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   Überall liefen Verlassene rum und wurden von anderen bewaffneten Untoten gejagt und gefangen genommen. Bis jetzt hatten die ungleichen Gefährten es geschafft, ohne kämpfen zu müssen durch die Unterstadt Lordaerons zu gelangen und atmeten vor der nächsten Weggabelungen erst einmal durch.
"Beim verdammten Dämon, dieser Varimathras will sich Unterstadt unter den Nagel reißen", ärgerte sich Plagg, der mittlerweile von den dreien noch den gefasstesten und abgeklärtesten Eindruck machte.
Er hat den Tod der jungen Priesterin ja aber auch nicht mit ansehen müssen, dachte Dolette bei sich.

"Dämon? Susanne?", quietschte der Sukkubus fröhlich. Susanne schien von allem was um sie herum geschah, vollkommen unberührt. Irgendwie ein Segen.
"Ja aber hier ist es gerade zu gefährlich, außerdem müssen wir Putress aufhalten, das ist jetzt das vordringlichere Problem", sprach Dolette eindringlich an den Untoten gewandt und drehte sich dann zu Marialle und ergänzte, "Wir können euch noch nach Süderstade begleiten, wenn ihr das wünscht, dann müssen wir aber nach Nordend und zur Pforte des Zorns. Vielleicht können wir das Bündnis noch bewahren." Die Angesprochene schaute irritiert in das fahle Gesicht der Todesritterin. Es missfiel ihr zusehen, dass die Priesterin offenbar von Rache gesteuert wurde, auch wenn sie es verstehen konnte.

"Was soll ich denn in Süderstade? ", fragte Marialle. "Therez nach Sturmwind bringen, dachte ich." Dolette und Plagg waren gleichermaßen verwirrt. Die Priesterin überlegte. 
"Nein, das hatte ich eigentlich nicht vor. Sie würde auch nicht wollen, dass ich mit diesem Wissen tatenlos zusehe." Aus überrascht wurde fassungslos. "Ihr könnt sie, aber doch nicht einfach hier lassen?", ließ sich jetzt der Verlassene vernehmen.
"Susanne hier am bleiben?" Die Sukkubus schlug die dämonischen Augen wie ein Kind vor einem Süßwarenladen auf. "Susanne bei Herrin Dolli am bleiben!"

"Susi, kannst du dich nicht ein mal ... bei Herrin Dolli? Und was ist mit mir?" Er zog die Dämonin mit seinem funktionierenden Arm ein Stück von den Frauen weg, um das mit ihr auszudiskutieren. "Er hat recht, ich kann sie nicht einfach hier lassen." Marialle schaute Plagg nachdenklich bei seinem sinnlosen Unterfangen zu und dann auf das Antlitz der jungen Frau, die in den Armen der Todesritterin lag. 
"Wir könnten sie auf dem Weg nach Tirisfal dem Feuer übergeben. So könntet ihr ihre Asche immer noch nach Hause bringen, Marialle." Dolette war leicht bedrückt, auch wenn unbeholfen eher beschrieb wie sie sprach und sich gab. Sie trauerte ehrlich um die junge Frau auch wenn sie sie gerade erst kennen gelernt hatte, aber der Ausdruck in Marialles Gesicht machte ihr Sorgen.

Die Tatsache, dass sie vergessen hatte was sie mit ihrer toten Schülerin anfangen sollte, verfielfältigte dieses Gefühl ins Unermessliche. Doch dann erhellte sich die Miene der Hohepriesterin augenblicklich.
"Ja. Das ist eine gute Lösung, so werden wir es machen. Und das Beste ist, wenn es sich abzeichnet, dass es keinen Weg zurück gibt, kann ich die Asche mit einem Boten nach Hause schicken." Keinen Weg zurück? Das klang mehr und mehr nach Selbstmordkommando. 
"Gut, dann lasst uns zusehen, dass wir erstmal heil aus der Stadt kommen", sagte Dolette schließlich und linste um die Ecke der Kreuzung. Am Ende des Ganges standen eine Gruppe aufgeschreckter Wachen die sich unterhielten.

"Da hinten ist zwar ein Ausgang, aber auch einige Wachen. Wir sollten uns einen anderen Weg suchen."
Die dunkle Elfe wollte schon zu dem Gang gegenüber schreiten, als sie Marialles Stimme vernahm.
"Nein, wir bleiben hier keinen Moment länger als nötig!" Darauf lief die Priesterin den Gang entlang und schleuderte nur so mit Zaubern um sich. Es wäre beeindrucken gewesen, doch Dolette fand es grade eher beunruhigend. Nach wenigen Augenblicken lagen alle Wachen tot am Boden. Kaltblütig, so hatte sie die Menschenfrau bisher nicht eingeschätzt. Wer weiß was ihr sonst schon geschehen war, dass sie zu so etwas fähig war. Sie eilte ihr mit der Toten auf den Armen, so schnell es ihr möglich war hinterher, gefolgt von dem Hexenmeister samt Sukkubus, bis sie endlich nach draußen kamen.

Marialle schritt unermüdlich voran, ließ die Stadt so schnell es ging hinter sich. Sie schaute an ihre Seite, betrachtete Dolette, wie sie ihre Schülerin behände trug und suchte nach einer Gefühlsregung in sich, aber da war nichts. Sie fühlte rein gar nichts seit dem sie die Laboratorien hinter sich gelassen hatten und sie war dankbar dafür.
Das Schweigen der anderen hatte etwas Tröstendes, aber im Endeffekt war sie einfach nur froh, dass sie nicht reden musste.
Die Zeit verging bis sie an eine große Lichtung, vor einem See kamen auf der sie Therez' Leichnam verbrennen wollte.

Der Mond war schon aufgegangen und nach Tirisfal würde es auch nicht mehr lange dauern. Das Feuer musste sicher die halbe Nacht brennen ehe sie die Asche der Jungen Priesterin abfüllen konnten, aber dies duldete grade keinen Aufschub. 
Dankbar hatte Marialle das Einmachglas entgegen genommen, das die Todesritterin als provisorische Urne mitgenommen hatte. Sogar der Sukkubus hatte geholfen Holz zu suchen und gemeinsam schichteten sie einen großen Haufen Holzscheite auf, bis Marialle zufrieden war.
Die Hohepriesterin schaute Dolette ausdruckslos zu, wie sie die Frau behutsam auf den Holzhaufen bettete und ließ sich einen Ast vom Hexenmeister entzünden.

Therez war wahrlich nicht die erste, die sie bestatten musste und Marialle wusste, dass die Taubheit die sie bisher umgab schon bald abgelöst werden würde. Von Trauer und Schmerz. Gefühle für die es in Zeiten wie diesen keinen Platz gab.
Langsam trat sie näher an die tote Priesteranwärterin heran und hielt inne als Plagg das Wort an sie richtete.
"Möchtet ihr, dass ich ein paar Worte sage, Lady Marialle?" Sie nickte stumm. Eigentlich war es ihr egal, aber wenn sie es ablehnte, würde sie es im Nachhinein vielleicht bereuen. Und so machte Plagg sich so gut es ging gerade und fing mit ruhiger und feierlicher Stimme an zusprechen.

"Wir betrauern heute Nacht den Tod von Lady Therez, die uns viel zu jung genommen wurde. Sie war mutig und wissbegierig und hätte eine bedeutende Persönlichkeit werden können. Wir wünschen dir viel Glück auf deiner weiteren Reise. Dein Leben werden wir nicht vergessen und in unseren Gedanken wirst du weiter verweilen. Machs gut Therez, irgendwo sehen wir uns wieder."
Er trat einige Schritte zurück und senkte den Kopf. Sie nickte ihm zu, ließ den brennenden Ast in den Haufen fallen und sah wie die zügelnden Flammen den Körper, der viel zu jungen Frau, umringten und verschlangen.

"Susanne Feuer? Susanne am tanzen?", flötete die Dämonin und machte Anstalten sich in Bewegung zu setzten um zu tanzen, doch der Verlassene packte sie am Arm und zerrte sie mit sich.
"Nein Susi, das ist kein Fest!"
"Aber Feuer! Susanne am tanzen!"
Er hatte Mühe sie weiter weg zu bugsieren, aber ließ sich auf keine weitere Diskussion ein und so verschwand er schließlich aus dem Sichtfeld der Priesterin, die ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Feuer richteten.
Dolette stand stumm und steif neben ihr und tat es ihr gleich. Sie war sichtlich mit der Situation überfordert, aber das war Marialle egal.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt