Das Bild, was der Dämonenlord in der Festung der Nachtelfen hinterlassen hatte, zeugte von reinster Zerstörung. Überall lagen die Leichen von unendlich vielen Dämonen und Untoten, aber auch Nachtelfen, Orks, Tauren, Trollen und Menschen herum.
Marialle machte sich Vorwürfe. Wie hatte sie es soweit kommen lassen können, obwohl sie doch eine Idee hatte, wie man das Abschlachten hätte verhindern können?Als Archimonde durch die Südmauer der Festung brach, hatte Dolette mit ihren mächtigen Angriffen alles versucht, dem Dämon beizukommen, doch die Attacken richteten einfach nichts aus. So war es den Streitmächten der Horde, Nachtelfen und Menschen gerade einmal möglich, ihn für drei, vielleicht vier Stunden in der Festung aufzuhalten, bevor die Paladin das Signal zum Rückzug geben musste. Die Magier, die noch übrig waren, teleportierten die Überlebenden hoch zum Tor von Nordrassil, wo Malfurion mit seinen Druiden, einigen Urtumen und den Furbolg auf Archimonde und den Rest seiner Armada wartete.
Die Stille war erdrückend. Der idyllische Garten, der das Tor zu Norddrassil umgab, vermittelte eine trügerische Ruhe.
Die Stimme des Druiden riss die Priesterin aus ihren düsteren Gedanken. "...ihr schon hier?"
"Archimonde hat viel früher eingegriffen, als wir erwartet haben, Mal", antwortete ihm Shandris Mondfeder, ohne mit der Wimper zu zucken. "Nicht einmal Lady Glutklinge konnte dem Dämon etwas anhaben", fuhr sie fort. "Verdammt, er ist viel zu schnell. Selbst mit den Irrwischen brauchen wir noch mindestens einen weiteren Tag", sagte Malfurion langsam und Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit.In dem Moment erklang das laute Gebrüll des Dämonenlords. "Er ist gleich hier! Hat irgendjemand eine Idee, außer, dass wir alle unser Leben lassen?", ließ sich der mürrische Schurke vernehmen, der gerade hinter Dolette vortrat. "Naja, wenn ich es mit Angriffen nicht schaffe, Archimonde beizukommen, so kann vielleicht eine Lichtmauer aus der gebündelten Kraft von Marialle und mir etwas ausrichten?", sprach die Hochelfe ihre Gedanken laut aus. "Versuchen wir es! Die Priester und ich werden unsere Macht auch in diesen Schutzwall stecken. Wir haben gar keine andere Wahl", kam es entschlossen von Tyrande Whisperwind.
"Der Rest von uns muss sich dann um die Dämonen und Geißel kümmern. Die Priester und Lady Glutklinge müssen unantastbar sein." Die Anführer nickten einander entschlossen zu und verteilten sich. Befehle wurden durch die Reihen der Mitstreiter geschrien und Tyrande, Dolette und Marialle positionierten sich vor den Priestern. Weiter vor ihnen die Kämpfer und Anführer dieses einmaligen Bündnisses.
Aus der verfallenen Festung strömten die Massen des Heeres der Legion, gefolgt von Archimonde, der behäbig hinterher schritt."Wartet noch!", brüllte Thrall. Die restlichen Schildwachen und Jäger spannten ihre Bögen. "Wartet!", erklang seine Stimme erneut. Die Magier, Schamanen und Druiden formten Zauber in ihren Händen. "Wartet!", befahl er ein letztes Mal. Die Krieger, Druiden in Bären und Katzengestalt sowie die Begleiter der Jäger machten sich bereit los zu stürmen. Der Dämonenlord und seine Schergen traten in Reichweite und Thrall brüllte aus Leibeskräften: "ANGRIFF!!!"
Die Pfeile und Zauber schossen los, rissen einen Gegner nach dem anderen zu Boden. Die Nahkämpfer sprinteten den Dienern der Legion entgegen, bereit ihr Leben in jeden Hieb zu stecken. Tyrande, Dolette, Marialle und die Priester hinter ihnen formten eine gewaltige goldene Mauer, an der die Pfeile und Zauber der Dämonen und Untoten abprallten.
Während ein unerbittlicher Kampf zwischen den Kontrahenten entflammt war, trat Archimonde an den Lichtwall heran und war verwundert, nicht einfach durchschreiten zu können. Er erblickte die beiden Frauen mit den außergewöhnlichen Augen unter den Priestern. "Wie ist das möglich, dass mich so kleine Glühwürmchen wie ihr aufzuhalten vermögt?", dröhnte seine dämonisch verzerrte Stimme an die Ohren der Urheber der Lichtmauer.
Dolette grinste nur herauszufordernd zu dem Dämonenlord hinauf. "Du wirst die Macht des Weltenbaums nicht an dich reißen!", schrie die Hochpriesterin ihm zu. "Dass ich nicht lache!", erwiderte er siegessicher und lehnte sich mehr gegen den Lichtwall. Marialle spürte den Widerstand und einige der Priester hinter ihr gingen vor Anstrengung in die Knie. 'Sie halten das nicht mehr lange durch, Dole', sandte sie der Paladin im Geiste. 'Ich weiß, aber wir müssen es schaffen.' Sie konzentrierten sich wieder auf die Mauer aus Licht und der Dämonenlord musste etwas zurückweichen.
Währenddessen tobte der Kampf einige Körperlängen vor ihnen unerbittlich weiter. Borigan brachte einen Dämon nach dem anderen mit seinen Schwerthieben zu Boden. Malek half ihm immer wieder aus dem Hinterhalt, durchtrennte Kniesehnen und stieß seine Dolche in die Rücken der Feinde. Odessa warf Feuerball um Feuerball in die Reihen der Legion, genauso wie es Bertak mit seinen Pfeilen tat. Efendral und die anderen Druiden setzen den Dämonen und Untoten mit ihren Pranken und Krallenhieben zu, genauso wie die Anführer der Orks, Trolle, Tauren, Menschen und Nachtelfen.
So dezimierten sie die Massen der Legion, doch Archimonde drängte unerbittlich gegen den Lichtwall. Marialle sah hinter sich. Maxime und William knieten wie viele der anderen Priester bereits am Boden, einzig Tyrande machte noch einen gefassten Eindruck. "Schont eure Kräfte! Wir werden die Mauer alleine aufrechterhalten!", schrie die Paladin über das Kampfgetümmel hinweg zu den Priestern. "Unterstützt die anderen!", befahl sie dazu und Marialle spürte wie der Druck, der gegen den Lichtwall drängte, plötzlich übermächtig zu werden schien.
Die anderen Priester hatten ihre Energien aus dem Schild zurückgezogen und rannten nun an Tyrande, Dolette und Marialle vorbei. "Haha, wie hochmütig von euch, Elfenabschaum! Als hätte ich schon meine ganze Kraft gegen euren erbärmlichen Schutzschild eingesetzt”, verhöhnte Archimonde die Hochelfe. Dolette riss die Augen vor Entsetzen auf, als sie spürte, wie der Druck auf den Schutzwall erbarmungslos zu nahm. Närrin!, erklang plötzlich eine dritte Stimme im Geiste von Marialle. Die Miene der Paladin deutete auch auf Überraschung hin, als sie in ihr Gesicht blickte.
Was?, hörte sie nun die vertraute Stimme ihrer Geliebten. Meinst du, dafür habt ihr das Geschenk der Erdenmutter erhalten?, fragte die Stimme, die die Priesterin als die der Schamanin Garta Quelltotem erkannte. Verschwendet nicht unsere Zeit, Schamanin! Sagt uns lieber, wie wir den Dämonenlord aufhalten können!, befahl Dolette ruppig. Ihr seid zwei mächtige Gefäße und sollt die Macht, die euch innewohnt, in diesem Kampf gar nicht verwenden, erklärte Garta erbost und ihre Präsenz verschwand wieder.
Was meint sie damit?, fragte die Hochelfe verwirrt. Doch Marialle wusste, was sie zu tun hatten, so sehr es ihr auch missfiel. Dole, sie meint, dass wir die Kraft von allem um uns herum aufnehmen sollen, um sie dann an den Weltenbaum weiter zu geben. Darum haben wir die Fähigkeit erhalten, aus jedem Stein, jedem Grashalm und jedem lebendigen Wesen die Kraft zu ziehen. Der Funke der Erkenntnis glitt über die Gesichtszüge der Paladin und augenblicklich gab sie ihren Widerstand auf, so dass Archimonde ungehindert an ihnen vorbei gehen konnte. "Was tut ihr?", schrie Malfurion aufgebracht.
"Meister Sturmgrimm, nehmt die Ungetüme und alles was hier zu entbehren ist und versucht Archimonde aufzuhalten, solange es euch möglich ist! Wir versuchen es auf einem anderen Weg!", rief sie zu ihm zurück. Sein Blick verriet Unsicherheit, doch er tat wie ihm geheißen und eilte dem Dämonenanführer hinterher. Dolette sah die Priesterin neben sich an und reichte ihr die Hand. Ihre goldenen Augen sprühten die Entschlossenheit, die ihnen innewohnte, förmlich heraus. Marialle legte ihre Hand in die ihr dargebotene und fühlte auch in sich dieses Gefühl aufsteigen. Es gab nun keinen anderen Weg mehr. Sie konnte sich nicht über das Schicksal dieser Welt stellen. "Ich habe doch gesagt, egal was passiert, ich bin an deiner Seite.” Ihre Blicke trafen sich noch für einen Augenblick, ehe Dolette sich abwandte und schrie: “Borigan! Wir brauchen Schutz!" Der Krieger nickte, rief seine Leute zu sich und sie bildeten einen Kreis um die beiden Frauen. Die Priesterin nickte der Paladin entschlossen zu und dann schlossen beide ihre Augen.
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Die dunkle Ritterin
FantasyDie Geschichte einer Todesritterin, die durch einen Auftrag für Sylvanas Windläufer, an ihrem vergessenem Leben rührt. Wer war sie einst? Wer ist sie heute? Und was wird aus ihr werden? Liebe, Freundschaft, Leid und Tod begegnen Dole auf ihren Rei...