Marialle beobachte das Wechselspiel, das den Kampf im Geiste der erbleichten Gestalt vor ihr widerspiegelte. Ihre Hoffnungen zerfielen als sie den finsteren Ausdruck, auf dem fahlen Gesicht sah und Dolette kalt zu ihr sagte: "Wer sich hier wohl lächerlich macht? Ich bin eine Todesritterin. Ich bin nur dazu da Tod und Verderben in die Welt zu bringen! Hütet lieber eure Zunge, sonst verliert ihr sie vielleicht, Hohepriesterin!"
Um Fassung bemüht hielt sie dem eiskalten Blick der dunklen Ritterin stand und sah ihr zu wie sie sich drehte, um an die Feuerstelle zu treten und sich auf ihrem Fell nieder zu lassen. Die Priesterin musste den Blick abwenden, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen, doch eine stumme Träne, die ihre Wange hinab rann, konnte sie dennoch nicht mehr aufhalten.
Dolette hörte genau wie die Priesterin sich einige Augenblicke später auch auf ihrem Schlafplatz nieder ließ, doch sie beachtete sie nicht.
Es dauerte noch eine Weile, bis der Zorn verrauchte und eine Spur von Traurigkeit zurück ließ.
Was sollte sie auch besseres tun? Es galt die Hohepriesterin bei Putress abzuliefern und das war alles was zählt. Vielleicht würde Sylvanas sie dann auch zur Pforte des Zorns schicken, das würde sie von diesen Gefühlen ablenken und sie wieder zu dem machen was sie wirklich war.
Andererseits sollte ich mich vielleicht bei ihr entschuldigen?, dachte sie bei sich.Wozu? Wenn du sie eh nur noch einen halben Tag lang ertragen musst...
So ging es in ihrem Geist hin und her, bis die Sonne wieder aufging. Die dunkle Elfe stand geschmeidig auf, ohne ein Geräusch dabei zu verursachen und ging ruhig zu der Quelle die nicht weit entfernt von ihrem Lager war, um sich etwas zu erfrischen und zu waschen.
Angekommen, entledigte sie sich ihres Umhangs sowie Rüstung, Stiefel und dem wenigen Stoff darunter und ließ sich langsam ins kalte Bergwasser gleiten.Einige Momente trieb sie, die Augen zum noch dunkelblauen, Himmel gerichtet auf dem Rücken, bis sie ein plätscherndes Geräusch aus ihrer entspannenden Ruhe riss.
"Ihr? Seid ihr denn überall?", zischte sie gereizt und ihre leuchtenden Augen verengten sich zu Schlitzen.
Die Priesterin errötete leicht erschrocken und schlang die Arme um ihren Brustkorb.
Die empörte Menschenfrau spottete zurück: "Was bildet ihr euch ein? Ich war doch zuerst hier! Tut nicht so, als hättet ihr nicht gewusst, dass ich hier bin! Ich dachte die Sinne von Todesrittern sind so unfassbar scharf?"Der Elfe blieb die Luft weg und sie erstarrte wieder auf der Stelle. Eben noch aufgebracht und erzürnt, fühlte sie sich plötzlich beschämt und ertappt.
"Ich ... eh ... es tut mir leid, ich wollte nicht ..." Sie spürte wie ihr heiß und kalt wurde, passend zu ihren wankenden Gefühlen und Launen, während sie schon wieder verzweifelt versuchen musste den Blick von der entblößten Silhouette der Menschenfrau abzuwenden.
"Dreht euch gefälligst um!", warf sie der Untoten entgegen, die sofort gehorchte."Ja ... ja natürlich, verzeiht", stotterte die sonst so abgebrühte Todesritterin.
Sie konnte vernehmen, wie Marialle noch einmal kurz abtauchte und dann aus dem Wasser trat und sich wieder bekleidete.
Dann rief sie ihr zu: "Jetzt könnt ihr euch wieder umdrehen!" Band dann den breiten Stoffgürtel zurück um ihre schmale Taille und ließ sich ins Gras sinken."Was ich euch an Anstand entgegen bringe, verwehrt ihr mir nun, Marialle?", rief Dolette über das stille Gewässer, bis hin zu der am Boden sitzenden Priesterin, die zu kichern begann.
Sie sah immer noch zu ihr rüber, doch machte sie keine Anstalten zu Antworten, oder sich umzudrehen und schon gar nicht aufzustehen und zu gehen.
"Was solls, wenn's euch Freude bereitet." Sagte sie mehr zu sich selbst, als zu der Hohepriesterin. Stieg gelassen aus der Quelle und trat auf ihre Rüstung zu.Schmunzelnd beobachtete sie das Schauspiel, das sich ihr bot und dachte nicht im geringsten daran ihren Blick auch nur einen Deut zu senken. Sie betrachtete jeden Teil des wohlgeformten, ihr so vertrauten Körpers. Und schließlich, als die Todesritterin ihr den Rücken zudrehte, verweilte ihr Blick, Herzschläge andauernd, auf ihrem schönen Hintern bis ihre Augen die Narben absuchten, bei denen sie von jeder einzelnen wusste wo genau sie zu finden war. Bei einigen dieser Spuren aus längst vergangener Zeit, strömten Erinnerungen unaufhaltsam auf die mittlerweile gestandene und erhabene Hohepriesterin ein.
Sie ließen Marialle kurz zucken, ehe sie dem Anblick der Elfe wieder ihre volle Aufmerksamkeit widmen konnte.
Als Dolette sich wieder gänzlich eingekleidet hatte, richtete sie sich auf, um sich Richtung Lager zu begeben. Marialle drehte sich und schritt voran, der Ruf der Untoten ließ sie allerdings gleich wieder stoppen.
"Ach mich anstieren könnt ihr, aber zusammen mit mir zu den anderen zurückkehren lehnt ihr ab?"
Während sie sprach bewegte sie sich auf die Priesterin zu und machte nur wenige Längen vor ihr Halt.
Sie sog den vertrauten Geruch der Elfe, direkt vor sich, begierig ein und schloss einen Augenblick lang genießend die Augen.Unvermittelt legte sie ihr einen Finger auf die blutleeren Lippen, wodurch diese sichtlich an Farbe zu gewinnen schienen und raunte ihr verführerisch zu: "Ich wollte ja nur, dass du mich zurückhältst, damit du mir endlich mal etwas näher kommst! Dafür muss man dir ja immer erstmal einen gewissen Reiz anbieten."
Marialle schmunzelte und beobachtete amüsiert wie die Gesichtzüge der Elfe entglitten und diese sich nicht zu rühren wagte. Die Menschenfrau beugte sich vor, bis ihre Lippen genau neben ihrem langen Ohr waren und ließ Dolette daran ihren heißen Atem spüren.Leise begann sie zu flüstern: "Vielleicht wollte ich ja auch aufgehalten werden, damit wir noch nicht so bald zu den anderen zurück müssen, Dole." Sie schaute der dunklen Ritterin mit Verzückung zu, wie sie immer wieder hart schlucken musste, bis sie endlich einen Ton heraus brachte.
"Ihr seid aber schon eine echte Priesterin, oder?", kam es zögerlich und Marialle prustete los. Es dauerte etwas bis sie sich wieder einbekam und die Todesritterin mit den leicht rosa Wangen ansah, um ihr zu antworten.
"Na kommt, eiskalte Todesritterin. Lasst uns zurück gehen."♡
Der einzige Gedanke den sie hatte war Oh nein!, als sie die wild gewordene Sukkubus auf sich zu stürmen sah. Dolette überlegte auf einen Baum zu klettern, oder sich über die nicht allzu weit enfernte Klippe zu stürzen, doch verwarf die Gedanken schnell wieder, schließlich hatte die Dämonin ja Flügel. "Ahhh, versteckt mich, Marialle!", bat sie ernsthaft. "Wie? Was?", kam es verdutzt von der Priesterin zurück.
Zu spät. Susanne stürzte sich auf die Untote und schmiegte ihre Wange, genießend an der ihren. "Susanne Herrin Dolli so sehr vermisst am haben! Jetzt ambbleiben? Nicht mehr am weggehen!"
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Die dunkle Ritterin
FantasyDie Geschichte einer Todesritterin, die durch einen Auftrag für Sylvanas Windläufer, an ihrem vergessenem Leben rührt. Wer war sie einst? Wer ist sie heute? Und was wird aus ihr werden? Liebe, Freundschaft, Leid und Tod begegnen Dole auf ihren Rei...