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   "Lady Prachtmeer!" Der Kriegshäuptling der Horde stürmte der Gruppe Überlebender entgegen und bot der Menschenmagierin seinen Arm an. "Na los! Holt Tragen für die Verletzten! Sie können ja kaum noch laufen." , befahl er seinen Orkwachen.
"Beim Licht! Habt Dank, Thrall. Mir kam der Anstieg nie so lang vor wie heute." Jaina lächelte schwach und hielt sich an dem Arm des Orks fest. Wie nahezu alle anderen war auch sie nicht von Verletzungen verschont geblieben.
Marialle dröhnte der Kopf, schon den ganzen Anstieg lang, aber jetzt, da Thrall laut Befehle in die Stille der Nacht rief, war der Schmerz fast unerträglich. Sie tastete ziellos an ihrem Hinterkopf herum und erschrak, als sie die Feuchtigkeit spürte, die noch immer ungehindert aus einer großen Platzwunde drang.

"Verdammt, Dole!", wandte sie sich noch zu ihrer Rechten an die Paladin, bevor sie auf die Knie sackte. "Marialle, was...?" Sie verstummte. Offenbar war ihr gerade das ganze Blut aufgefallen, das ihr, wie die Priesterin jetzt spürte, schon den Rücken hinab lief. Sie stürzte herab zu der Menschenfrau und legte ihre Arme um sie, bevor sie ganz umfiel. Sie ließ ihre Hand über die Wunde schweben und Marialle sah es aus ihren Augenwinkeln kurz golden aufleuchten, doch der Ausdruck auf Dolette Gesicht änderte sich von besorgt zu panisch. "Thrall! Bitte helft mir. Marialle hat eine schwere Wunde am Hinterkopf. Ich habe nicht mehr genug Kraft, um sie zu schließen."

Bevor der Kriegshäuptling auch nur reagieren konnte, schoss ein Schatten an ihm vorbei und die Priesterin erkannte die großen Hauer des Häuptlings der Dunkelspeere, als Vol'jin sich über sie beugte. Er sagte nichts, legte seine Hand auf den linken Arm der Menschenfrau und die Andere über die blutende Wunde. Ein lilafarbenes Leuchten erstrahlte kurz und die Wunde schloss sich wie von selbst. Er tauschte einen eindringlichen Blick mit der Hochelfe und diese nickte kaum merklich. Marialle spürte wie die sanften Hände der Paladin von den Riesigen des Trolls abgelöst wurden und er sie in die Höhe hievte.

"Komm, Elflein! Folge mir", befahl er und Marialle kam das ganze nur allzu bekannt vor, aber sie war diesem ungehobelten Troll durchaus dankbar für seine Hilfe in diesem Moment. Er schritt schnell. Sie hörte wie ihre Liebste alle drei Schritte laufen musste, um an den beiden dran bleiben zu können.
"Öffne die Tür! Das is’ meine Hütte", herrschte er die Elfe an, die augenblicklich gehorchte. Drinnen war es wunderbar warm. Die Priesterin fühlte sich sofort besser. Es war zwar karg eingerichtet, doch alles was man brauchte, gab es in dieser Hütte. Eine Bank und zwei Stühle, die an einem Tisch standen. Einige Felle, die auf dem Boden vor der Feuerstelle, über der ein Topf hing, in dem Wasser kochte, lagen. Weiter hinten gab es noch einen weiteren Raum, in dem sicherlich ein Bett stand.

Vol'jin legte die Priesterin auf die riesige Bank, auf der ausreichend Platz für sie war, und wandte sich der Feuerstelle zu. "Braucht dring'nd Schlaf. Hat viel Blut verlor'n, die Kleine." Dolette beobachtete den Troll, der einige Kräuter und Blüten in das kochende Wasser fallen ließ. "Sie hat fast die Hälfte der Überlebenden geheilt, aber achtet kein bisschen auf sich selbst." Die Paladin schüttelte leicht den Kopf, ehe sie sich umwandte, als die Menschenfrau das Wort erhob. "Würdet ihr bitte nicht von mir reden, als wäre ich nicht da! Ich bin bei vollstem Bewusstsein und könnte sicherlich noch den ein oder anderen Lichtblitz abfeuern. Außerdem passt ihr Beide auch nicht viel besser auf mich auf oder hat sich schon einer von euch um meinen Arm gekümmert?"

Marialle funkelte die Beiden abwechselnd an und da kam der junge Häuptling auch schon zu ihr gestürmt und kümmerte sich um die Wunde an ihrem Arm. Währenddessen linste sie an ihm vorbei zu der Paladin, die sich eines Lächelns nicht erwehren konnte. Die schöne Elfe ließ sich erschöpft auf einen der Stühle fallen. Sie hatte selbst furchtbar viel Blut verloren und war bleich und ausgemergelt. Die Priesterin stupste den Troll an und nickte zu der Paladin hinüber. "Dem Menschlein Vorwürfe mach'n, aber selbst bist' kein' Deut besser, Elflein. Ich hol eb'n Verbandszeug und dann lasst ihr euch erst'ma versorgen, damit das klar is’." Sein Ton ließ keine Widerrede zu und so schwiegen die beiden Frauen, bis er den Raum verlassen hatte, dann fingen sie Beide gleichzeitig an, leise zu lachen.

"Au au, ach der Verrückte hat schon recht, verzeih Liebste." Marialle schenkte ihr ein strahlendes Lächeln als Antwort, da trat Vol'jin auch schon wieder herein.
Zuallererst verband er der Priesterin Kopf und Arm, dann half er der Paladin aus ihrer schweren Rüstung. Die Wunden waren zwar verschlossen, dennoch bot sie wahrlich ein erschreckendes Bild. Ihre linke Körperhälfte war übersät von zahlreichen Schnittwunden und ihre Kleidung war auf dieser Seite völlig zerschlissen. "Elflein, Elflein. Wie konn'st du überhaupt bis hier gerade geh'n?" Er löste behutsam die Stofffetzen von der blutverklebten Haut. Dolette schoss von Herzschlag zu Herzschlag mehr die Röte ins Gesicht, was die Priesterin kichernd registrierte.

"Hör mal, Troll. Beeil dich lieber, anstatt hier sinnlose Fragen zu stellen! Und was gibt es da hinten eigentlich so viel zu lachen?", wandte sich die Paladin entrüstet an die Priesterin. "Ach nichts, nichts, Dole. Ich frag mich nur immer, wie man nach annähernd zweitausend Wintern auf der Welt noch so verklemmt sein kann", lachte Marialle nun herzhaft, nachdem sie geendet hatte. "Verklemmt? Ich denke, du weißt am allerbesten, dass ich keineswegs verklemmt bin. Ich weiß nur, was sich geziemt, offenbar im Gegensatz zu anderen Wesen in diesen Räumlichkeiten", widersprach die Hochelfe, betont hochtrabend. Die Priesterin hingegen amüsierte sich weiter, umso mehr sie sich aufregte, und der Troll kam nun auch nicht mehr umhin, schmunzelnd mit einzustimmen, woraufhin Dolettes Augen sich zu Schlitzen verengten.

"Wage es zu lachen, Troll und ich schwöre dir, du verlierst etwas, was du noch schmerzlich vermissen wirst!" Vol'jin aber war nicht der Typ, der sich von Drohungen wie diesen abschrecken ließ und so lachte er herzhaft, während er den Verband um das Bein der Paladin vielleicht eine Spur zu fest schnürrte. "Beim Licht! Pass doch auf!", beklagte sie sich, was das Lächeln des Trolls, genauso wie das der Priesterin, noch eine Nuance breiter werden ließ. "Was wolltet ihr mir doch gleich abschneiden, Mylady Glutklinge?", grinste er frech. "Komm her du!", sagte die Elfe nun gefährlich grinsend und knuffte den Troll gegen den Oberarm.

"Jetzt isses aber genug mit den Albernheiten. Ihr müsst euch dring'nd ausruh'n. Hier, trinkt das!" Er reichte jeder von ihnen einen Becher mit dem Kräuter-Blütentee und schenkte dann sich selbst ein. "Darf ich euch ma was frag'n?", bat Vol'jin nach einer Weile des Schweigens. "Sicher darfst du, mein Freund”, antwortete die Elfe für sie Beide. "Könnt ihr ma’ erklär'n, wieso ihr nach so'ner Schlacht bei so guter Laune seid?" Sie sahen sich nachdenklich an und die Stimmung kippte augenblicklich. Marialle konnte förmlich spüren, wie die Bilder der vergangenen Nacht in der Elfe hochstiegen und sie eine tiefe Trauer überkam, genau wie es bei ihr selbst der Fall war. Da veränderte sich der Blick von traurig zu überrascht.

"Hast du das auch gerade gespürt?", fragte Marialle ohne Umschweife und erntete einen verwirrten Blick von Vol'jin. "Allerdings!", stieß die Elfe genauso verwundert aus. "Jetzt spüren wir unsere Gefühle also schon, ohne uns anzufassen. Wo soll das nur hinführen?", schmunzelte Dolette und schenkte der Priesterin einen liebevollen Blick. "Nun, wenn ich das gerade richtig interpretiere, kann ich für uns Beide sprechen, wenn ich sage, wir haben bisher die Bilder verdrängt. Es war einfach nur grausam ,Vol'jin." Er nickte bedächtig. Er hatte offenbar auch schon viel Leid in seinem Leben gesehen und ließ sich das für gewöhnlich ebenso wenig anmerken.
"Und? Dürfen wir auch?" Nun sah er kurz wieder irritiert drein, als er aber erkannte, worauf die Priesterin hinaus wollte, nickte er nur.

"Wieso bist du immer so schnell zur Stelle, wenn es um uns geht, Vol'jin?", fragte Dolette ruhig für ihre Liebste. Marialle war überrascht, dass die Paladin davon ausging, dass es um sie Beide ging. Schließlich war sie es gewesen, die von dem Troll nun schon zum zweiten Mal durch die Gegend getragen wurde. Entsprechend verwundert sah auch er in das Antlitz der Paladin. "Sag ma’, Elflein, wie kommst'n darauf, dass ihr beide irg'ndeine Sonderbehandlung bekommt?" Die Elfe schmunzelte nur. "Schon gut, du musst deine Geheimnisse nicht lüften." Und da hatte sie ihn. Marialle war immer wieder davon überrascht, wie die Paladin die rhetorische Waffe ebenso gut wie eine echte schwang.

"Wie kommst'n nu' d’rauf, ich hätt’ irg'ndwelche Geheimnisse, Spitzohr?" Dolette musste jetzt herzhaft lachen, während der Troll ernsthaft verärgert schien. "Spitzohr?" Ihr Lachen erstarb augenblicklich und sie beugte sich zu ihm vor. Ihre Augen flackerten bedrohlich im Schein des Feuers und Marialle meinte zu sehen, wie Vol'jin einmal schlucken musste. "Jetzt pass mal auf, du rumschlawenzelnder, ungehobelter, benebelter Urzeitaffe! Meinst du, ich merke nicht, wie du um Marialle herum geschlichen bist? Zur Stelle warst, als sie dich brauchte? Denkst du, ich weiß nicht, dass du über sie versuchst, auch mein Vertrauen zu gewinnen, weil du sie für schwächer hieltest? Weit gefehlt, Primat! Ein wenig Ehrlichkeit wird da wohl nicht zu viel verlangt sein, oder?" Seine Gesichtszüge veränderten sich leicht, doch Marialle vermochte nicht zu deuten, was sie aussagten.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt