sie möge sie nicht verlassen, doch sie wagte nicht, sich zu rühren. "Ich bin nie enttäuscht von dir, Dole. Und ich..." Sie musste sich unterbrechen, um den Kloß, der sich in ihrem Hals zu bilden drohte, runter zu schlucken.
"...ich könnte verstehen, wenn du diesen Weg nicht mit mir weitergehen möchtest." Die Paladin erstarrte und sah ihr erschrocken in die Augen. Es vergingen einige Herzschläge, bis sie sich zu fassen schien. Sie erhob sich von ihrem Stuhl, trat um den Tisch, kniete nun ihrerseits vor der Priesterin nieder und ergriff deren Hand. Marialles Herz setzte einen Herzschlag aus, als der Strom aus Gefühlen in sie eindrang und in ihr loderte. Heiß stiegen die ersten Tränen in ihre Augen und brachen sich ungehindert über ihre Wangen Bahn. Die Elfe schüttelte den Kopf und sah leicht verzweifelt zu ihr auf.
"Wie kannst du denken, ich könnte auch nur einen Augenblick ohne dich Leben, Mari? Bevor du in mein Leben getreten bist, war es leer. Tag ein Tag aus, viele Jahrhunderte, war ich auf der Suche nach etwas, das mich erfüllt und allem einen Sinn gibt. Ja, auch ich habe Angst, aber ich würde es mir nicht anders wünschen." Sie strich der jungen Frau die Tränen aus dem Gesicht und gab ihr einen sanften Kuss auf die Hand. "Ich liebe dich und werde nicht von deiner Seite weichen, solange das dein Wunsch ist." Die Priesterin fiel ihr um den Hals und gab ihr einen Kuss, in den sie all ihre Gefühle und Ängste legte. Die Arme der Paladin umschlangen sie und drückten sie fest an sich.
Als sie sich schließlich voneinander lösten, fand Marialle ihre Stimme wieder. "Ich will, dass du immer bei mir bist, jetzt, in Zukunft und über den Tod hinaus", sagte sie ernst und wurde wieder in die leidenschaftliche Umarmung zurückgezogen. Wären sie nicht so aufeinander fixiert gewesen, hätten die Paladin und die Priesterin mitbekommen, wie das Licht, das sie in ihren Farben umgab, sich veränderte. In steten Wellen vermischt, von den Füßen hinauf zu den Köpfen waberte es und erweckte den Eindruck, die zwei stünden in goldenen und silbernen Flammen.
Die Anspannung in den Reihen des Bündnisses der unterschiedlichen Völker nahm von Tag zu Tag zu, denn Archimonde war noch eine ganze Weile damit beschäftigt, seine Angriffslinie aufzubauen. Die Menschen, die den Dämonen und der Geißel als Erstes gegenüberstehen würden, waren besonders von dieser Anspannung betroffen. Marialle machte sich vor allem Sorgen um ihre jungen Gefährten, die, anders als die meisten anderen, noch nie auf einem Schlachtfeld waren. Nachdem sie mit Dolette über ihre Befürchtungen gesprochen hatte, haben die beiden sich darauf geeinigt, dass die Priesterin mit Maxime, William und Odessa diesen Nachmittag frei machen würde. Heute würde Archimonde nicht mehr angreifen.
"Sag mal! Ich finde die Idee ja an sich gut, aber was macht dich glauben, dass du ihnen die Angst nehmen kannst? Du bist doch selbst noch nie in einer Schlacht gewesen und Maxime und William sind sogar älter als du", hatte Dolette sie noch scherzend gefragt, doch Marialle antwortete ihr ganz ernst. "Du hast selbst gesagt, dass ich in letzter Zeit viel reifer und autoritärer geworden bin. Ehrlich gesagt, fühle ich mich oft viel älter als die drei und die Ruhe, die ich empfinde, möchte ich einfach mit ihnen teilen. Ich habe diese Ruhe immer an dir bewundert, wenn du auf deine erhabene und würdevolle Art mit den Anführern sprichst oder wie du, ohne zu zögern, mutig keinen Kampf scheust und ich glaube, dass ich durch unsere Verbindung mittlerweile einen Teil davon abbekommen habe."
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Die dunkle Ritterin
FantasyDie Geschichte einer Todesritterin, die durch einen Auftrag für Sylvanas Windläufer, an ihrem vergessenem Leben rührt. Wer war sie einst? Wer ist sie heute? Und was wird aus ihr werden? Liebe, Freundschaft, Leid und Tod begegnen Dole auf ihren Rei...