An den Toren, die aus der Stadt führten, kamen ihnen auf einmal Wesen entgegen, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. "Draenei!", stieß Efendral überrascht hervor. Bei den Draenei, war eine Gruppe Blutelfen, in schlichte Roben gekleidet und eine sanfte wissende Aura schien sie zu umgeben. Einer der Draenei trat vor. Er trug eine edle, helle Robe mit lila- und orangefarbenen Applikationen bestickt. Auf seinem Rücken ruhte ein beeindruckender Stab, dessen Spitze ein gewaltiger, leuchtender Kristall zierte. Auf seiner Stirn leuchtete ein Ornament und das Weiß seines Haares und Bartes standen im krassen Gegensatz zu seiner violetten Haut. "Man nennt mich Velen, der Prophet. Anführer der Draenei und Verbündeter der Allianz, zusammen mit den Blutelfen der Seher bin ich Kael'Thas Sonnenwanderer bis hierher gefolgt, um ihn daran zu hindern meinen Bruder Kil'Jaeden zu beschwören!", stellte er sich vor und deutete auf die Gruppe Blutelfen hinter sich, die in Reihen weiterer Draenei standen. Marialle war verblüfft, doch hatte sie in all den Jahren viel von ihrer Geliebten gelernt und so fing sie sich schnell, bevor sie zu sprechen begann. "Ich bin Marialle Lichtsprung, Priesterin der Kirche des Heiligen Lichts und das ist mein Gefolge. Wie ihr seht, kommen wir gerade aus der Stadt. Kael'Thas hat viele seiner Untertanen getötet und den Naaru M'uru an sich genommen. Er zog weiter auf die Insel Quel'Danas, nicht weit entfernt hinter der Stadt. Wisst ihr was er dort vor hat, Velen?" Die Gesichtszüge des Propheten erstarrten. "Er hat M'uru? Dann müssen wir ihm folgen, rasch! Kil'Jaeden ist der Befehlshaber der Brennenden Legion. Wenn er in diese Welt gelangt, ist alles dem Untergang geweiht." Der Schock saß tief. Die junge Priesterin konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als dass die brennende Legion wieder Einzug in Azeroth hält. "Wir müssen ihn aufhalten!", presste sie daher gedämpft hervor. "Zeigt uns den Weg!", befahl Velen ruhig und die Gefährten machten sich mit den Truppen des Propheten, bestehend aus Draenei und Blutelfen auf zur Insel Quel'Danas.
Sie folgten der Todesschneise und teleportierten mit Hilfe der Blutelfmagier auf die Insel. Das Bild der Zerstörung war auch hier gewaltig und bedrückend. Überall lagen die Leichen der stationierten Sin'doreiwachen herum und große Wesen, erfüllt von unheilvoller Arkanmagie, durchstreiften die Insel. Die zusammengewürfelten Truppen um Velen und Marialle kämpften sich durch Reihen der Gegner, bis ein lauter Knall ertönte und ein gleißendes Licht im Westen der Insel zum Himmel aufstieg. Schockierte Rufe, ausgehend von den Blutelfen in ihrer Begleitung, drangen an ihr Ohr.
"Er hat es getan! Der Sonnenbrunnen!", stieß einer von ihnen aufgebracht hervor. "Er hat den Sonnenbrunnen wieder erweckt!", kam es von einem anderen. In dem Moment färbte sich das Licht grün und zeugte von seiner dämonischen Herkunft. "Wir müssen uns beeilen! Er will die Energie von M'uru nutzen, um das Tor für Kil'Jaeden zu öffnen!" Sie rannten, die Geißel, Dämonen und sonstige von arkaner Energie erfüllten Wesen, so gut es ging ignorierend.
Als sie das Sonnenbrunnenplateau erreichten, drangen laute Kampfgeräusche an ihre Ohren. Metall das aufeinander prallte und Schreie. Die Priesterin riss vor entsetzen die Augen auf. Das Schlachtfeld war voller Blutelfen, die gegen die Schergen der brennenden Legion kämpften. Marialle erkannte Liadrin, Halduron, Rommath, Lor'themar und schließlich auch die schlanke Gestalt ihrer Geliebten. Aber es blieb keine Zeit, denn am gegenüberliegenden Ende des großen Platzes mit dem Sonnenbrunnen in der Mitte, sah sie wie sich der Naaru M'uru in etwas anderes verwandelte. Seine Gestalt glich dem eines Geistes, nur dass sein Körper schwarz war. Ein violettes Schimmern umgab das Wesen und seine Augen funkelten bedrohlich hell.
"Entropius, vernichte die Störenfriede! Ich will endlich meinen Meister in diese Welt führen."
"Kael'Thas!", stieß einer der Blutelfen hervor. Der Prinz war wie so viele seines Volkes in eine Robe in Gold- und Rottöne, gehüllt. Sein langes blondes Haar fiel ihm kraftlos an seinem Körper herab und seine Haut hatte nichts Rosiges mehr. Sie war fahl und grau, der Wahnsinn stand ihm im Gesicht. Er fing an zu rennen Richtung Osten zu den Terrassen der Magister. Einige Blutelfen nahmen die Verfolgung auf, doch hier galt es diesem Ungetüm, das einst M'uru war, Einhalt zu gebieten. Aller Sorge um Dolette zum Trotz, sah sie entschlossen ihre Gefährten an. Sie nickten allesamt. "Wir müssen das Aufhalten, Velen!" Er nickte nur und erhob seinen Stab, aus dem augenblicklich helle Lichtblitze auf Entropius zu schossen. Marialle, ihre Gefährten, die Draenei und Seher taten es ihm gleich und hüllten das Monstrum in eine helle Wolke aus Zaubern und vereinzelten Pfeilen. Einige Untote preschten auf die Kämpfer zu und Borigan, Malek und Berthold zückten ihre Waffen zusammen mit den Draenei und Blutelfnahkämpfern, um die Fernkämpfer zu schützen.
"Kommt!", befahl Velen und die Fernkämpfer folgten ihm, näher an das Wesen heran, das einst der Naaru war. Im Laufen warf die Priesterin einen Zauber nach dem anderen auf die Umstehenden Geißel und Dämonen. Sie sah sich um, doch keine Spur mehr von Dolette.
Entropius richtete sich benommen wieder auf und stieß einen lauten Schrei aus, aus dem schwarze Energieblitze folgten. Hie und da wurden Blutelfen und Draenei zu Boden gerissen. Sie selbst wurde hart an der Schulter getroffen, doch richtete sich Marialle schnell wieder auf, um weiter Zauber los zu schleudern.
Ein Schrei riss sie aus ihrer Konzentration und sie drehte sich abrupt um. Sie sah ihren Bruder Berthold, der kraftlos zu Boden sackte, der Blick starr und leer. Marialle hielt inne. Kurz blieb die Zeit stehen, während sie beobachtete, wie er in einer liegenden Position erstarrte. Sie war versucht umzukehren, doch sie besann sich, schlug die Zähne hart aufeinander und sah fest zu dem Ungetüm auf, das unablässig Zauber in die Umgebung warf.
"Konzentriert eure Angriffe auf seinen Kopf, nur so können wir es schaffen!", schrie der Prophet gebieterisch und sie taten alle wie ihnen geheißen. Ein großer Schwall aus Zaubern und Pfeilen flog auf den Kopf von Entropius zu und sein Kopf zerbarst in tausend kleine Stücke. Sein Körper wandelte sich zurück in das splitterartige Gebilde, das jetzt wieder M'uru war. "Jetzt nicht nachgeben! Wir müssen die Untoten und Dämonen vernichten", ließ sich nun die Priesterin laut vernehmen und sofort flogen Zauber aus ihrem Kampfstab nieder in die kämpfende Menge. Alle anderen taten es ihr gleich. Die Schreie und das Klirren der Klingen wurde immer lauter. Die Schlacht erreichte ihren Höhepunkt und Marialle beobachtete ihre Gefährten voller Sorge. Die Kräfte schwanden und es dauerte noch eine unerträglich lange Weile, bis die brennende Legion ein weiteres mal zurück geschlagen war. Allmählich sanken ihre Gefolgsleute siegreich aber erschöpft zusammen, bevor Jubelschreie die eintretende Stille jäh unterbrach.
Marialle stürmte an den Leichen und überlebenden vorbei und sank bestürzt neben ihrem toten Bruder auf die Knie. Ihre Gefährten, die allesamt mit kleineren Blessuren davon gekommen waren, stellten sich um sie auf. Odessa kniete sich neben ihre Kommandantin. Heiße tränen brachen sich ungehindert auf ihren Wangen Bahn und sie begann leise zu schluchzen.
Einige Zeit verging und schließlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Als sie aufsah, erblickte sie das mitfühlende Gesicht des Draeneianführers. "Ich bedaure euren Verlust, Mylady, aber wenn ihr euch imstande fühlt, bräuchte ich noch einmal eure Hilfe." Sie nickte nur schwach und ergriff die Hand, die er ihr bot, um sich zu erheben. Borigan schulterte den toten Körper ihres Bruders und trottete ihr zusammen mit den anderen hinterher.
Sie kamen am Sonnenbrunnen an, der immer noch in ein bedrohliches grün getaucht blubberte. Von der anderen Seite schwebte der Naaru M'uru an sie heran. Er war in eine Blase gehüllt die von einigen Sehern gelenkt wurde. "M'uru liegt im Sterben, Mylady. Doch mit der ihm verbliebenen Macht könnten wir in der Lage sein, den Sonnenbrunnen zu reinigen. Würdet ihr mir dabei helfen?" Die Priesterin überlegte, wo immer ihre Liebste gerade auch sein mochte, das wäre ganz bestimmt in ihrem Sinne. Und so nickte sie dem Propheten aufs Neue zu, der seinerseits nun seinen Draenei mit einem Blick einen Befehl gab. Man stellte sich um den Brunnen auf und erhob die Hände. Die verbleibende Macht des Naaru ging in sie über und Augenblicke später begannen die erhobenen Hände sanft zu leuchten. Aus ihnen strömten Augenblicke lang die Energien in den Sonnenbrunnen. Seine Farbe klärte sich allmählich und das Brodeln erstarb. "Es ist vollbracht", ließ sich Velen vernehmen. In dem Moment traten Lor'themar Theron, Halduron Wolkenglanz, der Großmagister Rommath und die Anführerin der Blutritter, Lady Liadrin an sie heran. Auch sie waren schwer von der Schlacht gezeichnet. Marialle ging jeden einzeln mit ihrem Blick ab. Suchend.
"Kael'Thas Sonnenwanderer ist tot! Aber sagt, was habt ihr mit dem Sonnenbrunnen getan, Draenei?", fragte Rommath. Der Großmagister blutete aus einer großen Wunde am Kopf und auch sonst schien er sehr mitgenommen. Aber wo war Dolette nur?
"Wir haben euren Sonnenbrunnen gereinigt, Blutelfen! Seine Macht steht euch nun wieder zur Verfügung, aber vergesst niemals die Vorkommnisse der Vergangenheit!", ertönte die Stimme des Propheten erhaben und bestimmend. Marialle drehte sich unterdessen um zu ihrem verstorbenen Bruder, der noch immer über der Schulter von Borigan lag und strich ihm abwesend über sein hellbraunes, kurzes Haar. "Lordregent, wisst ihr wo Lady Glutklinge ist?", fragte nun Malek für seine Kommandantin, was sie veranlasste sich wieder zurückzudrehen.
Es war Halduron Wolkeglanz, der an die Menschenfrau trat und ihre Hand ergriff. Er drehte die Hand in seiner und legte ihr behutsam das fein gearbeitete, goldene Amulett in ihre, das sie Dolette in Kalimdor geschenkt hatte. Sie spürte, wie sich die Hand von Lor'themar neben Halduron stehend auf ihre Schulter legte, bevor er leise anfing zu sprechen: "Wir hatten eine menge Verluste zu beklagen, Mylady. Und es ist der massiv geschrumpften Anzahl unseres Volkes zu schulden, dass die Geißel und Dämonen heute ein weiteres mal so viele von uns in den Tod geschickt haben. Aber heute haben nicht nur Blutelfen ihr Leben gelassen. Seid gewiss, wir werden die Opfer nicht vergessen!", wandte er sich zum Ende an Velen, hinter dem seine Draenei und die Blutelfen der Seher standen.
Marialle starrte ihrerseits nur lange, reglos auf das Medaillon in ihrer Hand. Schließlich öffnete sie es und strich mit dem Finger, die filigranen Buchstaben der Worte Liebe und Licht nach. Die Tränen begannen heiß und stumm ihre Wangen hinab zulaufen, als Lor'themar ein weiteres mal das Wort an sie richtete: "Mylady Lichtsprung, ich trauere mit euch um euren Bruder … " Der Lordregent kniete sich vor sie. " … aber am Tod von Lady Dolette Glutklinge, Paladin des Ordens der silbernen Hand und zuletzt des Ordens der Blutritter, trage allein ich Schuld." Er musste eine Pause einlegen und schluckte sichtlich um Fassung bemüht. "Sie gab ihr Leben für das meine. Ich war unachtsam. Es ist mein Vergehen. Meine Schuld. So lege ich mein Leben in eure Hand und überlasse es euch, was weiter damit geschehen soll." Er senkte den Kopf und schob sein langes, weißes Haar zur Seite, sodass der Blick auf seinen Nacken frei wurde. Unter ihm färbten einige Tropfen Tränen die Farbe des Bodens eine Nuance dunkler. In Marialle drangen die Worte nur langsam durch.
Dolette. Ihre Geliebte. Sie war tot.
Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus, der durch über Quel'Danas, durch den Immersangwald bis in die Wälder Quel'Thalas hallte und sank verzweifelt auf die Knie. "Doooooole!", schrie sie erneut, doch ihre Stimme versagte ihr jäh den Dienst und der Schrei mündete in tonlosem Schluchzen. Die Zeit hatte erneut angehalten. Alles um sie herum verlor an Bedeutung, bis ein anderes Gefühl den Schock ablöste. "Ihr alle habt sie in den Tod geführt!" Wut drosch die Worte heiser aus ihrer Kehle. "An all euren Händen klebt IHR Blut! Sie war so viel besser als jeder von euch. Aus eigener Kraft hat sie sich aus den Fängen EURER Sucht befreit und sie kam zurück, um euch zu helfen. Ihr triebt sie zurück in die Sucht und nahmt sie mir! Nun lebt gefälligst mit dieser Schande! Lernt gefälligst daraus und macht es in Zukunft besser!", brüllte sie hinauf in die betretenen Gesichter der Anführer der Sin'dorei. Lady Liadrin konnte weder dem Blick noch den Worten der verzweifelten Priesterin standhalten und drehte sich weg. Lor'themar stand auf und verbeugte sich tief vor der Menschenfrau, die ihn trotz ihrer Jugend in Weitsicht und Weisheit zu übertreffen schien. "Ich hoffe inständig, dass ihr uns eines Tages vergeben könnt, Mylady Lichtsprung. Dolette, sie war auch meine Freundin." Ihr tränendurchtränkter Blick verriet Abscheu und so wandte er sich um und ging. Rommath und Halduron verbeugten sich ebenfalls und taten es dem Lordregenten gleich. Liadrin war die letzte der vier und sie stand noch immer reglos mit dem Rücken zu Marialle.Vergebt mir … , flüsterte sie mir über ihre Schulter zu, bevor auch sie hinter Lor'themar, Halduron und Rommath her ging, um die Überlebenden Blutelfen einzusammeln.
Also dazu wie genau du verstorben bist, kann ich dir nicht einmal genau was sagen, Dolette", sprach die Hohepriesterin leise und strich sich eine verirrte Träne aus dem Augenwinkel, bevor sie noch hinzu fügte: " … , aber das ist das Ende unserer Geschichte."
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Die dunkle Ritterin
FantasyDie Geschichte einer Todesritterin, die durch einen Auftrag für Sylvanas Windläufer, an ihrem vergessenem Leben rührt. Wer war sie einst? Wer ist sie heute? Und was wird aus ihr werden? Liebe, Freundschaft, Leid und Tod begegnen Dole auf ihren Rei...