Kapitel 34

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Während wir aßen, vibrierte Jonathans Handy pausenlos. Gerade als ich das letzte Stück von meinem Sandwich gegessen hatte, vibrierte es erneut. "W-willst d-du nicht r-ran gehen?" Er schüttelte den Kopf, drückte den Anruf weg und kaute auch sein letztes Stück vom Sandwich auf. "Das sind nur Matthew und Chris, die mich überreden wollen zu dieser Party zu gehen, aber ich habe ihnen schon den ganzen Tag gesagt, dass ich heute raus bin. Schließlich wollte ich die Zeit nach dem Spiel mit dir verbringen. Zwar habe ich mir es etwas anders vorgestellt als ein Aufenthalt im Krankenhaus, aber wenigstens haben wir jetzt noch Zeit zusammen.", erklärte er und trank nun etwas. Ich nickte nachdenklich. Mir kam das hier alles so surreal vor, wie eine Parallelgalaxie, in der Jonathan und ich befreundet sein können, obwohl wir beide wissen, dass wir es eigentlich nicht können. Das Schlimme an dieser Parallelwelt ist, dass ich mich in diese Vorstellung verlieben könnte, denn ich musste mir immer wieder eingestehen, wie sehr ich diese Zeit mit Jonathan genoss. Auch ich trank nun das Getränk auf und stellte es anschließend zurück auf das Tablett. "Hast du noch Lust einen Film zu gucken?", fragte er neugierig. Ich nickte lächelnd und wir standen gemeinsam auf. Jonathan lief voran und ich folgte ihm durch die Flure des großen Hauses. Erst brachte er das Tablett in die Küche und zeigte mir dann das große Wohnzimmer. Die Wände waren in einem warmen Beige gehalten. Eine große Couchlandschaft stand in der Mitte und Bücher- sowie Filmregale säumten die Wände. "Was möchtest du schauen?" Ich zuckte die Schultern und lief mit ihm zu einem der großen Regale. Mein Blick wanderte neugierig durch die Borten und ich musste feststellen, dass ich viele der Filme noch nicht kannte. Zumindest sagte mir ihr Titel nichts, aber ich durfte ja auch schon länger nicht mehr Fernsehen. "Wie wäre es mit dem? Der ist witzig.", schlug Jonathan einen Film vor, denn ich glaube, er hatte meine Unschlüssigkeit gespürt. Ich nickte lächelnd, nach dem ich das Cover begutachtet hatte. Unsicher stand ich nun vor der Couch, während Jonathan alles vorbereitete und den Film einlegte. "Du kannst dich ruhig setzen.", meinte Jonathan schmunzelnd und schmiss sich auf die Couch. Mit etwas Abstand zu ihm setzte ich mich ebenfalls. "Du kannst es dir gemütlich machen." Scheinbar las Jonathan mittlerweile aus mir wie aus einem offenen Buch. Er spürte, wenn ich mich unsicher fühlte. War ich denn so offensichtlich zu verstehen? Also lehnte ich mich zurück und zog meine Füße an. Während des Films musste ich wirklich oft lachen, so viel hatte ich schon lange nicht mehr gelacht. Bei eine der Szenen konnte ich kaum aufhören. Jonathan musste ebenfalls laut lachen. Ich fühlte mich so glücklich, obwohl dieser Tag auch seine schlechten Stunden hatte. Die Müdigkeit unterdrückte ich, denn ich wollte, dass die Zeit mit Jonathan nicht endet. Während des Films hatte ich das Gefühl, dass Jonathan den Abstand zwischen uns immer weiter verringerte. Nun berührten sich schon unsere Schultern und Knie. Es machte mich unheimlich nervös und zugleich kribbelte mein Körper durch seine Berührungen. Was macht dieser Junge nur mit mir? Plötzlich legte er seinen Arm auf die Lehne der Couch, sodass ich mein Kopf theoretisch an seinem Arm lehnen könnte. Will er mir nah sein? Denn ich wollte in seiner Nähe sein, auch wenn es mir schwerfiel, mir diese Tatsache einzugestehen. Ich kratzte meinen Mut zusammen und kuschelte mich nun unsicher an seine Schulter. So als hätte Jonathan nur darauf gewartet, legte er seinen Arm um mich, der zuvor noch auf der Lehne verweilte. Ich konnte es nicht verhindern, dass sich ein riesiges Lächeln auf meine Lippen legte. Vertieft in den Film bemerkte ich zuerst nicht, dass sich zwei, drei Tränen auf den Weg machten meine Wangen hinunter zu rollen. Das Ende war einfach so schön und ich wünschte mir mein Leben hätte auch so ein Happy End. "Alles okay?", fragte Jonathan besorgt. Ich setzte mich etwas auf, wischte die Tränen aus meinem Gesicht, während ich nickte, um ihn zu beruhigen. "Ich fand das Ende einfach schön.", gab ich peinlich berührt stotternd zu. Statt mich auszulachen, lag auf seinen Lippen ein Lächeln und seine Augen funkelten mich an, aber nicht auf eine böse Art. Ich wusste nicht, wie ich es deuten sollte. Sanft strich er eine verirrte Strähne hinter mein Ohr. Es war eigentlich ein total romantischer Moment, wenn mein Gähnen nicht alles im nächsten Moment zerstört hätte. Jonathan begann zu lachen und ich lief rot an. "Wollen wir schlafen gehen?" Ich nickte. "W-wie, wie m-machen w-wir d-das?", fragte ich nervös und strich mir unsicher über meinen Arm. "Ich schlafe auf der Couch, du kannst mein Bett kriegen." Ich schüttelte protestierend den Kopf. "Das ist dein Bett, ich nehme die Couch.", stotterte ich. Er schüttelte lachend den Kopf. "Nein.", damit stand er auf und machte den Fernseher aus. "A-aber.", setzte ich an, doch wurde sogleich unterbrochen: "Keine Widerrede." Ich seufzte und stand nun auch auf. Oben in seinem Zimmer angekommen, putzte ich im Bad meine Zähne, während Jonathan sich die Couch vorbereitete. Danach tauschten wir die Rollen, ich legte mich in sein Bett und Jonathan ging ins Bad. Sein Bett war so weich und gemütlich, kein Vergleich zu meiner alten Matratze zu Hause. Ich hatte keine Zweifel, dass ich gut schlafen würde. Lächelnd kuschelte ich mich in die Decke. Ich war schon fast eingeschlafen, als die Tür aufging und zu meinem Erschrecken ein halb nackter Jonathan zum Vorschein kam. Schnell legte ich meine Hände vor meine Augen. Alles was ihn bedeckte, war seine Boxershorts. Meine Wangen glühten an meinen Händen, während Jonathan laut zu lachen begann. Plötzlich legten sich seine Hände auf meine und zogen sie vorsichtig von meinem Gesicht weg. Er war mir so nah, meine Atmung verschnellerte sich und meine Haut begann zu kribbeln. Was tat er nur mit mir? Sein raues Lachen ließ mein Herz schneller schlagen. Ich hatte noch immer meine Augen fest zugekniffen. "Abby, sieh mich an." Unsicher öffnete ich meine Augen und sah in sein amüsiertes Gesicht. "Und? So schlimm?", fragte er verschmitzt grinsend. Er war wunderschön. Sein Körper war muskulös, aber nicht übertrieben. Seine Haut strahlte im kleinen Licht der Nachttischlampe. Seine Haare fielen ihm ins Gesicht. Er wusste genau, wie attraktiv ich ihn gerade fand. "Du siehst nicht schlimm aus.", stotterte ich unsicher hervor. "Mach ich dich so nervös?", fragte er grinsend und beugte sich nun vor, unsere Gesichter trennten nur noch wenige Zentimeter. Ich hielt meinen Atem an. Dann küsste er sanft meine Wange. Seine weichen Lippen berührten nur kurz die zarte Haut meiner Wange, aber es genügte um mein Herz wild in meiner Brust schlagen zu lassen. "Gute Nacht, Abby.", flüsterte er, während er mir in die Augen sah. Ich fand meine Stimme nicht. "G-gute N-nacht, Jonathan.", hauchte ich deshalb nur, doch er hatte es gehört, schenkte mir ein Lächeln und lief dann zu seiner Couch. Zurück blieb Kälte, wo zuvor noch die Wärme seines Körpers war. Jonathan machte es sich auf der Couch gemütlich und ich machte, als er bereit war, das Licht aus. Ich kuschelte mich zurück in die Decke und schloss die Augen. Es dauerte nicht lang bis ich eingeschlafen war. "Abby, ich habe dir doch gesagt, dass du dich von ihm fernhalten sollst!", brüllte Matthew mich an und schubste mich gegen die Tür. "Bitte Matthew nicht!", weinte ich verängstigt. "Tritt bei Seite Sohn, das übernehme ich." Mein Onkel kam aus der Küche und grinste mich dreckig an. Statt mir zu helfen, ging Matthew zu Seite. "Nein, bitte!", schrie ich. Im nächsten Moment schlug mein Gesicht zur Seite mit der Wucht des ersten Schlags. "L-lass m-mich los!" "Nein, du Miststück!" Der nächste Schlag traf mich wieder im Gesicht. Ich schrie vor Schmerz auf und ich schmeckte Blut an meinen Lippen. "Abby!" Verwirrt sah ich auf trotz der Schmerzen. Jonathan?

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