Berthold wich seiner Schwester den ganzen Tag nicht von der Seite und als die Sonne kurz davor war unterzugehen, vernahm sie seine Worte wie aus weiter Ferne. "Da sind sie, Mari."
"Gib den anderen Bescheid und hol sie her", befahl sie etwas zu ruppig, doch er gehorchte und verließ den Raum. Marialle war bedrückt, regelrecht nervös. Wie würde Dolette reagieren, war sie wirklich noch immer dieselbe?
Es dauerte nicht lange bis ihr Bruder mit ihren Gefährten in das Zimmer zurückkehrte. "Wir sind uns alle einig, nehme ich an?", fragte Borigan ruhig und die Gemeinschaft nickte einheitlich, sie würden ihrer Kommandantin nicht dabei zusehen, wie sie sich selbst verlor.
Augenblicke später betrat Dolette lachend den Raum und verabschiedete sich, bei einem der Blutritter.
"Danke fürs Bringen Thoridiel, hab einen schönen Abend. Nanu, Mari? Was ist denn hier los? Warum seid ihr alle noch hier? Ich hatte doch befohlen, dass sie abreisen." Im Blick der Elfe lag deutlich Missgunst, auch wenn sie ruhig und bestimmend mit ihrem Gefolge sprach. "Meinst du nicht sie haben es verdient, diesen Befehl von dir selbst zu hören, Dole?", antwortete die Priesterin ruhig mit einer Gegenfrage. "Was? Nein, Unsinn. Ich habe euch in den Urlaub geschickt. Warum muss ich euch das persönlich sagen? Das ist doch nichts Bewegendes", verteidigte sich die Paladin.
"Lady Glutklinge, wenn ich erklären darf?", bot sich Efendral an und Dolette nickte nur, immer noch ruhig und sie erinnerte Marialle an die Dolette, die sie einst kennenlernte. Die es vermochte so ruhig und erhaben, selbst im Angesicht des Feindes, eine gehobene Unterhaltung zu führen. "Wir alle können eure Beweggründe nachvollziehen, warum ihr euch den Blutrittern angeschlossen habt, aber wie Lady Lichtsprung euch schon heute Morgen sagte, übergeht ihr damit eure eigenen Wertvorstellungen. Wir als eure Gefährten und Freunde wollen euch damit unter keinen Umständen allein lassen. Da wir hier in Quel'Thalas nicht erwünscht sind, können wir das aber nicht umsetzen, deshalb bitte wir euch, uns zu begleiten, damit wir euch helfen können." Die Elfe schmunzelte. "Nobel, aber sehe ich aus, als bräuchte ich Hilfe, Efendral? Sehe ICH aus, als bräuchte ich Schutz? Was für ein Gefolge seid ihr, dass ihr euch eurer Kommandantin widersetzt?" Der ruhige, aber bedrohliche Ton saß und so sahen sich die Gefährten unsicher an. "Und wer bist du, dass du mich so hintergehst?", sprach sie nun mit Eiseskälte und trat einen Schritt auf die Priesterin zu. Der giftgrüne traf Marialle bis ins Mark. "Dole, ich mache mir Sorgen um dich, das weißt du. Es sieht dir nicht ähnlich, dass du nicht zu deinen Freunden stehst und sie lieber wegschickst." Marialles Worte klangen flehend doch der Blick der Paladin verhärtete sich nur noch mehr. "Ich stehe nicht zu euch? Undankbares Pack! Was meint ihr, wem ihr es zu verdanken habt, dass ihr hier noch immer im Sonnenzornturm residiert, esst und trinkt wie die Könige und noch nicht in ein magisches Gefängnis gestopft wurdet? Meiner Gnade, meinem Einsatz, meiner Loyalität euch gegenüber!" Hochmut sprach aus den Worten der Elfe, das hatte nichts mit der Demut zu tun, mit der die Paladin ansonsten alles zu schätzen wusste, was sie hatte. "Dole, das wissen wir, aber denkst du nicht, wir sollten unsere Energien lieber darauf verwenden, dass sich die Fronten zwischen Blutelfen und Allianz nicht verhärten? Im Sinne von Frieden und Zusammenhalt?", versuchte Marialle ihre Geliebte zu beschwichtigen.
"Was weißt du schon? Frieden und Zusammenhalt, was meinst du, was ich hier gefunden habe? Bei meinem Volk! Die Allianz hat Kael'Thas und seine Leute unterjocht, als sie Schutz und Zuflucht brauchten. Was ist das für ein Bündnis? Dich kann ich beschützen Mari, aber wenn du lieber mit ihnen gehen willst, dann geh! Ich brauche dich hier nicht! Euch alle nicht. Ihr behindert mich hier nur." Das saß. Der Priesterin entglitten alle Gesichtszüge. Hatte die Elfe nicht noch am Morgen gesagt, dass nichts ihre Liebe schmälern würde? Auch ihre Gefährten blickten fassungslos auf die Paladin. Berthold war der erste, der sich fing.
"Jetzt reicht es aber, Dole! Komm zu dir! Wir wollen dir doch nichts Böses. Die Sucht ist eine Gefangenschaft. So hast du es mir selbst erklärt und wir wollen dich aus dieser Gefangenschaft befreien", mischte er sich bestimmt und mit fester Stimme ein. Die grünen Augen im Gesicht der Blutritterin funkelten bedrohlich, als sie an ihn heran trat. "Du und deine Schwester, ihr solltet ganz ruhig sein, Berthold. Schließlich lasst ihr beide eure Familie im Stich. Was wisst ihr schon von Zusammenhalt?" Die hochgewachsene Elfe war kaum kleiner, als der kleinste der Lichtsprung Brüder und so berührte ihre Stirn seine, als sie bedrohlich nah an ihn heran trat. Marialle legte ihr eine Hand auf die Schulter und wollte sie von ihrem Bruder wegdrehen, doch Dolette schlug sie grob zurück. "Fass mich nicht an, Verräterin!", erhob sie plötzlich lautstark ihre Stimme. Die Priesterin erbleichte, als sie den Zorn im Gesicht der Paladin sah. "Lass Mari in … " Doch Berthold kam nicht dazu seinen Satz zu beenden. Dolette verpasste ihm einen Kinnhaken der sich gewaschen hat und ließ den Mann nach hinten taumeln, wo er nur dank dem beherzten Einsatz des Schurken von einem Sturz verschont blieb.
"Beim Licht, Dole! Was ist nur in dich gefahren? Komm ihm noch einmal zu nahe … ", drohte Marialle reflexartig, die zu ihrem Bruder gestürzt war, um die Platzwunde an der Unterlippe rasch zu verschließen.
"Ihr werdet ALLE auf der Stelle abreisen, ansonsten lasse ich euch einsperren!", befahl die Blutritterin laut und Marialle konnte in den grün schimmernden Augen erkennen, dass es ihr ernst war.
In diesem Moment klopfte es hektisch an der Türe.
"Was?", donnerte Dolette entnervt. Die Tür wurde aufgestoßen und Halduron Wolkenglanz betrat das Zimmer. Er sah sich kurz erstaunt um, bevor er anfing zu sprechen.
"Lady Glutklinge, Prinz Kael'Thas hat Silbermond vor einigen Augenblicken erreicht, er hat einige unserer Wachen getötet und nahm M'uru in seine Gewalt. Er zieht gerade weiter Richtung Quel'Danas. Wir wissen nicht was in ihn gefahren ist. Der Lordregent verlangt nach euch", ließ er atemlos verlauten.
"Ihr habt mich gehört!", wandte sie sich an ihre verstoßen Gefährten. "Führt mich hin, Lord Wolkenglanz." Und so verschwand die Paladin mit dem Waldläufergeneral aus dem Raum.
"Was geht hier nur vor sich?", fragte Maxime beunruhigt. "Nichts Gutes, aber ohne Dolettes Zuspruch, können wir hier nicht bleiben. Wir müssen gehen, jetzt", erklärte Efendral trocken. "Nein, ich kann hier nicht weg. Wenn Kael'Thas verrückt geworden ist und Blutelfen tötet, ist es hier äußerst gefährlich. Ich kann sie doch nicht hier alleine zurücklassen."
"Mari, im Kampfgetümmel ist mit ihr kein vernünftiges Wort zu wechseln. Selbst du kannst hier jetzt nichts ausrichten", versuchte Berthold sie zur Vernunft zu bringen und die Priesterin nickte nur schwach. Sie wusste das nur allzu gut, doch wollte sie das nicht wahrhaben.
"Kommt, wir reisen ab, auf der Stelle!", befahl Borigan bestimmt und die Gefährten strömten in ihre Zimmer um ihr Habe eilig zusammenzupacken. Auf dem Weg zum Stadttor kamen sie immer wieder an getöteten Blutelfwachen vorbei und das ungute Gefühl, das Marialle hatte, wuchs mit jedem Schritt.
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Die dunkle Ritterin
FantasyDie Geschichte einer Todesritterin, die durch einen Auftrag für Sylvanas Windläufer, an ihrem vergessenem Leben rührt. Wer war sie einst? Wer ist sie heute? Und was wird aus ihr werden? Liebe, Freundschaft, Leid und Tod begegnen Dole auf ihren Rei...